Binnenmarktausschuss stimmt für industriefreundliche EU-Bauvorschriften

Bauprodukte sind die größten Verbraucher von Materialien in Europa. Nach Angaben der EU entfallen auf ihre Herstellung 50 Prozent der in der EU verbrauchten Materialien, ein Drittel der produzierten Abfälle und etwa ein Drittel des verbrauchten Wassers. [European Parliament/Philippe BUISSIN]

Eine Reform der Bauprodukt-Verordnung hat die Unterstützung des Binnenmarktausschusses des EU-Parlaments erhalten. Umweltschützer monieren, dass der vorgelegte Entwurf zu lax sei.

Bauprodukte sind die größten Verbraucher von Materialien in Europa. Nach Angaben der EU entfallen auf ihre Herstellung 50 Prozent der in verbrauchten Materialien, ein Drittel der produzierten Abfälle und etwa ein Drittel des verbrauchten Wassers.

Sie sind auch das Herzstück der Bauindustrie, die einen Wert von 904 Milliarden Euro hat und 18 Millionen direkte Arbeitsplätze in Europa bietet.

Gleichzeitig wird ihre Auswirkung auf die Umwelt derzeit kaum berücksichtigt.

Um dies zu anzugehen, hat die Europäische Kommission im vergangenen Jahr eine Überarbeitung der Bauprodukt-Verordnung auf den Weg gebracht. Ziel ist es, die Verordnung mit den grünen Ambitionen der Union in Einklang zu bringen und den massiven Rückstau bei den Anträgen für neue Produkte abzubauen.

Das Gesetz umweltfreundlicher zu machen, hat für den Chefverhandler jedoch nicht die allerhöchste Priorität.

„Wir haben diesen sehr komplexen Vorschlag benutzerfreundlicher und anwendbarer gemacht“, sagt Christian Doleschal, CSU-Europaabgeordneter der die Reform für das EU-Parlament verhandelt.

Für den bayerischen Abgeordneten war der Abbau des Rückstaus von Anträgen auf Bauproduktnormen die wichtigste Priorität bei der Überarbeitung.

„Wir lösen den Rückstau bei den Normen auf, der seit Jahren besteht“, erklärte er am Dienstag (24. Mai). Die Normen – eine Voraussetzung für den Zugang zum europäischen Markt – sollten nun dank einer klareren Definition des Anwendungsbereichs der Verordnung schneller vergeben werden.

Sein Vorschlag wurde mit 25 Ja-Stimmen, sieben Nein-Stimmen und neun Enthaltungen im Binnenmarktausschuss des Parlaments angenommen, ein wichtiger Schritt, bevor der Verordnungsentwurf dem Plenum vorgelegt wird.

Angesichts der Auswirkungen des Gesetzes auf die Umwelt hatte auch der Umweltausschuss des Parlaments ein Mitspracherecht. Diese wurden von Doleschal weitgehend ignoriert.

EURACTIV hatte zuvor berichtet, dass Doleschal wohl sehr offen für den Input der Industrie war – nach Ansicht von Umweltschützern ein bisschen zu offen.

Wichtige Änderungen, die von der Kommission zur Förderung umweltfreundlicherer Bauprodukte vorgeschlagen wurden – wie die Verpflichtung, dass die Mitgliedstaaten bei Ausschreibungen diesen Vorrang einzuräumen haben, sowie die Einführung eines umfassenderen Standards für Nachhaltigkeitsinformationen – werden von Doleschal abgelehnt.

Während die Industrie das bestehende System der Umweltproduktdeklarationen bevorzugt, argumentieren deren Gegner, dass die Umweltproduktdeklarationen zu begrenzt sind und einen Vergleich verschiedener Bauprodukte nahezu unmöglich machen.

„Das Europäische Parlament hat sich für den ineffektiven Status quo entschieden und den enormen ökologischen Fußabdruck des Bausektors ignoriert“, sagte Frederica Pozzi von Ecos, einer Interessengruppe für grüne Standards.

Während Doleschal die Eingrenzung des Geltungsbereichs der Bauprodukteverordnung als einen Sieg begrüßte, äußerte Pozzi eine andere Ansicht.

„Wenn wir bei der Auswahl der Produkte, die wir als nachhaltig einstufen, selektiv vorgehen, mag den mächtigen Lobbys entgegenkommen, für die Umwelt, die Wettbewerbsfähigkeit der EU, die Innovation und die Verbraucher ist es jedoch ein großer Verlust.“

Der bayerische Abgeordnete hat mehrere baubezogene Wirtschaftszweige aus dem Geltungsbereich des Gesetzes herausgenommen, darunter Bauarbeiten und einen Großteil der 3D-gedruckten Materialien.

Die Bauindustrie begrüßte die vom Parlament vorgenommenen Änderungen.

„Eurima unterstützt den Ansatz der Überarbeitung und Reparatur der aktuellen Bauordnung, der sich in der heutigen Abstimmung widerspiegelt“, sagte David Kupfer vom Dämmstoffverband Eurima.

Doleschals Fokus auf die Beschleunigung der Einführung von Normen „ist ein wichtiger Schritt, um den dringend benötigten Fortschritt in Richtung eines Binnenmarktes für Bauprodukte zu erreichen“, fügte er hinzu.

Ein breiterer Zusammenschluss von Industrieverbänden – Construction Products Europe, die European Construction Industry Federation, die European Builders Confederation und Small Business Standards – begrüßte die Abstimmung ebenfalls.

Die Verbände lobten die Abgeordneten insbesondere dafür, dass sie der Europäischen Kommission die Möglichkeit genommen haben, Sanktionen zu verhängen, sowie für die rasche Umsetzung des neuen Gesetzes.

Aber sie hatten auch ihre eigenen Forderungen an die Abgeordneten. „Wir fordern“ den Ausschluss „aller Verweise auf ‚Dienstleistungen‘ aus dem Anwendungsbereich“ der Verordnung sowie eine „Dekonstruktion“, so die Industrieverbände.

Dies würde jedoch den Anwendungsbereich der Neuregelung, die die Nachhaltigkeit fördern soll, einschränken, warnten Quellen, die den Verhandlungen nahestehen.

EU will Binnenmarkt für Baumaterialien beleben

Der Druck wächst, Häuser zu renovieren und den Energiebedarf für Heizzwecke zu senken. Daher hat die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Ankurbelung des angeschlagenen Marktes für Bauprodukte in der EU vorgelegt.

Der Weg nach vorn

Das Votum des Binnenmarktausschusses (IMCO) des Parlaments muss nun in einer für Juli geplanten Abstimmung im Plenum bestätigt werden, kurz bevor sich die Abgeordneten in ihre jährliche Sommerpause begeben.

„Es ist jetzt wichtig, dass das Plenum im Juli die fortgesetzte und verstärkte Verwendung von Umweltproduktdeklarationen“ unterstützt, sagte der Industrielobbyist Kupfer.

Ecos forderte den Plenarsaal ebenfalls auf, Änderungen am Gesetz vorzunehmen.

„In der für Juli vorgesehenen Plenarsitzung müssen die Abgeordneten … unbedingt den sehr umweltschädlichen Ansatz des IMCO-Berichterstatters Doleschal streichen“, so die NGO in einer Erklärung.

Da die Arbeitsgruppen der Mitgliedstaaten der EU ihre Arbeit in dieser Woche abschließen, wird eine Einigung für Ende Juli erwartet. Damit wird die spanische Ratspräsidentschaft die Verhandlungen in der zweiten Jahreshälfte führen können.

[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic und Frédéric Simon]

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