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OLG Düsseldorf: Für die Netzentgeltbefreiung stromintensiver Unternehmen fehlt möglicherweise die Rechtsgrundlage

Urteil des OLG Düsseldorf vom 14.11.2012 - VI - 3 Kart 65/12 (V) u.a.

Die von der Bun­des­netz­agen­tur für das Jahr 2011 vor­ge­se­hene Ver­rech­nungs­me­thode, wie die Ein­nah­me­ausfälle durch die Be­frei­ung strom­in­ten­si­ver Un­ter­neh­men von den Netz­kos­ten um­zu­le­gen sind, wird nicht aus­ge­setzt. Mögli­cher­weise fehlt es aber an ei­ner aus­rei­chen­den Rechts­grund­lage für die Be­frei­ung strom­in­ten­si­ver Un­ter­neh­men von den Net­zent­gel­ten.

Der Sach­ver­halt:
§ 19 Abs. 2 Strom­net­zent­gelt­ver­ord­nung ist seit dem 4.8.2011 in Kraft. Da­nach können strom­in­ten­sive Un­ter­neh­men von der Zah­lung der Net­zent­gelte be­freit wer­den. Netz­kos­ten im deut­schen Strom­netz ge­ben die Netz­be­trei­ber an die Strom­ver­sor­ger und diese über den Strom­preis an den End­nut­zer, Ver­brau­cher oder Un­ter­neh­men, wei­ter. Das Net­to­net­zent­gelt macht etwa 20 % des Haus­halts­kun­den­strom­prei­ses aus.

Die Un­ter­neh­men können sich auf An­trag - nach Auf­fas­sung der Bun­des­netz­agen­tur auch rück­wir­kend ab dem 1.1.2011 - von den Net­zent­gel­ten be­freien las­sen, wenn sie mehr als 7.000 Ar­beits­stun­den und 10 Gi­ga­watt Strom pro Jahr ab­neh­men. Die für die Netz­be­trei­ber ent­ste­hen­den Ein­nah­me­ausfälle wer­den ab dem Jahr 2012 da­durch aus­ge­gli­chen, dass die an sich von den strom­in­ten­si­ven Be­trie­ben zu zah­len­den Net­zent­gelte bun­des­weit auf die übri­gen End­kun­den um­ge­legt wer­den. An­ders als ab dem Jahr 2012 wer­den für das Jahr 2011 die Netz­kos­ten aber nicht bun­des­weit um­ge­legt. Viel­mehr wer­den die Ein­nah­me­ausfälle von den End­ver­brau­chern des­je­ni­gen Netz­be­trei­bers ge­tra­gen, über den das je­wei­lige strom­in­ten­sive Un­ter­neh­men sei­nen "netz­kos­ten­freien" Strom be­zo­gen hat.

Da für das Jahr 2011 bei ei­ner rück­wir­ken­den Umwälzung Ab­rech­nungs­schwie­rig­kei­ten entstünden, wer­den die im Jahr 2011 ent­stan­de­nen Ein­nah­me­ausfälle in den Jah­ren 2013 und später ver­rech­net. Zwei Netz­be­trei­ber hat­ten mit ih­ren Be­schwer­den und Eil­anträgen den Ab­rech­nungs­mo­dus für das Jahr 2011 an­ge­grif­fen. Sie wa­ren der An­sicht, es fehle an ei­ner aus­rei­chen­den ge­setz­li­chen Grund­lage für die Be­frei­ung. Fer­ner ver­stoße die Aus­nah­me­re­ge­lung für strom­in­ten­sive Un­ter­neh­men ge­gen eu­ropäisches Recht, da es sich um eine un­er­laubte Bei­hilfe han­dele. Außer­dem werde durch die Be­frei­ung von den Net­zent­gel­ten der Wett­be­werb verfälscht, da Un­ter­neh­men, die un­ter­halb der Strom­ver­brauchs-Schwel­len­werte lägen, nicht be­freit wer­den könn­ten. Letzt­lich sei eine rück­wir­kende Be­frei­ung in der Ver­ord­nung nicht vor­ge­se­hen.

