Warum Kabel und Leitungen immer halogenfrei sein sollten

Autor / Redakteur: Markus Flechtner * / Kristin Rinortner

Das übliche Material zur Kabelisolation ist PVC. Dieses kann im Fall eines Brandes sehr problematisch werden. Wie sich halogenfreie Kabel unterscheiden und in welchen Bereichen sie vorgeschrieben sind, erklärt dieser Beitrag.

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Halogenfreies Material: 
In öffentlichen Gebäuden sind halogenfreie Leitungen aufgrund ihrer geringen, nichttoxischen Rauchentwicklung und Brandfortleitung vorgeschrieben. Aber auch für andere Anwendungen wie Elektronikgeräte ist es sinnvoll, über halogenfreie Anschlussleitungen nachzudenken.
Halogenfreies Material: 
In öffentlichen Gebäuden sind halogenfreie Leitungen aufgrund ihrer geringen, nichttoxischen Rauchentwicklung und Brandfortleitung vorgeschrieben. Aber auch für andere Anwendungen wie Elektronikgeräte ist es sinnvoll, über halogenfreie Anschlussleitungen nachzudenken.
(Bild: ©Matthias Buehner - stock.adobe.com)

Das übliche Material zur Kabelisolation ist in der Regel PVC (Polyvinylchlorid). Dieses kann im Fall eines Brandes sehr problematisch werden, da bei Hitzeeinwirkung aggressive und giftige Gase freigesetzt werden. Um Menschen und Sachwerte zu schützen, werden in sensiblen Bereichen, wie öffentlichen Gebäuden, schon seit langer Zeit halogenfreie Kabel und Leitungen vorgeschrieben.

Um wirklich sicher zu sein, sollten Kunststoffe, die im Brandfall gefährlich werden, auch in anderen Bereichen konsequent vermieden werden.

Am 11. April 1996 kam es zu einer Brandkatastrophe am Düsseldorfer Flughafen, bei der 17 Menschen zu Tode kamen, 88 verletzt wurden und ein Sachschaden von schätzungsweise 1 Mrd. Euro entstand. Bei der juristischen Aufarbeitung des Falles stellte sich heraus, dass beim Bau dreißig Jahre zuvor u. a. aus Kostengründen keine brandsicheren Baustoffe, beispielsweise Isolierungen und Kabel, verwendet worden waren. Dieses spektakuläre Unglück zeigt, wie wichtig es ist, schon vorbeugend für wirksamen Schutz vor den Folgen eines Brandes zu sorgen. Das gilt nicht nur für Großprojekte wie Flughäfen, sondern fängt im Kleinen an.

Im Brandfall werden bei den am häufigsten verwendeten halogenhaltigen Kabelisolierungen korrosiven und toxischen Gasen freigesetzt und es erfolgt starke Rauchentwicklung. In Anwendungsbereichen, wo im Brandfall die Sicherheit des Gebäudes gewährleistet und sichergestellt werden muss, dass Fluchtwege nicht von dichtem Rauch verqualmt werden, dürfen deshalb heute Materialien, die reaktionsfreudige Elemente wie Brom, Jod, Flour oder Chlor enthalten, nicht mehr verwendet werden.

Wie sich halogenfreie Kabel unterscheiden

Aufgrund der ungeheuren Vielfalt von Kunststoffen sowie deren Kombinationen und Zusammensetzungen ist es nicht ganz leicht, die Materialien eindeutig zu identifizieren, die sich im Brandfall unkritisch verhalten. Grob kann man allerdings halogenhaltige und halogenfreie Materialien voneinander unterscheiden: Neben dem verbreiteten preisgünstigen Polyvinylchlorid (PVC) zählen zu den halogenhaltigen Isolationsmaterialien unter anderem auch Chlorphen-Kautschuk (CP), Ethylen-Tetraflourethylen (ETFE), Flourethylenpropylen (FPE), Flour-Polymer-Kautschuk (FPM), Monoflouressig-
säure (MFA), Perflouralkoxy (PFA) oder Polytetraflourethylen (PTFE). Allerdings ist PVC nicht gleich PVC: Es gibt auch feuerhemmendes raucharmes Polyvinylchlorid.

