Ein FPÖ-Werbevideo mit "Ali" und "Mustafa" von 2018 war diskriminierend, bestätigte nun auch der Verfassungsgerichtshof.

Foto: Screenshot FPÖ-.TV

Wien – Der Verfassungsgerichtshof hat bestätigt: Ein Werbevideo auf FPÖ TV, das Animationsfiguren namens "Ali" und "Mustafa" mit Fez auf dem Kopf Missbrauch von E-Cards unterstellte, war diskriminierend und daher gesetzwidrig. Das 2018 veröffentlichte Video ziele "vorrangig darauf ab, einer Gruppe 'fremder Menschen' pauschal sozial schädliches Verhalten zu unterstellen".

  • Wie Anwalt Niki Haas die Entscheidung der Höchstrichter beurteilt, finden Sie im Update unten.

FPÖ TV wird laut Impressum vom Freiheitlichen Parlamentsklub betrieben, der Klub beschwerte sich beim Höchstgericht gegen Entscheidungen der vorigen Instanzen. Der Clip wurde auf FPÖ TV (für wenige Stunden) sowie auf Facebook gezeigt.

"Pech gehabt, Ali"

Das Video wirbt für die FPÖ-Initiative für E-Cards mit Passfoto. Die recht einfache Animation zeigt einen als "Ali" bezeichneten Mann mit Schnurrbart und Fez auf dem Kopf. Die Off-Sprecherin erklärt, dass "Ali" zum Zahnarzt gehe, um "seine Zähne auf Vordermann zu bringen". "Ali" weist am Empfang einer Zahnarztpraxis eine E-Card vor – untermalt von Musik und einem hämischen Männerlachen. Die Sprecherin sagt: "Aber halt!", und erklärt, dass "Ali" die E-Card von seinem Cousin "Mustafa" habe, da er im Gegensatz zu diesem nicht versichert sei. Und weil sich die damalige Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) für Fotos auf der E-Card eingesetzt habe, werde die E-Card des Cousins in der Zahnarztpraxis nicht angenommen.

Hartinger-Klein erklärt in dem Video, dass die Maßnahme verhindern soll, dass "jene sich in unser Sozialsystem schummeln, die keine Versicherung bezahlt haben". Damit sei nun Schluss, "Pech gehabt, Ali", heißt es in dem Video.

Die Medienbehörde KommAustria stellte 2019 fest, dass das Video wegen Diskriminierung das AV-Mediendienste-Gesetz (AMD-G) verletze; das Bundesverwaltungsgericht bestätigte die Entscheidung im Wesentlichen, grenzte die Diskriminierung aber auf ethnische Herkunft ein und strich Diskriminierung wegen Religion und Glauben.

FPÖ: Hätte auch Hans und Franz mit Tiroler Hut zeigen können

Der Freiheitliche Parlamentsklub, vertreten von Rechtsanwalt Niki Haas, beschwerte sich dagegen beim Verfassungsgerichtshof – die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts habe das Recht auf Meinungsfreiheit verletzt.

Die dargestellten Figuren könnten keiner abgrenzbaren Personengruppe zugeordnet werden, die einer Ethnie entspricht. Deshalb könne eine solche Gruppe in dem Video auch nicht diskriminiert worden sein.

Schon vor der KommAustria hat der Parlamentsklub argumentiert, der Fez solle nur verdeutlichen, dass sich zwei Personen auf den ersten Blick ähneln könnten. Man hätte auch zwei Holzfäller namens Hans und Franz mit Tiroler Hut zeigen können, erklärten die Freiheitlichen.

Benachteiligende Ausgrenzung

Der Verfassungsgerichtshof stellte nun fest, dass die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Hinblick auf das "Ali-Video" verfassungskonform war und die Meinungsfreiheit nicht verletzt habe.

Das Höchstgericht stellt fest: Es komme beim Diskriminierungsverbot nicht darauf an, dass die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie exakt abgegrenzt werden muss, sondern darauf, dass mit einer stereotypen oder pauschalen Zuordnung zu einer bestimmten ethnischen Herkunft, die der Einzelne auch nicht verändern kann, eine benachteiligende Ausgrenzung einer bestimmten Gruppe bezweckt wird.

Das Recht auf Meinungsfreiheit reiche – grob zusammengefasst – in einem Werbevideo weniger weit als im politischen Diskurs in Auseinandersetzung mit Ideen anderer politischer Kräfte. Deshalb findet der Verfassungsgerichtshof die strengeren Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts hier im Interesse des Diskriminierungsschutzes nachvollziehbar. Das Video erfülle nicht die Kriterien, um gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine Beschränkung der Meinungsfreiheit nach Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention geltend zu machen.