Die Bun­des­netz­agen­tur ver­wies hin­ge­gen dar­auf, dass für 2011 ein an­de­rer Ab­rech­nungs­mo­dus er­for­der­lich ge­we­sen sei, weil es sonst zu nicht über­wind­ba­ren Ab­rech­nungs­pro­ble­men ge­kom­men wäre. Der Ver­ord­nungs­ge­ber habe auch er­rei­chen wol­len, dass strom­in­ten­sive Un­ter­neh­men be­reits ab 2011 be­freit wer­den soll­ten, weil diese Be­triebe auf­grund ih­res ho­hen Ver­brauchs netz­sta­bi­li­sie­rend wirk­ten.

Das OLG wies die Eil­anträge der bei­den Strom­netz­be­trei­ber zurück. Die Eil­ent­schei­dun­gen sind rechtskräftig. In der Haupt­sa­che wer­den die bei­den Ver­fah­ren am 6.3.2013 münd­lich ver­han­delt.

Die Gründe:
An­ge­sichts der zahl­rei­chen Rechts­fra­gen und schwie­ri­gen Ab­wick­lungs­pro­bleme kam eine vorläufige Aus­set­zung der Re­ge­lung für das Jahr 2011 nicht in Be­tracht. Die Prüfung der Be­frei­ungs­re­ge­lung für das Jahr 2011 konnte im Eil­ver­fah­ren nicht iso­liert her­aus­ge­grif­fen wer­den. Eine Aus­set­zung der Ab­rech­nungs­me­thode für das Jahr 2011 führte im Er­geb­nis dazu, dass dann nach dem ab 2012 gel­ten­den Mo­dus ge­rech­net wer­den müsste. Dann müss­ten nicht die re­gio­na­len Netz­be­trei­ber, son­dern die über­re­gio­na­len Netz­be­trei­ber zunächst die Ein­nah­me­ausfälle tra­gen und könn­ten diese erst später auf die Netz­kos­ten al­ler Nut­zer um­le­gen.

Al­ler­dings hat der Se­nat hin­sicht­lich der ab 2012 gel­ten­den Re­ge­lung - bei sum­ma­ri­scher und vorläufi­ger Prüfung im Eil­ver­fah­ren - er­heb­li­che Be­den­ken, ob im En­er­gie­wirt­schafts­ge­setz über­haupt eine aus­rei­chende ge­setz­li­che Ermäch­ti­gungs­grund­lage für die Be­frei­ung von den Net­zent­gel­ten be­steht. Es ist schließlich nicht sach­ge­recht, Drit­ten - hier den über­re­gio­na­len Netz­be­trei­bern - Be­las­tun­gen auf­grund ei­ner - nach vorläufi­ger Würdi­gung - rechts­wid­ri­gen Norm auf­zu­er­le­gen.

Das En­er­gie­wirt­schafts­ge­setz in der ak­tu­el­len Fas­sung er­laubt es nur, durch eine Ver­ord­nung die Me­thode zur Be­rech­nung der Ent­gelte, also das "wie", fest­zu­le­gen, nicht aber eine vollständige Be­frei­ung von den Net­zent­gel­ten, also das "ob", zu be­stim­men. Zwar könn­ten das Nut­zungs­ver­hal­ten und Gründe der Netz­si­cher­heit bei der Er­mitt­lung der Höhe der Ent­gelte berück­sich­tigt wer­den. Es ist aber frag­lich, ob dies eine vollständige Be­frei­ung von den Net­zent­gel­ten recht­fer­ti­gen kann. So ist vor al­lem eu­ro­pa­recht­lich eine nicht­dis­kri­mi­nie­rende und kos­ten­be­zo­gene Re­ge­lung der Net­zent­gelte ge­bo­ten.

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