Aufgrund der Nachrichtenlage könnte man meinen, dass in Österreich ein Notstand wie nach dem Ungarn-Aufstand 1956 oder dem Syrien-Krieg 2015 eingetreten ist. Schauen wir auf die Zahlen: Anfang Juli waren 62.000 mehr Ukrainer in Österreich als zum Jahresende 2021. Österreich nimmt damit knapp ein Prozent aller circa acht Millionen ukrainischen Flüchtlinge auf, die vor der Aggression Russlands ins Ausland geflüchtet sind. Das ist keine Kleinigkeit; wir können stolz sein auf die Hilfe, die wir ihnen angedeihen lassen.

Manche wollen jedoch nicht stolz sein, sondern einen Asylnotstand sehen. Über 100.000 Asylanträge wurden heuer in Österreich eingereicht, FPÖ-Parteichef Herbert Kickl und Genossen sehen eine "neue Völkerwanderung".

Nur: Wo bleiben die neuen Völker? Die Wanderungsbilanz der Statistik Austria zeigt: nicht in Österreich. Von Jänner bis Juni 2022 haben sich 855 mehr Inder in Österreich niedergelassen, als weggezogen sind. Das Wanderungssaldo für Afghanen beträgt 877, knapp weniger als zum Beispiel Bulgaren. Die größte Gruppe an Ankömmlingen nach Ukrainern sind Syrer; selbst von denen waren nur 5500 mehr im Land als sechs Monate zuvor.

Das sieht man auch an den Asylsuchenden in der staatlichen Grundversorgung. Anfang Jänner waren es knapp 40.000, Ende Oktober waren es immer noch 40.000; hinzu kommen die etwa 62.000 Ukrainer. In anderen Worten: Die Zunahme in der Grundversorgung und die Belastung für Quartiere, Schulen etc. erklärt sich ausschließlich durch den Krieg in Europa. Ukrainerinnen sind keine "Wirtschaftsflüchtlinge": Wir wissen, dass die überwiegende Mehrzahl zurückkehren möchte.

Burgendlands SPÖ-Chef Doskozil kreiert künstlich einen "Asylnotstand".
Foto: APA/HANS KLAUS TECHT

Asylantrag auf Zwang

Fast alle anderen Flüchtlinge wollen durch Österreich durchreisen, in andere europäische Länder oder nach Übersee, werden jedoch von der Polizei bei Fahrzeugkontrollen aufgegriffen und – unter Androhung einer Rückschiebung nach Ungarn – gezwungen, einen Asylantrag zu stellen. Man müsste nicht so vorgehen. In der Schweiz, wo (wie in Österreich) ein Flüchtender meist auf dem Landweg aus einem EU-Staat gekommen sein muss, wird er nur als Asylsuchender registriert, wenn er dableiben will.

Nicht umsonst bekommen etliche Asylsuchende einen Freifahrtschein für das gesamte ÖBB-Netz, offiziell weil sie an einen anderen Ort zur Erstantragstellung "umverteilt" werden, "um burgenländische Behörden zu entlasten". In Wahrheit fahren Flüchtlinge damit meist weiter in andere Länder. Die meisten Asylanträge werden nicht positiv erledigt, weil sich die betroffenen Personen nicht mehr in Österreich befinden.

Die aktuelle "Asylkrise" ist also ein Aufgriffsphänomen. Warum wird die Zahl der Asylsuchenden durch vermehrte Kontrollen künstlich aufgeblasen? Die Antwort heißt Hans Peter Doskozil. Burgenlands SPÖ-Chef verfolgt die Strategie, die ÖVP und Innenminister Gerhard Karner durch einen neuen "Asylnotstand" vorzuführen; die ÖVP spielt tollpatschig mit. Doskozil weiß natürlich, dass das vor allem der FPÖ in die Hände spielen wird. In der Folge inszeniert er sich in Umfragen als das einzige Bollwerk der SPÖ gegen die FPÖ. Das Spiel ist leicht durchschaut, ob er damit die SPÖ übernimmt, wird eine Weichenstellung für die Republik. (Veit Dengler, 18.12.2022)