Die erkaltende Lust am Skifahren

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In den vergangenen 20 Jahren ist die Zahl der Skiverweigerer deutlich gestiegen. Die Skiindustrie sieht das anders. Was stimmt und was sind die Gründe für diesen Trend?

Wien. Im Westen Österreichs sind die Berge schon schneebedeckt, die Schneefallgrenzen sinken, und in den nächsten Tagen wird auch im Osten Schnee liegen. Zugleich beginnen die Winterevents (siehe Bild oben), und in einem Skigebiet nach dem anderen finden Ski-Openings, also die Eröffnung der Saison, statt. Doch kommen die Gäste? Denn zuletzt fanden heftige Diskussionen darüber statt, dass weniger Österreicher Ski fahren, unter anderem, weil es zu teuer geworden ist. Im Folgenden ein „Presse“-Faktencheck.

1 Verlieren die Österreicher tatsächlich zunehmend die Lust am Skifahren?

Ja. Es gibt mehrere Tourismusstudien, die belegen, dass die Zahl der skifahrenden Österreicher zurückgeht. „Es gibt wenige Entwicklungen, die so klar sind“, meint der Tourismusforscher Peter Zellmann zur „Presse“. „In den vergangenen 20 Jahren ist der Prozentsatz jener Österreicher, die keinerlei Skisport ausüben, ganz deutlich von 40 auf 60 Prozent gestiegen.“ Grundsätzlich ist Skifahren aber immer noch die am häufigsten betriebene Wintersportart. Alternative Sportarten wie Tourenski oder Langlaufen können das Skifahren (und Snowboarden) nur überbrücken und nicht ersetzen.

2 Was sind die Gründe dafür? Sind es tatsächlich die oft genannten Kosten?

Nein. Zwar wird dieses Argument oft genannt, aber es ist nur eines von mehreren. „Es ist falsch, dass die Liftkarten-Teuerung schuld daran ist, dass weniger Ski fahren. Die Teuerung wird überschätzt, der Hauptgrund sind die fehlenden Schulskikurse,“ meint Zellmann. Die politische Entscheidung in den Neunzigerjahren, die Schulskikurse abzubauen, sei völlig verantwortungslos gewesen. Denn damit würden immer weniger Kinder das Skifahren erlernen. Dazu kommt, dass viele dieser Kinder später als Eltern mangels eigener Erfahrungen die Begeisterung für den Skisport nicht weitergeben werden.

Egon Smeral vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) hebt andere Gründe für die sinkende Attraktivität des Skifahrens hervor: „Es gibt so viel Konkurrenz, es gibt hunderttausend andere Freizeitbeschäftigungen, aber die Freizeit ist für die meisten beschränkt.“ Wenn etwa jemand auch gern Golf spiele und ohnehin wenig Freizeit habe, werde dieser wahrscheinlich ab und zu statt der Skiwoche eine Golfwoche buchen.

3 Heißt das, dass Skiurlaube nicht teurer geworden sind? Alles übertrieben?

Jein. Natürlich ist Skifahren – das Hotel, die Liftkarten, der Hüttenbesuch – teurer geworden. Aber im Großen und Ganzen im Rahmen der allgemeinen Teuerung, meinen Wirtschaftsexperten. Aber da vieles im Alltag und bei den Freizeitbeschäftigungen teurer geworden ist, spart man eben dort, wo die Begeisterung schon etwas nachgelassen hat – beim Skiurlaub. Vor allem bei Familien.

Allerdings verweist Zellmann etwa darauf, dass im Skiland Österreich Winterurlaub immer schon „etwas Exklusives“ gewesen und meist von den oberen sozialen Schichten betrieben worden sei. Etwa 20 bis 25 Prozent würden tatsächlich regelmäßig Skiurlaube buchen und nicht nur tageweise fahren. Diese Klientel wird auch in Krisenzeiten den Skiurlaub buchen.

4 Was sagen der Tourismus und die Skiindustrie zu dieser Entwicklung?

Die Zahl der gesamtösterreichischen Nächtigungen ist in der vergangenen Wintersaison 2012/13 bei den Inländern zwar leicht zurückgegangen, aber die der Ausländer ist deutlich gestiegen, womit wieder ein gutes Plus herauskommt. Die Österreich-Werbung sieht jedenfalls optimistisch in die kommende Wintersaison. Die Österreicher haben bei den Winterurlauben immer noch 50 Prozent Marktanteil. Die oft genannten Russen machen da zwar eine wachsende, aber mit etwa zwei Prozent noch kleine Gruppe aus; das große Potenzial ist weiterhin Deutschland, wo derzeit eine Werbeaktion gezielt für Wiedereinsteiger läuft.

Auch die Seilbahnbetreiber sehen die Entwicklung weiter positiv. Wie der Obmann des Fachverbandes, Franz Hörl, vor Kurzem erklärte, habe es zuletzt ein deutliches Plus beim Umsatz und bei den Nutzern gegeben. Kritik übt er aber an den eingangs erwähnten negativen Umfragen und verweist auf eigene Zahlen der Seilbahnbetreiber: Demnach sei Skifahren weiter sehr attraktiv für die Österreicher.

5 Gibt es alternative Skiurlaube? Stimmt es, dass auch Polen-Urlaube boomen?

Boomen ist wohl das falsche Wort. Aber es gibt eine kleine Gruppe von Österreichern, vor allem aus dem Osten, die in günstige tschechische und vor allem polnische Wintersportorte fahren. Etwa nach Zakopane, das nur 400 Kilometer von Wien entfernt liegt. Wer auf üppige Skischaukeln verzichten kann und beim Nachtleben Abstriche macht, findet dort eine äußerst preisgünstige Variante. Billiger sind außerdem kleinere Skigebiete in Österreich. Aber auch die Nachfrage nach Ferienwohnungen, deren Kosten sich mehrere Familien aufteilen, steigt.

Auf den Trend, günstigere Angebote zu suchen, ist vor geraumer Zeit auch das Grazer Online-Unternehmen Skihappyhour.com aufgesprungen. Dort werden „Auslastungstäler“ (etwa im Jänner) genutzt und dem Kunden Ermäßigungen angeboten. Flexiblen Kunden, muss man sagen, denn Familien mit Schulkindern steht weiterhin nur die teure Feriensaison offen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2013)

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