Nachhaltig leben: Erste „Schnippelparty“ am Kieler Ostufer Anlaufstelle Nachbarschaft und Foodsaver Kiel gestalten Kochabend

Reporter Eutin 308
Kiel-Ellerbek (mü). Ein voller Erfolg war die erste „Schnippelparty“ am Ostufer. Gemeinsam Gemüse schnippeln und kochen war angesagt. Zudem ein facettenreicher Vortrag, wie nicht mehr verkäufliche Lebensmittel sinnvoll verarbeitet werden können. Für den Abend des 3. Juli hatte die Anlaufstelle Nachbarschaft Ellerbek/Wellingdorf (Anna) und der Verein Foodsharing Kiel eingeladen.
Dicht an dicht stehen auf drei großen Tischen ein ausladender Korb mit Brotwaren aller Art, eine Kiste Bananen, etliche Schüsseln voller Gemüse, mehrere Schälchen saftiger Erdbeeren. Zudem weitere Nahrungsmittel, die die Arbeitsplatten fast überquellen lassen. „Alles, was Sie hier sehen, sind wertvolle Produkte, die nicht mehr verkäuflich, doch problemlos essbar ist“, betont Marja Paasch, die dem gemeinnützigen Verein vorsteht. Währenddessen greift sie einen leicht verfärbten Brokkoli und eine etwas schrumpelige Paprika und hält die beiden Früchte freudestrahlend in die Höhe. „Da kann man ganz wunderbar was draus machen“, erzählt sie voller Begeisterung. Mehr als ein Dutzend Männer und Frauen, überwiegend Bewohner aus der von der Diakonie Altholstein betreuten Wohneinrichtung im Kieler Stadtteil Ellerbeck, aber auch aus der Nachbarschaft, hören gespannt zu. Sie sind überrascht, was die junge Frau berichtet. Ihr Schwärmen wirkt echt. „Hier liegt nur das, was wir fünf alleine heute gerettet haben - Sachen, die sonst auf dem Müll gelandet wären“. Zudem sei das nur ein kleiner Ausschnitt der breiten Produktpalette, die der Verein mithilfe von fast 600 Mitgliedern an viele unterschiedliche Verwerter verteilen würde, etwa an Obdachlosenheime, Sozialeinrichtungen oder Hilfsprojekte von Kirchengemeinden. Fast acht Tonnen pro Jahr kämen alleine in Kiel zusammen.
Ihr frisches Auftreten macht deutlich, wie sehr der jungen Frau am Herzen liegt, den Blick für kostbare Lebensmittel zu schärfen. „Wir machen das alles ehrenamtlich, weil wir zutiefst davon überzeugt sind, dass es lohnt, sich mehr mit dem Thema Lebensmittelverschwendung zu beschäftigen“. Weltweit landeten ein Drittel aller produzierten Nahrungsmittel auf dem Müll. „Daher bin ich froh, dass wir hier in der Region jedes Jahr mehr Unternehmen gewinnen können, die bereit sind, uns Waren zur Verteilung zu überlassen, statt sie wegzuwerfen“. Zurzeit seien es 80, Tendenz steigend.
Eines von ihnen ist der Tankstellenbetreiber bft Willer in Kiel, der zweimal täglich belegte Brötchen abgibt. Wichtig zu wissen sei zudem „dass wir uns auf gar keinen Fall als Konkurrenz zu den Tafeln sehen, sondern als sinnvolle Ergänzung“, betont Paasch. „Wegen unserer dezentralen Struktur können wir flexibel reagieren, holen auch kleinste Mengen ab, und springen nur dann ein, wenn die Tafeln aus unterschiedlichsten Gründen bestimmte Lebensmittel nicht verwerten können“.
Nach dem kurzweiligen Vortrag geht es los mit dem Zubereiten der Lebensmittel. In wenigen Minuten verwandelt sich die schlichte und großzügige Gemeinschaftsküche der Anna Ellerbek in ein Kochstudio. Während hier noch flinke Hände schnippeln und schälen, klappern dort schon die Töpfe. Ruckzuck landen laut zischend die ersten Pilze in der Pfanne. Feine Küchendüfte steigen auf. Wenig später bereits blubbern italienische Nudeln im siedenden Salzwasser, untermalt von einem Klangteppich angeregten Schnatterns, Gemurmel in kleinen Grüppchen, oder zu zweit.
Den krönenden Abschluss bildet das gemeinsame Essen des Dreigänge-Menüs: Gemüsesuppe aus Broccoli, Mangold, Fenchel und Karotten, dazu herzhafte Brotchips, im Hauptgang Antipasti-Variationen, als Dessert Brotpudding „Großer Hans“ mit frischen Erdbeeren. Voller Elan dabei ist auch Dagmar Richter, die die Anlaufstelle Nachbarschaft in Ellerbeck/Wellingdorf für die Diakonie Altholstein betreut. Obwohl sie das geschäftige Treiben von monatlichen Treffen einer Kochgruppe bereits kennt, zeigt sie sich sehr zufrieden über die gemeinsame Aktion. „Es überrascht mich mit eigenen Augen zu sehen, wie viele Lebensmittel vor der Vernichtung gerettet werden können“, sagt sie und ergänzt: „Für die meisten älteren Menschen ist es ja durchaus üblich, verantwortungsvoll mit Lebensmitteln umzugehen“. Das weiß auch Marja Paasch. Daher ist sie froh, dass ihr Verein durch zahlreiche weitere Projekte auch viele jüngere Leute erreicht, „denn bei denen ist das oft alles andere als selbstverständlich“.