Halogenfrei hingegen sind die Kunststoffe Silikon-Kautschuk (SIR), Polyethylen (LDPE/HDPE), Polyamid (PA), Polypropylen (PP), thermoplastische Elastomere (TPE), Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk (EPDM), Ethylen-Propylen-Polymere (EPR) und Ethylen-Venylacetat-Copolymer (EVM).

Die wichtigsten Eigenschaften von halogenfreien Kunststoffen im Vergleich zu PVC sind:

  • Im Brandfall werden keine korrosiven oder toxischen Gase freigesetzt, die zu ernsthaften Gefährdungen von Menschen und erheblichen Schäden an Geräten, Gebäuden sowie ihren Einrichtungen führen können.
  • Halogenfreie Kunststoffe, die so ausgerüstet sind, dass sie die Sicherheitsanforderungen erfüllen, sind schwer entflammbar und zeigen geringe Brandfortleitung, so dass sie nicht zur Ausweitung des Brandherdes beitragen. Hier werden dem Kunststoff Copolymere als „Füllstoffe“ beigemengt, die die Verbrennung verzögern und kontrollieren.
  • Im Falle eines Brandes entwickeln halogenfreie Kunststoffe wenig Rauch, so dass Fluchtwege für Personen und Zugänge für die Feuerwehr nicht verqualmt werden.
  • Es gibt in diesem Zusammenhang zahlreiche Vorschriften, Normen, Gesetze und Kabelprüfungen, die erfüllt werden müssen.

Die Industrie bietet ein breites Spektrum an halogenfreien Kabeln und Leitungen für die unterschiedlichsten technischen Anwendungen: Beispielsweise geschirmte und ungeschirmte Steuer- und Datenleitungen, Mantelleitungen für die Elektroinstallation, Koaxial-HF-Leitungen, LWL- und Kupfer-Patchkabel sowie ein breites Spektrum an Zubehör zur Kabel- und Leitungsmontage. Abgerundet wird das Angebot durch fertig konfektionierte Geräteanschluss- und Verlängerungsleitungen.

Kabel, Leitungen und Zubehör sollten konsequent halogenfrei ausgeführt werden.
Kabel, Leitungen und Zubehör sollten konsequent halogenfrei ausgeführt werden.
(Bild: Bürklin)

Halogenfreies Material nicht nur bei Großprojekten

Bei Bauprojekten wie öffentliche Gebäude, Flughäfen, Krankenhäuser, Kindergärten, Messehallen, Stadien, Rathäuser, um nur einige Beispiele zu nennen, bei denen umfangreiche Kabelbündel auf Kabelpritschen in Deckenhohlräumen oder in Kabelkanälen verlegt werden, sind heute halogenfreie Materialien vorgeschrieben.

Die Verwendung von halogenfreien Kabeln und Leitungen ist in der Regel schon bei den Ausschreibungen im Pflichtenheft verbindlich festgeschrieben. Die Freisetzung toxischer Gase hätte auch auf Schiffen, in Flugzeugen und Bahnen fatale Folgen, deshalb sind hier halogenfreie Materialien Vorschrift.

Eigentlich sollten Materialien überall dort, wo sich Menschen aufhalten, im Fall eines Brandes ein möglichst geringes Gefahrenpotential enthalten. Das sind Büros, Arztpraxen, Einzelhandelsgeschäfte und nicht zuletzt auch Privatwohnungen. Hier stellen die bereits vorhandenen Elektroinstallationen im Brandfall nicht das größte Gefahrenpotential dar, denn diese sind in der Regel unter Putz ausgeführt.

Dagegen finden sich in diesen Räumen überall Geräte, die über Anschlussleitungen und Verlängerungskabel mit dem Stromnetz verbunden sind. Selbst die in diesen Leitungen vorhandenen relativ kleinen Mengen an PVC können im Fall eines Brandes oder Schwelbrandes in ihrem Umfeld nicht unerhebliche Schäden an den Geräten sowie Teilen des Gebäudes verursachen. Es ist deshalb mit Sicherheit keine Fehlinvestition, auch hier halogenfreie Anschlussleitungen vorzusehen.

* Markus Flechtner arbeitet als Produktmanger für Kabel & Leitungen bei Bürklin Elektronik in Oberhaching.

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