Manipulation von Menschen

Die Motive der Angstmacher erkennen

04:28 Minuten
Eine dunkle Maske lauert hinter einem Türfenster.
Menschen sollten sich fragen, welches Interesse jemand daran hat, andere zu verängstigen, meint Gerald Hüther. © imago / fStopImages / Michael Mann
Ein Kommentar von Gerald Hüther · 28.08.2020
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Menschen kann man schnell verunsichern und Angstmacher nutzen diese Gefühle für ihre Zwecke. Neurowissenschaftlicher Gerald Hüther plädiert dafür, stets neu zu prüfen, ob unsere Ängste berechtigt sind oder ob sie instrumentalisiert werden.
Jeder Mensch, dem gesagt wird, dass etwas Bedrohliches auf ihn zukomme, versucht, zunächst nachzuprüfen, ob diese Warnung gerechtfertigt ist. Wenn das zu schwierig ist oder zu lange dauert, hängt seine Reaktion davon ab, ob er dem Überbringer dieser Botschaft vertraut. Deshalb versuchen alle Angstmacher, einen möglichst vertrauenswürdigen Eindruck zu erwecken.
Wer die angekündigte Bedrohung ernst nimmt, beginnt blitzschnell abzuwägen, ob er imstande ist, diese Gefahr auch abzuwenden. Angstmacher wissen das, deshalb bauschen sie die von ihnen angekündigte Bedrohung so sehr auf, bis ihr "Opfer" nicht die geringste Chance mehr sieht, ihr aus eigener Kraft zu entkommen.


Dann steckt es in der Falle und ist bereit, die Vorschläge, Angebote und Maßnahmen des vermeintlichen Retters aus der Not willfährig anzunehmen und widerspruchslos zu befolgen.

Strategie von Angstmachern

Deshalb ist es eine sehr beliebte Strategie von Angstmachern, ihren späteren "Opfern" schon im Vorfeld alle Probleme abzunehmen und scheinbare Schwierigkeiten beiseite zu räumen, sodass diese möglichst wenig Gelegenheit finden, sich selbst die für die Bewältigung schwieriger Situationen erforderlichen Kompetenzen anzueignen.
Gern sind solche verängstigen Menschen dann bereit, die von ihren "Rettern" vorgeschlagenen Gegenmaßnahmen zu befolgen – und sich auch die dazu empfohlenen Vorrichtungen und Hilfsmittel in Form von Überwachungskameras, Schutzmasken etc. zu besorgen.
Wenn die eigenen Kompetenzen nicht ausreichen, um eine Gefahr abzuwenden, dann ist es eine große Hilfe, wenn man auf die Unterstützung von Verwandten und Bekannten, von Freunden und anderen Personen zurückgreifen kann, um eine bedrohliche Situation gemeinsam zu meistern.

Angstmacher säen Misstrauen und Zwietracht

Wie wichtig diese Ressource der konstruktiven Angstbewältigung für Menschen ist, wissen auch die Angstmacher. Deshalb versuchen sie, das Band zu lockern, womöglich sogar zu durchtrennen, das ihre Opfer mit Personen verbindet, die es unterstützen. Am leichtesten geht das, indem sie Misstrauen und Zwietracht säen, indem sie ihnen einreden, jeder sei "seines Glücks eigener Schmied" und die Selbstsucht, der Neid und die Gier seien genetisch in allen Menschen angelegt.
Wer fest davon überzeugt ist, dass er sich deshalb allein durchschlagen muss und niemandem vertrauen darf, wird auch alles tun, um sein eigenes Leben zu retten. Wie das am besten geht, sagt ihm der Angstmacher dann nur allzu gern.
Die perfideste Strategie, anderen Menschen Angst einzujagen und sie dazu zu bringen, alles zu tun, was ihnen gesagt und von ihnen verlangt wird, beherrschen nur ganz besonders durchtriebene Angstmacher. Sie zielt insbesondere auf all jene Menschen ab, die sich durch all die bisher beschriebenen Strategien nicht so leicht gefügig machen lassen.

Welche Interessen haben Angstmacher?

Das sind meist sehr verantwortungsbewusste Personen, die sich gern um andere Menschen kümmern und bereit sind, alles Mögliche dafür zu tun, damit diese ihnen nahestehenden Personen keinen Schaden erleiden, keine Schmerzen ertragen oder gar sterben müssen. Sie lassen sich gefügig machen, indem die Angstmacher ihnen zu verstehen geben: Jeder, der sich den Anordnungen widersetzt, bringe seine Liebsten in Lebensgefahr.
Ob eine Angst erzeugende Prophezeiung zutreffend ist, lässt sich erst dann objektiv überprüfen, wenn sie auch wirklich eingetreten ist. Was jeder Mensch aber herauszufinden lernen sollte, ist das Motiv, das den Überbringer einer solchen Botschaft leitet. Die entscheidende Frage an sie oder ihn lautet deshalb: Weshalb verbreitest Du diese beängstigende Vorstellung? Welches Interesse hast Du daran, dass Menschen dadurch verängstigt werden?

Gerald Hüther ist Neurobiologe und einer der bekanntesten Hirnforscher Deutschlands. Von 2006 – 2016 lehrte er als Professor an der Universität Göttingen. 2015 gründete er die "Akademie für Potentialentfaltung", die er als Vorstand leitet. Hüther ist Autor zahlreicher populärwissenschaftlicher Bücher. Am 7. September 2020 erscheint sein neues Buch "Wege aus der Angst. Über die Kunst, die Unvorhersagbarkeit des Lebens anzunehmen" im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht.

Porträt des Neurowissenschaftlers Gerald Hüther.
© gerald-huether.de / Michael Liebert
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