"Dekorative Propaganda"

20.11.2008 | Stand 03.12.2020, 5:25 Uhr

Die beiden jungen Künstler Sebastian Schwamm (links) und Josef Hadzelek (rechts) vor Werken ihrer Ausstellung "agitatorischer Plakatkunst" in der Pfaffenhofener Künstlerwerkstatt. - Foto: Köpf

Pfaffenhofen (kc) Als "agitatorische Plakatkunst" verstehen Josef Hadzelek und Sebastian Schwamm ihre Ausstellung in der Pfaffenhofener Künstlerwerkstatt. Als "dekorative Propaganda." "Nur subtiler", meint Hadzelek verschmitzt: "Eher passiv, defensiv, depressiv."

Noch bis einschließlich Sonntag zeigen die beiden jungen Pfaffenhofener Künstler im Jazzclub an der Münchener Straße Plakatkunst in großformatiger Drucktechnik. Die Gebrauchsgrafik der Werbung als künstlerisches Ausdrucksmittel; Einzelstücke, jedoch jederzeit reproduzierbar. Eine Werkschau, der sie den Titel "Styles & Sobbbing" gaben: Styles, dem Graffiti-Jargon entliehen, und Sobbing, mit nur einem "b" geschrieben, das Schluchzen meinend.

Traurig kommen einem die Exponate auf den ersten Blick nicht gerade entgegen, wenn man die Singersche Schreinerei betritt: Knallbunt im Comicstil prangen drei von Sebastian Schwamm gezeichnete Plakate im Eingangsbereich – tränende Augen verursachen bestenfalls die wörtlich plakativen Neonfarben. Jedoch stecken hinter dieser vordergründig bunten Fröhlichkeit unterschwellig dann doch dazu kontrastierende, eher verstörende Aussagen, die der plakateigenen Symbiose von Text und Bild entsprechend in konkrete Worte verschiedener Schriftarten gefasst sind. Ein pinkes Fabelwesen, "half bear, half man", das schmerzvoll in Scherben zerbrochener "beer bottles" tritt.

Daneben, fast eklig, abgeschnittene, behaarte Beine als ein Statement zur "Unshaved Fashion". Ein alien-artiges, scheinbar masturbierendes Tentakelmonster. Oder eine erst komisch wirkende, beleibte Frau, dazu dann der Text: "Sometimes I wish you were dead."

Anfängliches Schmunzeln wandelt sich beim interpretierenden Betrachter schnell in "Traurigkeit, Nachdenklichkeit, Betroffenheit". Was zunächst als belustigend und komisch aufgenommen werde, erhalte durch die Hinzufügung anderer inhaltlicher Elemente, kommentierender Texte oder Zitate einen "ernsthaften, schwermütigen, beunruhigenden Wesenszug." Ein "hohes Maß an Doppelbödigkeit", die man auch den Wesensarten der beiden 21-Jährigen attestieren könne, so der ehemalige Kulturreferent Hellmuth Inderwies, Laudator bei der Vernissage vor vier Wochen, einst Lehrer von Hadzelek und Schwamm am Schyren-Gymnasium. Dort absolvierten sie auch den Leistungskurs Kunst bei Georg Gaigl;

Schwamm studiert inzwischen Kommunikationsdesign, Hadzelek Jura. Dessen Werke widmen sich einer ähnlichen Zielsetzung, jedoch mit anderen künstlerischen Mitteln: Bildliche Darstellungen, computerbearbeitete Fotos oder Filmstandbilder werden mit Zitaten oder Sentenzen versehen, die oft direkt an den Betrachter adressiert sind, und erhalten dadurch eine neue Intention. So erzeugt etwa ein Film-Still aus Stephen Kings verfilmtem Roman "Carrie – Des Satans jüngste Tochter" mit textlicher Illustration versehen eine neue Rezeptionsweise zwischen emotionaler und rationaler Reflexion, die Beklommenheit in sich birgt.

Dennoch: Das Gezeigte kann, sowohl hinsichtlich Konzept, Spektrum als auch Publikumsresonanz, insgesamt als eher harmlos und unspektakulär gegenüber dem gewertet werden, womit Hadzelek und Schwamm im Sommer 2007 als "Künstlergruppe Pimmel" für mehr Aufsehen sorgten: Einer provokativ-witzigen "Großen Retrospektive des phallischen Expressionismus" in der städtischen Galerie, ihrer ersten Einzelausstellung, die auf ein geteiltes Echo in der kunstsinnigen Bevölkerung stieß. Doch solche Aufmerksamkeit erhält man von letzterer oft wohl nur mit bewusster, nicht-subtiler Provokation mittels gezielter Verstöße gegen vermeintlich "sittlich-moralisches Empfinden".