Experte kritisiert Papstaussagen zu möglichem Amtsverzicht

"Das wird Leute nervös machen"

Für den Fall der Amtsunfähigkeit hat Papst Franziskus bereits 2013 Regeln für den Rücktritt festgelegt. Das wurde am Wochenende bekannt. Ulrich Nersinger kritisiert nicht nur die Art der Kommunikation, sondern auch fehlende Klarheit.

Papst Franziskus / © Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus / © Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Der Papst hat in einem Interview einfließen lassen, dass er sich einen Rücktritt vorstellen könnte, wenn er die Amtsgeschäfte nicht mehr erledigen könnte. Kam das für Sie überraschend?

Vatikanexperte Ulrich Nersinger (EWTN)
Vatikanexperte Ulrich Nersinger / ( EWTN )

Ulrich Nersinger (Vatikanexperte): Die Nachricht selber hat mir Magenschmerzen bereitet. Nicht so sehr durch den Inhalt, sondern durch die Art der Kommunikation. Bei allem Respekt vor dem Heiligen Vater, so etwas teilt man nicht in einem Interview mit. Dafür gibt es den vatikanischen Pressesaal, Radio Vatikan oder den "Osservatore Romano". Das hat mich doch ein bisschen gestört, dass das in einem Interview, nach leider meiner Meinung nach viel zu vielen Interviews des Papstes kommuniziert wurde.

DOMRADIO.DE: Was für Eventualitäten könnte Papst Franziskus denn in seinem Fall gemeint haben? Geht es ihm schlechter als wir denken?

Nersinger: Das weiß ich nicht. Das ist auch sehr schwer einzuschätzen. Ich denke, es ist vor allem die Art und Weise, wie er es gesagt hat. Wir können ja gar nicht so richtig fassen, was er eigentlich damit meint. Welche Bedingungen gegeben sind. Wie er es machen möchte. Wie dann der Text aussieht. Das ist etwas, was uns noch gar nicht mitgeteilt wurde.

Dass es Rücktritte gab und auch Erklärungen, ist ein geschichtliches Faktum. Ich denke vor allen Dingen an Pius XII. in der Zeit der deutschen Besatzung. Da gab es die reale Gefahr, dass der Vatikan durch die deutschen Besatzer, also durch die Nazis, besetzt wurde. Dann hat Pius XII. eine Methode gewählt, einen Brief verfasst, in dem er geschrieben hat: Sobald die Deutschen den Vatikan besetzen, tritt er zurück, ist er nicht mehr Papst, ist er nur noch Eugenio Pacelli. Er wollte vermeiden, dass der Papst in die Hände der Nazis gerät. Das ist natürlich eine ganz andere Sache, als wir es jetzt haben.

Es gab auch unter Paul VI. schon die ersten Gerüchte, dass der Papst aus Gesundheitsgründen, wenn er nicht mehr das Amt ausfüllen kann, zurücktritt. Aber das waren eben nur Gerüchte, das können wir nicht so ganz festmachen.

Jetzt bei Franziskus haben wir den Fall, dass er sich nach dem Rücktritt von Benedikt XVI. auch selbst irgendwie zum Thema äußern möchte. Aber da wissen wir auch nicht, was das konkret bedeuten soll. Bei welcher Krankheit?

Im Grunde kann so ein Rücktritt eigentlich nur geschehen, wenn er nicht mehr bei Verstand ist, wenn die geistigen Kapazitäten nicht mehr vorhanden sind oder wenn er im Koma ist.

Ulrich Nersinger

"Er muss (einen Rücktritt) nur äußern. Aber wie macht man das dann, wenn man es nicht mehr kann?"

DOMRADIO.DE: Wie muss man sich den Ablauf konkret vorstellen? Setzt er da selber irgendwas auf? Bespricht er sich und wenn ja, mit wem?

Nersinger: Das ist eben das Problem. Ein Papst braucht für einen Rücktritt eigentlich niemanden, der diesen Rücktritt annimmt. Er muss ihn nur äußern. Aber wie macht man das dann, wenn man es nicht mehr kann? Das sind Schwierigkeiten, die sich generell ergeben, und die muss man irgendwie festlegen. Aber das muss man doch so kommunizieren, dass es verständlich wird, dass es auch abgesichert ist.

Damit wir eine Situation vermeiden, wie wir sie heute haben. Dass es Leute gibt, nicht viele, aber es gibt sie, die sagen der Rücktritt von Benedikt XVI. sei nicht rechtens, er sei nur vom Amt zurückgetreten oder vom Ausübung des Amtes.

Also, es muss ganz genau festgelegt werden, was da geschieht. Darüber können wir im Moment eigentlich nur spekulieren.

DOMRADIO.DE: Da könnte also auch viel Unruhe im Vatikan entstehen.

Nersinger: Ja, natürlich. Weil auch da die Frage ist, inwieweit der Papst dann nicht mehr fähig ist und wer das feststellt? Also ich denke, da rotieren mittlerweile schon die Kirchenrechtler und die Kurialen bereits bei einem solchen Thema.

Das ist gar nicht so einfach und das wird auf jeden Fall Aufregung schaffen. Das wird Leute nervös machen und das wird natürlich auch einer Reihe von Leuten die Möglichkeit geben, hier nicht im Sinne der Kirche zu agieren.

DOMRADIO.DE: Aber es gibt sicherlich offizielle Nachfolgen. Wenn der Papst eines Tages stirbt, dann muss ja auch jemand schnell übernehmen, bis ein neuer gewählt wird. Wer wäre denn derjenige, der dann einspringen könnte, wenn Franziskus amtsunfähig wäre?

Nersinger: Das ist eben auch die Frage: Wer macht das dann? Das müsste auch festgelegt werden. Aber wenn er nicht mehr in der Lage ist, das Papstamt auszuüben, müsste man einen neuen Papst wählen. Das ist die einfachste und klarste Methode, die man dann anwendet.

Wenn er merkt, dass er gesundheitlich nicht mehr kann, aber geistig noch dabei ist, kann er natürlich irgendeinen Kardinal oder Erzbischof bestimmen, der in seinem Auftrag die üblichen Agenden der römischen Kurie weiterführt.

Aber wenn er geistig nicht mehr in der Lage ist, das zu machen, dann müsste das festgestellt werden und dann müsste ein neuer Papst gewählt werden.

DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich denn jetzt als nächstes, damit wieder ein bisschen Ruhe einkehrt in den Vatikan?

Nersinger: Klarheit und vernünftige Argumentation. Nicht frei darüber reden, irgendwas in die Welt setzen. Auch nicht, wie schon gesagt, bei allem Respekt vor dem Heiligen Vater, in einem Interview sich äußern, sondern das klar und ganz unangreifbar in offiziellen Medien des Vatikan, in offiziellen Institutionen darlegen.

Das Interview führte Heike Sicconi.

Papst unterzeichnete bedingte Rücktrittserklärung

Papst Franziskus hat enthüllt, dass er eine bedingte Rücktrittserklärung für den Fall seiner Amtsunfähigkeit unterschrieben hat. In einem am Sonntagmorgen veröffentlichten Interview mit der spanischen Zeitung ABC berichtete der Papst, er habe ein entsprechendes Dokument unterzeichnet und dem damaligen Kardinalstaatssekretär Tacisio Bertone gegeben. Bertone übte dieses Amt bis zum 15. Oktober 2013 aus.

Papst Franziskus während der Generalaudienz / © Vatican Media (KNA)
Papst Franziskus während der Generalaudienz / © Vatican Media ( KNA )

 

Quelle:
DR