Mario Stecher geht "durchaus positiv" in die WM. "Ob es jetzt fünf, sieben oder acht Medaillen werden sollen, kann und möchte ich aber nicht sagen."

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Die 54. nordische Weltmeisterschaft ist die dritte für Mario Stecher als sportlicher Leiter für Kombination und Skisprung im österreichischen Skiverband (ÖSV). Neun Medaillen, allerdings keine aus Gold, schauten 2019 in Seefeld heraus. Zwei Jahre später in Oberstdorf gab es nur sieben Dekorationen, dafür waren gleich vier aus Gold. Für Planica in Slowenien schwebt Stecher wohl eine ähnliche Ausbeute vor, festlegen lässt sich der Kombinations-Olympionike allerdings nicht.

STANDARD: Traditionell misst sich der nordische Bereich im österreichischen Skiverband mit dem alpinen, wenn es um Medaillen geht. Vor Ihrer WM in Planica war Courchevel/Méribel, Österreichs Alpine haben besser als erwartet abgeschnitten. Was sagen Sie zu dieser Vorlage?

Stecher: Je mehr Medaillen ein Verband hat, desto besser ist es. Ich freue mich auch über jeden Erfolg der Alpinen. Wir wissen alle, wie viel dazu gehört, es so auf den Punkt zu bringen.

STANDARD: Es waren immer wieder Klagen zu hören, dass die Nordischen gegenüber den Alpinen finanziell benachteiligt seien. Hat sich daran mit der Präsidentschaft von Roswitha Stadlober etwas geändert?

Stecher: Der nordische Bereich genießt einen absolut hohen Stellenwert, das drückt sich auch in der Ausstattung aus. Das war aber auch schon vor Präsidentin Stadlober so. Wir bekommen alles, was wir brauchen. Klar ist, dass unser Aufwand nicht gleich hoch ist, etwa was die Reisen und das Gepäck betrifft. Aber für meinen Bereich, also Skisprung und Kombination, suchen unsere Möglichkeiten ihresgleichen. Im Langlauf sieht es natürlich anders aus, da sind Nationen wie Norwegen logischerweise in anderen Dimensionen.

STANDARD: Planica ist, glaubt man der Politik, nach Corona. Wirkt die Pandemie in Ihrem Bereich nach?

Stecher: Wir hatten das Glück, dass die Pandemie fast alle verschont hat. Wir hatten Erkrankungen, ja, haben aber, was Long Covid betrifft, im Unterschied zu anderen Verbänden keine Fälle. Wichtig ist, dass wieder Leute zu den Bewerben kommen, die Stimmung überträgt sich ja auf Sportlerinnen und Sportler. Da wird die WM in Planica etwas ganz anderes, als es die WM vor zwei Jahren in Oberstdorf war.

STANDARD: Eine Geschichte in Oberstdorf war das Pech der favorisierten Skispringerin Sara Kramer in den Einzelbewerben. Dann hat sie wegen Corona auch noch Olympia in Peking versäumt. In dieser Saison steht sie längst nicht dort, wo sie schon war. Zuletzt hat Kramer im Weltcup pausiert, um sich für die WM in Form zu bringen. Was ist schiefgelaufen?

Stecher: Skispringen ist eben sehr diffizil. Man kann wie Phönix aus der Asche steigen, wie Eva Pinkelnig mit ihren großartigen Erfolgen beweist. Es kann sich aber auch ins Gegenteil verkehren. Sara hatte im Training kleine Umstellungen, die nicht so funktioniert haben. Sie ist nach Innsbruck gewechselt, um mit Thomas Diethart zu trainieren, dann hat sich Lisa Eder, die mit von der Partie war, das Kreuzband gerissen, und Sara war alleine. Jetzt ist sie wieder retour in Saalfelden. Auch Reglementveränderungen in der Anzugthematik spielten eine Rolle. Ich bin aber überzeugt, dass sie bei der WM in die Spur finden kann.

Sara Kramer sprang ihrer Form zuletzt hinterher.
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STANDARD: Bei den Skispringerinnen fehlt mit Sophie Sorschag in jedem Fall eine Teamweltmeisterin von Oberstdorf. Sie springt in Zukunft für den Kosovo. Wie kam es dazu?

Stecher: Ich finde es nach wie vor sehr schade. Es sind einige Dinge vorgefallen, auf die ich hier nicht eingehen möchte. Aber es ging auch um den Teamgedanken. Wir haben ihr angeboten, dass sie sich einen eigenen Trainer sucht, den wir dann mitfinanzieren. Dann haben wir nach eineinhalb Monaten gehört, dass eine Loslösung vom Verband gewünscht wird. Dem wurde eben entsprochen.