Vorrangige Absicht, "fremden Menschen" sozial schädliches Verhalten zu unterstellen

Wörtlich heißt es in dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs: "Die Darstellung einschließlich der gewählten Namensbezeichnungen stellt auf Stereotypen zur Kennzeichnung 'fremder Menschen' mit einem bestimmten ethnischen Hintergrund in der deutlichen und vorrangigen Absicht ab, Angehörigen dieser Gruppe pauschal und ausschließlich auf Grund ihrer ethnischen Herkunft sozial schädliches Verhalten zu unterstellen." Das Höchstgericht: "Es kommt im Zusammenhang mit dem Diskriminierungsverbot nicht darauf an, dass die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie exakt abgegrenzt werden muss, sondern darauf, dass mit einer stereotypen oder pauschalen Zuordnung zu einer bestimmten ethnischen Herkunft, die der einzelne auch nicht verändern kann, eine benachteiligende Ausgrenzung einer bestimmten Gruppe bezweckt wird (...). Das Bundesverwaltungsgericht hat also § 31 Abs. 3 Z 2 AMD-G im Einklang mit einschlägigen grundrechtlichen Diskriminierungsverboten ausgelegt."

"Werbung, nicht politische Argumentation"

Zum differenzierten Recht auf Meinungsfreiheit zwischen politischem Diskurs und Werbung heißt es in der Entscheidung: "Im Vordergrund steht die Werbung, nicht die politische Argumentation in Auseinandersetzung mit politischen Ideen oder Konzepten anderer politischer Kräfte oder Meinungen und Ideen der Zivilgesellschaft. Insofern ist dem Bundesverwaltungsgericht nicht entgegenzutreten, wenn es derartige Formen ideeller Werbung im Interesse des Diskriminierungsschutzes Betroffener in Anwendung des § 31 Abs. 3 Z 2 AMD-G (etwas) strengeren Anforderungen unterwirft als Auseinandersetzungen in politischen Debatten oder öffentliche Äußerungen mit Kritik an gesellschaftlichen Zuständen und Entwicklungen, an Anderen oder an staatlichen Institutionen."

Tatsächlich Diskriminierung

In dem Video werde "für eine politische Partei dadurch geworben, dass, wie es das Bundesverwaltungsgericht benennt, 'eine bestimmte Personengruppe 'an den Pranger' im Zusammenhang mit Sozialmissbrauch gestellt' wird", heißt es im Erkenntnis des Höchstgerichts: "Dies durfte das Bundesverwaltungsgericht der beschwerdeführenden Partei verfassungsrechtlich zulässigerweise als Diskriminierung gemäß § 31 Abs. 3 Z 2 AMD-G und damit als Verstoß ihrer audiovisuellen kommerziellen Kommunikation gegen diese Bestimmung anlasten."

Der Freiheitlichen Parlamentsklub (und FPÖ TV) sei durch die Entscheidung "weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm" in seinen Rechten verletzt worden. Der Verfassungsgerichtshof wies die Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof ab; der prüft nun, "ob die beschwerdeführende Partei durch das angefochtene Erkenntnis in einem sonstigen Recht verletzt worden ist". (fid, 22.7.2022)

  • Update: Anwalt Niki Haas zur VfGH-Entscheidung

Der Wiener Medienanwalt Niki Haas hat die FPÖ in Sachen "Ali"-Video bis zum Verfassungsgerichtshof vertreten. Er sieht die Entscheidung naturgemäß kritisch: "Es ist schon etwas eigenartig: Der Verfassungsgerichtshof bewertet die im Video dargestellten Protagonisten als 'fremde Menschen' mit einem bestimmten ethnischen Hintergrund, ohne die ethnische Gruppe zu benennen. Trotzdem wird diese Darstellung als eine ethnische Diskriminierung qualifiziert."

Den Medienanwalt verwundert, dass sich das Höchstgericht "nicht daran gestoßen hat, dass der Gesetzesbegriff 'ethnische Herkunft' schon an sich unbestimmt ist."

Das Höchstgericht gehe aus seiner Sicht in dem Erkenntnis zum "Ali"-Video "weit über den Gesetzeswortlaut hinaus", kritisiert Haas im Gespräch mit dem STANDARD. (fid, 22.7.2022)