Ausstellung Jüdisches Museum Frieden
So sehen Friedensordnungen nicht erst seit 1945 aus: Komar/Melamids "Between War and Peace" (1995) mit Churchill, Roosevelt und Stalin (u. v. li.).
mumok

Wer Frieden mit allen anderen halten will, muss zunächst nach seinem inneren Frieden suchen. Konzipiert wurde die neue Ausstellung Frieden des Jüdischen Museums Wien noch unter dem Eindruck des Ukrainekrieges. Der Nahostkrieg im Gefolge des Hamas-Massakers vom 7. Oktober hat der kleinen, hochkonzentrierten Schau am Wiener Judenplatz jetzt umso mehr Aktualität und Kraft verliehen: die einer flehentlichen Beschwörung.

Als Wechselausstellung ergänzt Frieden/Peace die Erzählung über Wiens mittelalterliche Judengemeinde. Zerstört und aufgelöst wurde Letztere 1420/21. Es sind Verweise auf älteste Überlieferung, die dem Ringen um Frieden das gehörige Gewicht verleihen. Die von Adina Seeger und Tom Juncker kuratierte Ausstellung kreist ihren Gegenstand assoziativ ein: mithilfe lauter kleiner Fingerzeige, unter Inkaufnahme von (scheinbaren) Abschweifungen.

Mag die Harmonie eines die ganze Welt umfassenden "Endfriedens" an das Erscheinen des Messias geknüpft sein: Das hebräische "Shalom" (Friede) ist zentral für das jüdische Denken. Zweige und blühende Triebe, vom israelischen Künstler Larry Abramson in acht Radierungen zueinander in Beziehung gesetzt, ergeben das fragile Schriftbild von "Shalom Shalom". Älteste Rabbiner-Weisheit liegt der Einsicht zugrunde, dass echter Friede nur im Zusammenspiel von Gerechtigkeit und Wahrheit ersprießen mag.

In gerade einmal drei Räumen findet sich Platz für eine Unmenge von Friedensentwürfen. Der Ableger eines Kakibaums aus Nagasaki im Foyer führt die Tradition fort, dem Atombombenabwurf vom 9. August 1945 ein Hoffnungssignal entgegenzusetzen, notabene eines, das Sauerstoff produziert. Man betrachtet zwei Schabbat-Leuchter von 1820 – und konstatiert traurig, dass jüdisches Leben auch in unseren Breiten wieder einer Vielzahl von Anfeindungen ausgesetzt ist.

Sparsam gesetzte Zeichen

Sparsam gesetzt sind die künstlerischen Zeichen. Vitaly Komars und Alexander Melamids monumentaler Ölschinken Between War and Peace (1995) deutet das ikonische Jalta-Bild der drei alliierten Staatschefs Churchill, Roosevelt und Stalin um in ein Zeugnis des Heilsgeschehens. Christus höchstpersönlich schirmt die Troika. Die Büsten Washingtons und Lenins verleihen den Weltenlenkern viel Kraft und Gipsstaub von oben. Ob man so wohlweislich dem "Frieden" huldigt? Tatsächlich bemühte sich die "Soz-Art" à la Komar/Melamid in den 1990er-Jahren um die Wiedergewinnung "magischer" Bildinhalte – mit Blick auf die belanglos gewordene Verbindlichkeit des Sozialistischen Realismus.

Weg von solchen Nebengleisen führt eine Motivverdoppelung der ukrainisch-israelischen Künstlerin Zoya Cherkassky-Nnadi. Ihre Aquarelle, die einst die trügerische Idylle der Sowjetkindheit wachriefen, weichen Darstellungen des Ukrainekrieges. Das ehedem glückliche sozialistische Kind im Turnhemdchen hält, zum Twen erblüht, die Mutter panisch umklammert. Putins klobige Panzer schießen derweil die alte Pracht-Chaussee in Schutt und Asche. Auch so lässt sich das Vermächtnis der Sowjetunion retrospektiv als Friedensprojekt deuten.

Vielzahl von Arbeit

Die dokumentarischen Zeugnisse jüdischer Friedensarbeit umfassen eine Vielzahl von Materialien. Man wird auf Esperanto verwiesen – und erinnert sich beklommen der israelischen Fraueninitiative Women Wage Peace. Jüdinnen, Musliminnen, Christinnen schienen nach 2014 zum Friedensbündnis vereint. Jetzt befindet sich Aktivistin Vivian Silver mutmaßlich als Geisel in der Hand der Hamas-Schergen.

Man wird die Hoffnung nicht sinken lassen wollen; auch dann nicht, wenn man nicht, wie empfohlen, einen Kranich aus Papier falten möchte. Friedensforscher Werner Wintersteiner hat wichtige Akzente in dieser bedenkenswerten Schau gesetzt. Und wer nicht absehen kann von Zuversicht spendenden Zeichen, wird Friedensreich Hundertwassers Friedensfahne für das Gelobte Land (1978) bewundern. Auf ihr prangt der blaue Davidstern über dem grünen Halbmond. Ein Bild trauter Zweisamkeit. Bruno Kreisky pflegte dieses originelle Stück Textil an arabische Staatenlenker zu verschicken. (Ronald Pohl, 7.11.2023)