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Einem Bankier einen Gefallen getan?Sturz eines publizistischen Giganten

Einer der prägendsten deutschen Journalisten seiner Generation: Josef Joffe.

Der geleakte Brief, fünf Jahre alt, hat es in sich. Josef Joffe antwortet darin dem Bankier Max Warburg, mit dem er seit Jahrzehnten befreundet ist, auf Vorwürfe, Recherchen der «Zeit» seien am Debakel seiner Bank schuld: «Ich habe Dich gewarnt», schreibt Joffe, «was in der Pipeline steckte, und meiner Intervention war es zu verdanken, dass das Stück geschoben wurde und die Bank die Gelegenheit erhielt, Widerrede zu leisten. Ich habe Dich auch angefleht, eine exzellente PR-Agentur einzuschalten.» Whistleblower, die Ermittler auf die Spur von sogenannten Cum-Ex-Tricks der Warburg-Bank gesetzt hatten, nennt Joffe in dem Brief unumwunden «Verräter».

Der «Spiegel» zitierte aus dem Brief, in der Folge wurde dieser von Oliver Schröm integral veröffentlicht, einem NDR-Journalisten, der damals die Recherchen gegen die Warburg-Bank gemeinsam mit der «Zeit» vorantrieb. Der Eindruck, den Joffes Sätze hinterliessen, war verheerend: Hatte der berühmte Journalist in eine investigative Recherche eingegriffen, um einen Freund vor schädlichen Schlagzeilen zu bewahren? Hatte er versucht, die Berichterstattung zu verzögern oder gar zu verhindern?

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Die Verleger der «Zeit» reagierten jedenfalls sofort und kamen mit Joffe überein, dass dieser seine Herausgeberschaft ab sofort ruhen lasse; im März 2023 läuft der Vertrag ohnehin aus. Es ist das abrupte Ende einer grossen publizistischen Karriere.

Dabei scheint ziemlich sicher, dass der schlimmste Verdacht unbegründet ist: Schröms Recherche wurde nämlich nicht nur im NDR ausgestrahlt, sondern erschien mit zweiwöchiger Verspätung auch in der «Zeit» – und zwar inhaltlich unverändert. So wie danach noch mehr als ein Dutzend weiterer Artikel über das unverschämte Cum-Ex-Gebaren der Hamburger Bank.

Joffe verteidigte sein Vorgehen gegenüber verschiedenen Medien mit dem Argument, er habe nur verhindern wollen, dass die Vorwürfe ohne substanzielle Antwort der Bank publik würden. Die «Zeit» rechtfertigt sich, man habe damals zusätzlichen Recherchebedarf gehabt, das Ergebnis sei dafür noch stärker gewesen. Rechercheur Schröm selbst erkennt darin ein «irgendwie billiges» Manöver der «Zeit», ihr «Joffe-Problem auf uns Autoren abzuwälzen». Am Text sei jedenfalls nichts Wesentliches geändert worden.

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Max Warburg war nicht nur ein Freund Joffes, sondern auch anderer «Zeit»-Grössen: des verstorbenen Alt-Kanzlers und Herausgebers Helmut Schmidt etwa oder von Joffes Co-Chefredaktor und -Herausgeber Michael Naumann.

Joffe selbst ist einer der prägendsten deutschen Journalisten seiner Generation. Als Sohn einer jüdischen Juwelierfamilie überlebte er den Krieg und wuchs in West-Berlin auf. Er studierte an Elite-Universitäten in den USA, kam in den 1970er-Jahren zur «Zeit», wechselte 1985 als Aussenpolitik-Chef zur «Süddeutschen Zeitung», bevor er 2000 als einer der Chefs zur «Zeit» zurückkehrte. Joffe schrieb mit Autorität, stilistisch oft brillant, und war als Autor und Dozent einer der bedeutendsten Transatlantiker Deutschlands. Bis heute erscheinen viele seiner Aufsätze auch in amerikanischen Leitmedien. Sein Amt bei der «Zeit» hat Joffe nun verloren. Seine Stimme bleibt dem Land hoffentlich erhalten.

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