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Vor 25 Jahren
Brand der Kapellbrücke in Luzern

Schon im 14. Jahrundert besaß das kleine schweizerische Luzern vier Brücken, was in Europa einzigartig war. Die hölzerne Kapellbrücke ist heute die Touristenattraktion und das Wahrzeichen der Stadt. Vor 25 Jahren wurde sie von einem verheerenden Brand weitgehend zerstört.

Von Regina Kusch | 17.08.2018
    Blick auf die lichterloh brennende Brücke. Die 1333 erbaute älteste Holzbrücke Europas, die Kapellbrücke von Luzern, ist in der Nacht vom 17. zum 18. August 1993 durch einen Brand weitgehend zerstört worden
    Die Kapellbrücke in Luzern wird durch ein Feuer zerstört (picture-alliance / dpa)
    Schon im späten Mittelalter war die Luzerner Altstadt durch vier Brücken mit der Neustadt verbunden. Dass ein kleiner Ort über vier Flussübergänge verfügte, war damals in Europa einzigartig, und bereits im 18. Jahrhundert florierte dort der Fremdenverkehr. 1784 schwärmte die Schriftstellerin Marie Sophie von La Roche in ihrem Reisetagebuch besonders von der Spreuer- und der Kapellbrücke:
    "Diese Brücken verbinden die durch die Reuß getheilte Stadt und dienen hier, wie an anderen Orten mit Bäumen bepflanzte Alléen, zum Spazierengehen, mit dem doppelten Vortheil, daß, da sie gedeckt sind, und nur den Fußgängern dienen, man auch bey Regenwetter sich Bewegung machen und Luft genießen kann; bey heiterer Witterung aber, eine weite Aussicht auf den See, auf die Gegend umher und in die Stadt haben kann."
    Wahrzeichen der Kleinstadt am Vierwaldstädter See
    Benannt nach der benachbarten St.-Peters-Kapelle, wurde die gut 200 Meter lange hölzerne, mit opulenten Blumenkästen geschmückte Kapellbrücke, zum Wahrzeichen der malerischen Kleinstadt am Vierwaldstädter See. Sie war bereits 1365 als Teil der Stadtbefestigung, mit einem steinernen Wehrturm in der Mitte, errichtet worden. Im Auftrag des Rats der Stadt fertigte der katholische Renaissance-Maler Hans Heinrich Wägmann Anfang des 17. Jahrhunderts einen Gemäldezyklus an, der aus gut 150 dreieckigen Bildtafeln bestand. Die wurden von reichen Patriziern bezahlt und im holzschindelgedeckten Giebeldach der Brücke aufgehängt. So wollten sich die katholischen Eidgenossen der Treue und Frömmigkeit ihrer Bürger versichern, erklärt der Architekturhistoriker Christian Freigang von der Freien Universität Berlin.
    "Wir sind ja in der Zeit der Glaubenskämpfe, als diese Bilder angefertigt wurden, im frühen 17. Jahrhundert. Luzern, das ist ein katholischer Kanton. Und diese Bilder handelten von der Geschichte Luzerns und vor allem der katholischen Schweiz, und es ging um die beiden Stadtheiligen Leodegar und Mauritius, die kleinteilig in ihren Biografien dargestellt wurden."
    Bei Hochwasser 1741 war bereits ein Teil zerstört
    Bei einem Hochwasser 1741 war bereits ein Teil zerstört und übermalt worden. 111 Bildtafeln hingen noch im Dachstuhl der Kapellbrücke, als in der Nacht vom 17. auf den 18. August 1993 ein verheerendes Feuer ausbrach. Das Schweizer Fernsehen berichtete:
    "Rasend schnell verbreiteten sich die Flammen. Eine Feuerwalze von drei Metern Durchmesser ging über die Brücke. Unter dem Giebeldach ist nach Aussagen der Feuerwehr zunächst ein Hitzestau entstanden, der dann explosionsartig in Flammen aufgegangen ist. 150 Feuerwehrleute standen hier letzte Nacht im Einsatz. Eine Rettung war nur noch für den Wasserturm möglich, nicht aber für die rund 700-jährige Kapellbrücke."
    Die steinernen Brückenköpfe waren stehengeblieben und die Reste von 47 Bildtafeln konnten geborgen werden. Ausgelöst wurde das Feuer vermutlich von einer brennenden Zigarette, die jemand in ein unter der Brücke liegendes Boot geworfen hatte. Eine Diskussion entbrannte, ob man die Brücke reparieren, als Ruine stehen lassen oder eine neue aus Plexiglas bauen sollte.
    "Klassische Reparatur" für drei Millionen Franken
    Die Befürworter eines Wiederaufbaus setzten sich schließlich durch, und nach acht Monaten war das Markenzeichen Luzerns für gut drei Millionen Franken wieder hergestellt.
    "Auch wenn ich sehr kritisch gegenüber Rekonstruktionen bin, bei den Holzbauten ist es so, dass sie ständig der Pflege bedürfen. Das Holz vermodert, es gab auch andere Beschädigungen schon vorher. Das heißt, wir haben es hier nicht mit einem original erhaltenen Werk zu tun aus dem 14. Jahrhundert, sondern es handelt sich um einen ganz typischen Vorgang, dass solche Holzbauten immer wieder erneuert werden. Und es handelt sich in diesem Fall nicht um eine sehr späte Rekonstruktion, wie es gerade beim Berliner Schloss vonstattengeht, sondern es handelt sich wirklich um eine klassische Reparatur."
    Bewusst verzichtete man darauf, die Kapellbrücke dunkel einzufärben, damit sie wieder wie vor dem Brand aussah. Zur Wiedereröffnung im April 1994 hüllte ein feuerspeiender Drache das Denkmal aus hellem Tannenholz zu kosmischer Musik in Rauchwolken, der Ur-Knall wurde inszeniert, Alphörner und Jodler erschallten und ein Airbus der Swiss-Air zog im Tiefflug über Tausende Schaulustige, die gekommen waren, um die Rettung ihrer wichtigsten Sehenswürdigkeit zu feiern.