STANDARD: Österreichs Skispringer haben in Stefan Kraft einen absoluten Siegertyp. Der Rest schafft es kaum aufs Podest, fällt doch ein wenig ab. Kann sich das bei der WM ändern?

Stecher: Kraft ist für mich definitiv der beste Skispringer der vergangenen zehn Jahre, er ist konstant sehr erfolgreich. Aber wir sind aktuell mit fünf Springern in der Weltspitze, die sind alle unter den besten 15 im Weltcup. Oft einmal fehlt eben ein Alzerl Glück, das letzte Quäntchen Selbstvertrauen zum Sprung auf das Podest. Aber sie sind alle knapp dran.

STANDARD: In der nordischen Kombination hat zuletzt Johannes Lamparter eine Siegesserie hingelegt. Kann das bei der WM so weitergehen, auch wenn der Norweger Magnus Jarl Riiber zurückkehrt, der zuletzt im Weltcup pausierende Dominator?

Stecher: Für mich ist es enorm bemerkenswert, wie sich Lamparter über Weihnachten aus einem kleinen Tief herausgezogen hat. Da gehört viel dazu, eine breite Basis, die Familie, seine Bodenständigkeit. Er hat sich im Feld einen enormen Respekt erarbeitet, auch bei Riiber, der sicher stark zurückkommen wird. Auch wie sich ein Stefan Rettenegger oder ein Franz-Josef Rehrl im Weltcup präsentiert haben, konnte sich schon sehen lassen. Da sind wir gut aufgestellt. Allerdings funktioniert in der Mannschaft viel mehr über den Langlauf. Da sind Medaillen für uns nicht selbstverständlich.

Für Stecher ist es "bemerkenswert", wie sich Lamparter aus seinem Tief gezogen hat.
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STANDARD: Die Kombination, Ihre eigene Disziplin, hat generell einen schweren Stand. Johan Eliasch, der Präsident des internationalen Skiverbandes Fis, hat in einem Interview im STANDARD gesagt, dass das Format attraktiver und TV-freundlicher werden muss. Und es gibt offenbar die Überlegung, die Kombination olympisch zu beschneiden. Die Kombiniererinnen haben 2026 bei den Spielen in Cortina kein Leiberl. Was kann da unternommen werden?

Stecher: Die Kombination braucht zunächst eine starke Lobby innerhalb der Fis. Und dann muss auch die Fis innerhalb des IOC entsprechend auftreten. Sie stellt immerhin 57 oder 58 von den 115 Bewerben bei den Winterspielen 2026. Es ist unbestritten, dass die Sportart hochinteressant ist. Der Fehler der Kombination ist, dass sie ihre Attraktivität nicht selbst betont. Man muss herausstreichen, dass Kombinierer im Langlauf und Skisprung alles können, wenn andere sagen, dass sie nichts wirklich gescheit können. Man hat in der Kombination aber an den Formaten gedreht, wollte nicht so viele verschiedene Bewerbe. Jetzt haben wir tagein, tagaus den gleichen Bewerb. Damit hat man sich nichts Gutes getan.

STANDARD: Ein Vorwurf ist, dass immer der Gleiche, immer die Gleiche gewinnt. Das galt lange für Riiber und gilt für dessen Landsfrau Gyda Westvold Hansen. Können Sie diesen Kritikpunkt nachvollziehen?

Stecher: Gut, es gibt oder gab Riiber, aber es gibt auch Johannes Thingnes Bö im Biathlon. Da regt sich keiner auf. Wenn man von den Kombinierinnen spricht, sollte man an die Skispringerinnen denken. Schauen wir 13, 14 Jahre zurück, wie die zum Beispiel bei ihrer ersten WM-Teilnahme 2009 in Liberec noch belächelt wurden. Und wie sich das entwickelt hat! Was wir da für spannende und hochklassige Springen heute haben! Klar war es nicht so günstig, dass bei der WM-Premiere in Oberstdorf drei Norwegerinnen vorne waren. Der Sport braucht für seine Entwicklung aber unbedingt eine olympische Perspektive.

STANDARD: Wie schaut die Perspektive für Planica aus? Wie viele Medaillen gewinnt Österreich?

Stecher: Ich nenne ganz selten einmal Zahlen. Wir fahren mit zwei Gesamtführenden im Weltcup nach Planica, mit Lamparter und Pinkelnig, daher kann man durchaus positiv in diese WM gehen. Ob es jetzt fünf, sieben oder acht Medaillen werden sollen, kann und möchte ich aber nicht sagen. (INTERVIEW: Sigi Lützow, 20.2.2023)