Mittwoch, 01. Mai 2024

Chemikalien
Verbotener Weichmacher in Kinder-Urin entdeckt

Ein seit Jahren verbotener Weichmacher, der die Fruchtbarkeit schädigen soll, findet sich in zahlreichen Urinproben von Kleinkindern in Nordrhein-Westfalen. Die Ursache dafür ist den Fachleuten ein Rätsel. Betroffen sind aber wohl nicht nur Kinder, sondern alle Altersgruppen.

03.02.2024
    Tiefgefrorene Urinproben liegen in einem Labor des Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) Nordrhein-Westfalen in einem Kühlschrank.
    In den Proben von zahlreichen Kleinkindern aus Nordrhein-Westfalen konnte der Weichmacher Di-n-hexyl-Phthalat (DnHexP), der die Fruchtbarkeit schädigen soll, nachgewiesen werden. (Bernd Thissen / dpa / Bernd Thissen)
    Wie das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) mitteilte, geht es um den Weichmacher Di-n-hexyl-Phthalat (DnHexP). Dieser soll die Fruchtbarkeit schädigen. Im Urin ist der Stoff als sogenannter Metabolit MnHexP nachweisbar.
    Verglichen worden seien aufbewahrte Urinproben von jeweils rund 250 Kindergarten-Kindern aus ganz NRW aus den Jahren 2017/18 und 2020/21. In dem Zeitraum habe sich der Anteil der Proben, die mit dem Weichmacher belastet seien, von 26 Prozent (2017/18) auf 61 Prozent (2020/21) erhöht. Die Konzentration bei hochbelasteten Kindern habe sich in etwa verzehnfacht, heißt es in der Mitteilung.

    Keine Häufung in bestimmten Regionen

    Die Ursache dafür sei völlig unklar. Die Ergebnisse hingen nicht mit den Wohnorten der Kinder zusammen, sagte eine LANUV-Sprecherin. Deutlich erhöhte Werte gebe es in ganz NRW. Vermutlich gelte das nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene - und möglicherweise auch für ganz Deutschland. Für Erwachsene lägen in Nordrhein-Westfalen allerdings keine Reihen-Urintests auf Schadstoffbelastungen vor. Man habe daher auch mit Bundesbehörden Kontakt aufgenommen.
    Bei NRW-Kleinkindern untersucht das LANUV seit 2011 regelmäßig im Drei-Jahres-Rhythmus die Schadstoffbelastung durch Kontakt unter anderem mit Weichmachern etwa in Spielzeug und Kosmetika, durch Konservierungsstoffe und Pestizide. Die Analysen nimmt das Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Gesetzlichen Unfallversicherung an der Universität Bochum vor.
    Bisher seien die Proben dabei routinemäßig nicht auf MnHexP getestet worden, weil der Weichmacher wegen seiner gesundheitsschädlichen Eigenschaften schon seit vielen Jahren stark eingeschränkt beziehungsweise verboten sei und nur noch in sehr geringen Mengen produziert werde, so die Behörde.

    Anstoß durch journalistische Recherchen

    Anlass für die Untersuchung von Ende 2023 seien Recherchen einer Journalistin gewesen, die bei Untersuchungen erhöhte MnHexP-Belastungen in Einzelfällen festgestellt habe. Die Frau habe sich mit ihren Beobachtungen an das LANUV gewandt. Daraufhin seien die aufbewahrten Urinproben von 2017/18 und 2020/21 erneut und nun auf diesen Stoff analysiert worden.
    Weichmacher sind Stoffe, die spröden Materialien zugesetzt werden, um sie biegsam oder dehnbar zu machen. Sie finden sich laut einer Mitteilung des NRW-Umweltministeriums zum Beispiel in Kunststoffen, Anstrich- und Beschichtungsmitteln, Gummi-Artikeln oder Klebstoffen. Bestimmte Weichmacher wirken störend auf das Hormonsystem des Körpers und können zum Beispiel die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen.