Im Bild eine Raucherlunge: Die schwarzen Partikel sind im Zwischengewebe der Lunge abgelagert.

Foto: R.Sedivy

"Nach wie vielen Jahren Rauchen ist meine Lunge schwarz?" erkundigt sich ein User in einem Raucherforum. "Beim täglichen Konsum von 20 Zigaretten, lagert sich in einem Jahr etwa eine Tasse Teerstoffe in der Lunge ab", lautet eine Antwort. Ein anderer Forumbesucher hat Anweisungen für einen Versuch parat: "Zigarette anzünden, einen normalen Zug nehmen und über den Mund durch ein Papiertaschentuch ausatmen". Voilà. 

"Das mit der schwarzen Raucherlunge ist ein Märchen", bekommt man an anderer Stelle zu lesen und Michael Tsokos, Leiter des Rechtsmedizinischen Instituts der Charité Berlin hat diese Behauptung in einer deutschen Talkshow 2010 auch teilweise bestätigt. Auf Markus Lanz Frage, ob es denn so etwas wie die schwarze Raucherlunge gäbe, hatte der Gerichtsmediziner folgendes zu sagen: "Nein, das was man in der Ausstellung Körperwelten sieht oder auch was von der AOK so dargestellt wird, diese schwarzen Lungen, die sind tatsächlich schwarz angemalt."

Eine Aussage, die Roland Sedivy, Vorstand am Institut für Klinische Pathologie des Landesklinikums St.Pölten als "maßlos übertrieben bezeichnet". Tatsächlich ist, so der niederösterreichische Pathologe, das was Gunther von Hagens als Raucherlunge präsentiert, eine ganz "normale" Lunge mit ganz "normalen" Pigmentablagerungen, wie sie in jeder älteren menschlichen Lunge im zu finden sind. "Van Hagen vergleicht diese Lunge mit einer überblähten Lunge, die zart rosa und komplett blass ist und bezeichnet diese nicht korrekterweise als normal", sagt Sedivy.

Anamnese erforderlich

Mit seinem Bezug zu der Ausstellung Körperwelten hat Tsokos die Diskussionen rund um das Thema schwarze Raucherlunge jedenfalls angeheizt und einige Missverständnisse hinterlassen. Tsokos streitet nämlich keineswegs nicht ab, dass Rauchen in der Lunge Rückstände hinterlässt: "Natürlich gibt es Raucherpigmente, es gibt eine Anthrakose. Aber ob jemand sein Leben lang an der Autobahn gelebt hat oder 2 Schachteln Zigaretten geraucht hat am Tag, das können wir an der Lunge nicht absehen".

"Wenn ich eine Lunge hinein schneide und keine Informationen von diesem Menschen habe, kann ich auch nicht sagen, ob diese Person ein Leben lang am Gürtel in Wien gewohnt hat oder aber ein starker Raucher war", kann auch Sedivy nicht unterscheiden ob die fünf Millimeter großen schwarzen Punkte in der Lunge eines toten Menschen von Autoabgasen, Industriestaub oder Tabakkonsum herrühren. 

Es ist also nur eine Frage der Begrifflichkeit. Korrekterweise ist also von keiner Raucherlunge, sondern immer von einer schwarzen Lunge die Rede, dann wird keine mögliche Ursache impliziert.

Staub, Russ und Teer

Ein User postet: "Tabakrauch macht die Lunge nicht schwarz, weil kaum Kohlenstoff enthalten ist". "Stimmt nicht", weiß Hans Feichtinger, Vorstand des Institutes für Pathologie und Mikrobiologie der Krankenanstalt Ruolfstiftung in Wien und räumt letzten Zweifel aus dem Weg: "Bei jeder abnormen Staubbelastung, also auch beim Zigarettenrauchen werden Staub-, Ruß- oder Teerpartikel von Makrophagen (Fresszellen, Anm. Red.) aufgenommen und im Zwischengewebe der Lunge, aber auch in den Lymphknoten abgelagert". Beim Rauchen, wie bei anderen Staubexpositionen auch, ist das Ausmaß der Pigmentablagerung und damit Einfärbung der Lunge abhängig von Dauer und Intensität der Einwirkung. 

Ein Trugschluss zu glauben, dass Rauchen bei Stadtmenschen demnach egal ist, weil die Lunge so oder so, ihre anthrakotischen Pigmente abbekommt. Tsokos bestätigt das auch, indem er an gesundheitssschädigende Folgen wie Krebs erinnert. "Tabakrauch und dessen Inhaltsstoffe führen zugravierenden zusätzlichen Veränderungen des Lungengewebes", erklärt Feichtinger und geht insbesondere auf die chronische Entzübndung der Atmewege (chronische Bronchitis, Anm. Red.) ein, die sich als chronisch obstruktive Atemwegserkrankung manifestieren kann. 

Ob die "Schocklungen" die auf Zigarettenpackungen abgebildet werden gefaked sind oder nicht, ist im Grunde also egal. Denn unabhängig davon welche Farbe das Rauchen in der Lunge hinterlässt, gesund ist der Glimmstängel jedenfalls nicht. 

Der menschliche Organismus besitzt jedoch die außerordentliche Fähigkeit zur Regeneration, so auch die Lunge. Mit dem Rauchen aufzuhören lohnt sich also, denn die die Funktion des Atmungsorgans rehabilitiert sich weitgehend, zumindest wenn die Veränderung des Lungengewebes noch nicht zu weit fortgeschritten ist. (Regina Walter, derStandard.at, 12.2012)