Der ORF auf dem Küniglberg in Wien.
Foto: APA, Eva Manhart

Der geplante ORF-Beitrag von allen Haushalten sowie Firmen ab 2024 regt auf: Mehr als 5.000 kritische Stellungnahmen zum ORF-Gesetz mit der neuen Finanzierung langten laut Parlamentsseite bis zum Ende der Begutachtungsfrist am Donnerstag ein, großteils von Privatpersonen. Und die äußerten sich praktisch durchgängig ablehnend zur Haushaltsabgabe. Ein Überblick über die Kritikpunkte am geplanten ORF-Gesetz von ÖVP und Grünen – mit Links zu ausführlicheren Berichten.

Kritik am ORF-Gesetz im Überblick

Der ORF-Beitrag steht im Zentrum der Kritik von Privatpersonen in der Begutachtung. Bisher müssen Haushalte, die weder TV noch Radiogerät haben und alleine streamen, keine GIS-Gebühr zahlen. Der Verfassungsgerichtshof entschied: Die Ausnahme ist verfassungswidrig. Also sollen ab 2024 alle Haushalte und Firmen unabhängig vom Empfang "ORF-Beitrag" zahlen. Einkommensschwache Haushalte werden wie bisher befreit. Auch Institutionen haben Einwände gegen die geplanten Regelungen. 

  • Datenschutzbedenken. Der Datenschutzrat der Republik vermisst nötige rechtliche Grundlagen für die Einhebung und das Management des ORF-Beitrags durch die GIS-Nachfolgefirma ORF Beitrags Service GmbH. Da geht es etwa um Zugriff der ORF-Tochterfirma auf Einkommensdaten von Haushaltsmitgliedern für Befreiungen vom Beitrag und auf das Melderegister. Mehr hier.
  • Soziale Staffelung. Die Arbeiterkammer verlangt eine soziale Staffelung mit einem reduzierten Beitrag.
  • Die Industriellenvereinigung findet bis zu 99 ORF-Beiträge pro Monat für Firmen zu viel. 100.000 Unternehmen mehr als bisher sollen Beiträge zahlen.
  • Das Verteidigungsministerium reklamiert Grundwehrdiener und Zivildiener mit eigenem Hauptwohnsitz in die Liste der Befreiten.
  • Die Bundesjugendvertretung will Befreiungen für junge Menschen.
  • Wien will die Höhe seiner Landesabgabe auf den ORF-Beitrag "anpassen"; die Stadt erwartet durch den von 18,59 auf 15,30 Euro sinkenden ORF-Anteil, an dem sich die Abgabe bemisst, Mindereinnahmen von sechs bis 6,5 Millionen Euro pro Jahr.
  • Die Wirtschaftskammer kritisiert (weiterhin) Landesabgaben (voraussichtlich noch in Wien, dem Burgenland, der Steiermark, Kärnten, Salzburg, Tirol) auf den ORF-Beitrag. Und weil 100.000 Firmen mehr Beitrag zahlen, erwartet sie für Unternehmen "eine größere Rolle in den Programmen und der Berichterstattung des ORF" und "entsprechende Darstellung ihrer Bedeutung für das Land".

Öffentlicher Auftrag für den ORF. Einige Stellungnahmen vermissen eine grundlegende Klärung des öffentlich-rechtlichen Auftrags des ORF, wenn man schon seine Finanzierung grundlegend neu aufstellt.

  • Der Rechnungshof moniert, es wäre "die grundsätzliche Frage nach den wesentlichen Inhalten und Formaten eines öffentlich-rechtlichen 'Programmauftrags' klarzustellen. Dies inkludiert auch Kosten/Nutzen-Überlegungen insbesondere vor dem Hintergrund von Zielgruppenanalysen." Es brauche parallel auch ein "ausgewogenes, gesamthaftes System der Medienförderung auf Grundlage von nachvollziehbaren Qualitätsstandards, das die Medienvielfalt für den privaten Bereich sicherstellt." Mehr hier.
  • Der Wirtschaftskammer Österreich fehlt eine "breite inhaltliche Auseinandersetzung mit dem aus ORF-Beiträgen finanzierten öffentlich-rechtlichen Auftrag" und der "nötige Nachdruck" in der "Diskussion über eine mögliche Beschränkung der Zahl der herkömmlichen linearen Rundfunkprogramme".
  • Der Zeitungsverband verlangt eine "Evaluierung" und eine Reduktion auf öffentlich-rechtliche Angebote.

Wettbewerb mit privaten Medien. Private Medien warnen, die erweiterte ORF-Abgabe und gesicherte Finanzierung ermöglichten dem ORF, seine schon marktbeherrschende Stellung als weitaus größter Medienkonzern noch auszubauen – und sie zu missbrauchen. 

