Den ganzen Tag arbeiten, sozialversicherungspflichtig, fünf oder sechs Tage in der Woche - und dann trotzdem Unterstützung beim Jobcenter beantragen müssen, weil das Einkommen nicht zum Leben reicht: Das ist für viele Menschen bittere Realität. Damit sich das ändert, muss der Mindestlohn deutlich steigen - vor allem aber muss die Tarifbindung wieder deutlich erhöht werden, damit wieder mehr Menschen von Tarifverträgen profitieren.
DGB
Es ist längst überfällig, den Niedriglohnsektor weiter einzudämmen und ihn perspektivisch ganz abzuschaffen, indem durch die Anhebung des Mindestlohns prekäre Beschäftigungsverhältnisse wie Teilzeit, Minijob oder Leiharbeit zurückgedrängt werden.
Gute Arbeit und faire Löhne sind die Grundvoraussetzungen für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und eine entsprechende Altersvorsorge. Und nur sie garantieren die Zukunft des Sozialstaates mit seinen Sicherungssystemen.
Deshalb ist es ein Skandal, wenn jemand trotz Vollzeitjob Unterstützung durch Hartz IV beantragen muss. Wer 40 Stunden in der Woche arbeitet, muss sich und seine Familie davon auch versorgen können. Das ist aber oft nicht der Fall.
Im April 2020 (aktuellere Zahlen liegen nicht vor) waren 962.000 Personen trotz Erwerbstätigkeit auf Hilfen vom Jobcenter angewiesen. 894.000 von ihnen haben in einem abhängigen Besschäftigungsverhältnis gearbeitet, 504.000 waren sozialversicherungspflichtig beschäftigt; 105.000 davon sogar in einem Vollzeitjob. Das sind zwar etwas weniger als im Vergleichsmonat des Vorjahres, was insbesondere auf die Anhebung des Mindestlohns zurückzuführen ist. Auch Verbesserungen beim Kindergeld und beim Kinderzuschlag sowie beim Wohngeld können sich hier auswirken. Dennoch sind es immer noch viel zu viele, die von ihrem Lohn nicht leben können.
335.000 Personen, die Hilfen aus Hartz IV beantragen müssen, waren in Teilzeit beschäftigt - oft nicht freiwillig. Viele würden gerne mehr arbeiten und damit auf aufstockende Leistungen verzichten, können den Wunsch aber nicht umsetzen, weil der Arbeitgeber die Arbeitskosten zu Lasten der Beschäftigten senken will.
Der größte Teil derer, die trotz Beschäftigung auf Hartz IV-Leistungen angewiesen sind, sind Minijobber*innen. So hatten 404.000 Leistungsempfänger nur einen Minijob. Diese Gruppe ist am stärksten dem Risiko des Niedriglohns ausgeliefert. Weil Minijobs nachweislich nur im Ausnahmefall eine Brücke in eine reguläre Beschäftigung darstellen und häufig keine soziale Absicherung bieten, fordert der DGB, Minijobs in sozialversicherte Beschäftigung zu überführen.