Untergrundkampf: Kurden fordern Irans Regime heraus

Peshmerga der iranischen Kurden nahe der Stadt Koya, einem ihrer Rückzugsorte in der nordirakischen Kurdenregion.
Peshmerga der iranischen Kurden nahe der Stadt Koya, einem ihrer Rückzugsorte in der nordirakischen Kurdenregion.(c) APA/AFP/SAFIN HAMED
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Aus Ärger über mangelnde Zugeständnisse Teherans schickt die Demokratische Partei Kurdistans Iran wieder Peshmerga in die Dörfer. Das Regime rückt mit Artillerie an.

Die Gefechte toben schon seit mehreren Tagen. Irans Regime soll Hunderte Elitesoldaten der Revolutionsgarden in Marsch gesetzt haben, um die kurdischen Kämpfer zu schlagen. „Die Revolutionsgarden haben unsere Peshmerga eingekesselt und wollen sie vernichten. Das Regime setzt dabei auch Hubschrauber ein“, berichtet Hiwa Bahrami, Vertreter der oppositionellen Demokratischen Partei Kurdistans Iran (PDKI) der „Presse“. „Unsere Peshmerga wehren sich heftig. Dreizehn iranische Revolutionsgardisten sind bereits gefallen.“

Die Kämpfe finden in der Ortschaft Sawlawa nahe der Stadt Mariwan an der Grenze zum Irak statt. Sie reihen sich in eine ganze Serie bewaffneter Zusammenstöße zwischen kurdischen Aufständischen und dem iranischen Regime. Erst am Sonntag beschossen iranische Truppen mit Artillerie zwei Stunden lang die Teile des Qandil-Gebirges, in denen die Stellungen der PDKI-Peshmerga liegen. Laut PDKI wurden dabei mehrere kurdische Zivilisten verletzt.

Grafik: Petra Winkler

Nachdem der Konflikt in den vergangenen Jahren an Schärfe verloren hat, stehen die Zeichen in den iranischen Kurdengebieten nun offenbar wieder auf Kampf. „Wir haben 20 Jahre darauf gewartet, dass sich im Iran etwas zum Besseren verändert. Wir haben vor allem darauf gehofft, dass es unter dem iranischen Präsidenten, Hassan Rohani, eine Öffnung gibt. Doch es ist nichts passiert“, meint PDKI-Vertreter Bahrami enttäuscht. „Unsere Parteiführung hat deshalb beschlossen, dass unsere Peshmerga wieder in den kurdischen Dörfern im Iran präsent sein werden. Wir wollen nicht als Erste schießen, aber wenn wir dabei vom Regime angegriffen werden, werden wir uns verteidigen.“

Kurdenmorde in Wien

So wie die Kurden der Nachbarstaaten ringen auch die Kurden des Iran seit vielen Jahrzehnten um mehr Selbstbestimmung. 1946 konnten sie ein Jahr lang unter dem Schutz der Sowjetunion ein autonomes Gebiet, die sogenannte Republik von Marhabad, verwalten. Das kurdische Staatsgebilde wurde aber schließlich von iranischen Truppen wieder zerschlagen. Nach der Islamischen Revolution 1979 wollten Vertreter der Demokratischen Partei Kurdistans mit den neuen iranischen Machthabern eine Autonomie ausverhandeln. Die Gespräche schlugen aber fehl. Die Folge war ein blutiger Untergrundkrieg.

1988 startete das Regime Geheimgespräche mit den kurdischen Aufständischen. Doch die Verhandlungen waren eine Falle: Am 13. Juli 1989 erschoss ein iranisches Kommando während eines Treffens in einer Wohnung in Wien den PDKI-Präsidenten, Abdul Rahman Ghassemlou, und zwei seiner Begleiter. Aus Angst vor diplomatischen Problemen mit Teheran ließen Österreichs Behörden die Attentäter unbehelligt ausreisen.

Teheran hat seither immer wieder jeden Versuch eines Aufstands brutal unterdrückt. Zugleich kam es innerhalb der PDKI zu einer Spaltung. Zusätzlich sind in Irans Kurdengebieten auch noch andere Parteien wie die marxistische Komala und die mit der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verbündete PJAK im Untergrund aktiv.

Aufmarsch im Qandil-Gebirge

Zuletzt hatte es auch Schießereien zwischen der PDKI und der PKK gegeben. Die PKK, die einen Untergrundkrieg gegen den türkischen Staat führt, hat ihr Hauptquartier im Qandil-Gebirge im Osten der nordirakischen Kurdenregion. Dieses unwegsame Berggebiet ist aber auch das natürliche Aufmarschgebiet der PDKI, da es direkt an der Grenze zum Iran liegt. Mittlerweile hat die PDKI allerdings ein Stillhalteabkommen mit der PKK geschlossen. Die PKK erlaubt den Kämpfern der Demokratischen Partei Kurdistans Iran, in bestimmten Teilen von Qandil Stellungen zu errichten. Dabei kontrollieren die PDKI-Peshmerga das Grenzgebiet zwischen den Städten Oshnavijeh und Piranshahr.

Das Atomabkommen, das die internationale Gemeinschaft vor fast einem Jahr mit dem Iran abgeschlossen hat, hat die Enttäuschung der PDKI-Kader über mangelnde politische Zugeständnisse an die Kurden weiter verstärkt: „Das Problem dabei ist: Irans Regime wird nun vom Westen wieder akzeptiert. Aber für Irans Kurden wird nichts getan“, sagt PDKI-Vertreter Bahrami. All das habe dazu geführt, dass die PDKI-Peshmerga nun wieder aktiv geworden sind.

Seit Mitte des Monats ist es laut PDKI in fünf Städten und Ortschaften zu Zusammenstößen gekommen. Die ersten Kämpfe brachen am 16. Juni in einem Dorf 14 Kilometer von Oshnavijeh entfernt aus. Dort hatten Peshmerga auf ihrem Marsch Rast gemacht. Dann griffen die Revolutionsgarden das Dorf an.

Die Spannungen tragen das Potenzial für einen neuen Aufstand in sich. „Wir wollen nicht als Erste zu den Waffen greifen“, sagt Bahrami. „Aber wir verlangen, dass sich das Regime endlich mit uns an den Verhandlungstisch setzt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2016)

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