  • Der Zeitungsverband VÖZ sieht Widersprüche zum EU-Recht für Beihilfen und Wettbewerb. Der ORF verletze mit dem zeitungsähnlichen Onlineangebot ORF.at schon jetzt die EU-Vorgaben für öffentliche Finanzierung. Er verlangt eine Beschränkung des ORF auf öffentlich-rechtliche Angebote, online nur noch Audio- oder Videobeiträge mit enger Textbeschränkung, strengere Werbebeschränkungen und Entpolitisierung der ORF-Gremien. Geplante Online-Spartenkanäle etwa für Kinder lehnt der VÖZ ab. Mehr hier
  • Der Privatsenderverband VÖP verlangt etwa Werbebeschränkungen auch im TV. Die geplanten Werberegeln in Radio und Online hätten praktisch keine Auswirkung auf die Werbeeinnahmen des ORF, errechnete einer der erfahrensten Medienexperten des Landes. Mehr hier.
  • DER STANDARD hat eine eigene Stellungnahme eingebracht. Er verlangt, das ORF-Gesetz umgehend zu stoppen, um "groben Schaden" für die Medienlandschaft zu verhindern. Es brauche eine "ganzheitliche Reform der Medienfinanzierung" mit Qualitätsstandards. Mehr hier.
  • Der Verband der Regionalmedien verlangt etwa ein Onlinewerbeverbot für den ORF und eine Beteiligung an den Einnahmen aus dem ORF-Beitrag.
  • Die Wirtschaftskammer fordert Werbebeschränkungen etwa im TV-Hauptabend.

Beschränkungen für ORF.at. Private Medienunternehmen, vor allem mit verlegerischem Hintergrund, verlangen engere Beschränkungen für das Angebot auf ORF.at. Ihnen geht der Entwurf zu wenig weit. Er sieht derzeit maximal 350 Textmeldungen auf ORF.at pro Woche vor, ein Verhältnis Audio-/Videobeiträge zu Textbeiträgen von 70 zu 30 und maximal 80 Sendungen mit maximal 20 Minuten pro Woche für online produziert vor. Der ORF schreibt in seiner Stellungnahme von "strengen, aber zeitgemäß aktualisierten Vorschriften". Andere Institutionen lehnen die geplanten Onlinebeschränkungen ab, etwa:

  • Arbeiterkammer
  • ÖGB
  • Verbände von Menschen mit Behinderung fordern insbesondere, dass barrierefreie Angebote nicht unter die Beitragslimits fallen sollen.
  • Kulturrat Österreich
  • Redaktionsrat des ORF

Entpolitisierung. Eine Vielzahl von Institutionen bemängelt, dass der Gesetzesentwurf nichts an der bisherigen Beschickung der ORF-Gremien ändern will. Der Großteil der Mandate in Stiftungsrat und Publikumsrat wird von staatlichen oder staatsnahen Institutionen wie Bundesregierung, Bundeskanzleramt/Medienministerium und Bundesländern beschickt. Die Beschickung der ORF-Gremien wird gerade vom Verfassungsgerichtshof – nach einem Prüfantrag des Burgenlands – auf seine Vereinbarkeit mit Unabhängigkeitsgeboten in Verfassungsrang geprüft, mit einer Entscheidung wird vor dem Sommer gerechnet. Eine Entpolitisierung der ORF-Gremien und meist auch die Abschaffung des Anhörungsrechts der Landeshauptleute vor der Bestellung von ORF-Landesdirektorinnen und -Landesdirektoren fordern in Stellungnahmen etwa:

  • Redaktionsrat des ORF
  • Zeitungsverband VÖZ
  • Universitätenkonferenz Uniko
  • ÖGB
  • Das Amt der burgenländischen Landesregierung bedauert, "dass die Chance nicht genutzt wurde, mit dieser umfassenden Novelle für den ORF zugleich Strukturen einzuführen, die die politische Unabhängigkeit des Unternehmens stärken und die eine parteipolitische Einflussnahme auf den ORF dauerhaft ausschließen".
  • IG Autorinnen Autoren

Transparenz hinsichtlich der ORF-Gehälter und Nebenbeschäftigungen, Zulagen für ORF-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit älteren Verträgen sollen gestrichen werden.

  • Die Datenschutzbehörde findet fraglich,"ob die vorgesehene Veröffentlichungspflicht unter Verweis zulässig ist" oder warum man hier von bisheriger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs abweichen könne.
  • ÖGB und AK lehnen diese Eingriffe ab. 

Österreichische Produktionen. Eine Reihe von Verbänden aus der Produktionsbranche fordern verbindliche Vorgaben, insbesondere sollten 20 Prozent der öffentlichen Mittel für den ORF für österreichische Produktionen reserviert werden. Das verlangen etwa:

(fid, 26.5.2023)