Feuer mit Feuer bekämpfen: Die neue Art der Schädlingsbekämpfung

Eine Form der Biokontrolle, bei der Marienkäfer zur Bekämpfung von Blattlauspopulationen eingesetzt werden. [SHUTTERSTOCK]

Dieser Artikel ist Teil des special reports Innovation, GAP und der Green Deal: Eine komplizierte Kombination?

Biologische Pestizide gewinnen als nachhaltige und praktikable umweltfreundliche Alternative zu chemischen Pestiziden rasch an Bedeutung. Allerdings werden sie derzeit durch eine nicht angepasste Regulierung behindert.

Da die Sorgen bezüglich der schädlichen Auswirkungen chemischer Pestizide wachsen, wurde die Reduzierung des Pestizideinsatzes inzwischen ganz oben auf die politische Agenda gesetzt. 

Dies spiegelt sich sowohl im Europäischen Green Deal wider, der ein „erhöhtes Maß an Ehrgeiz zur signifikanten Reduzierung des Einsatzes und der Risiken chemischer Pestizide“ vorgibt, als auch in der neuen „Vom Hof auf den Tisch“-Strategie (F2F).

In letzter Zeit gab es eine Reihe von Verboten für chemische Wirkstoffe. Dies wird zwar von Aktivisten und Umweltschützern gelobt, aber die Zahl der Instrumente, die den Landwirten in der EU zur Verfügung stehen, wird dadurch verringert. 

In ihrem Bericht über den Strategieplan für die Zusammenarbeit weist der Verband der europäischen Landwirte und Agrargenossenschaften Copa-Cogeca auf dieses Problem hin. Seit 2009 sehen sich die Landwirte in der EU „trotz der unzureichenden Informationen, Kenntnisse und Produkte, die ihnen zur Verfügung stehen, zunehmend verpflichtet, alternative, nicht chemische Schädlingsbekämpfungstechniken anzuwenden“.

Green Deal: Von der Leyen rudert bei Pestiziden und Gentechnik zurück

Der gestern vorgelegte Green Deal hat zwei umstrittene Passagen zur Landwirtschaft ausgelassen. Die Debatte um Gentechnik und Pestizid-Grenzwerte wird somit vertagt.

Während also das Ziel, Pestizide zu reduzieren, eindeutig ist, bleibt weniger klar, wie dies erreicht werden soll und wie die Zukunft des Pflanzenschutzes aussehen wird.

Bio-Pestizide wären eine Form der Kontrolle auf der Basis von lebenden Organismen, zu der mikrobielle Pestizide auf der Basis von Bakterien oder Pilzen als Wirkstoff gehören. Diese lebenden Organismen sind von Natur aus für Schädlinge pathogen oder konkurrieren mit ihnen.

Biokontroll-Technologien werden eine immer wichtigere Ergänzung des Hilfsmittelsortiments der Landwirte und helfen ihnen, die zukünftige Nachhaltigkeit des Pflanzensektors zu sichern. 

Laut IBMA, einem Verband, der die Hersteller von Biokontrollprodukten vertritt, sind mikrobielle Biokontrollprodukte ein wachsender Absatzmarkt in der EU, der derzeit ein europäisches Marktvolumen von circa zwei Milliarden Euro auf einem Markt von 3,6 Milliarden Euro repräsentiert.

Geraldine Kutas, Generaldirektorin des Europäischen Pflanzenschutzverbandes (ECPA), teilte  gegenüber EURACTIV mit, dass es außer Frage stehe, dass die Landwirte „wirksame und sichere Lösungen zur Bekämpfung von Schädlingen und Krankheiten“ benötigen. Es bestehe auch wenig Zweifel daran, dass die Nutzung der Natur als Ausgangspunkt „mehr Möglichkeiten zur Entwicklung von Produkten mit risikoarmen toxikologischen Profilen, geringen Rückstandsmengen und einem noch schnelleren Abbau“ bietet.

Obwohl es in Europa verschiedene Anreize gibt, die Kommerzialisierung und den Einsatz von Biopestiziden zu fördern, fehlt es jedoch an einer spezifischen Regelung für Produkte auf der Basis von Mikroorganismen oder biochemischen Extrakten, was bedeutet, dass sie im Allgemeinen den gleichen regulatorischen Weg verfolgen müssen wie Chemikalien.

Studie: Gesetzeshürden erschweren Nutzung von Biopestiziden

Die Entwicklung von biologischen Schädlingsbekämpfungsmitteln werde durch Mängel im aktuellen europäischen Regelsystem für Pestizide gehemmt, so eine britische Studie. Diese sieht Biopestizide als Mittelweg zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft an. 

Anika Gatt Seretny, leitende Kommunikationsmanagerin bei ECPA, stimmt dem zu und erklärte gegenüber EURACTIV, dass fast 40 Prozent aller neuen Wirkstoffe, die seit Inkrafttreten der Verordnung 1107 auf den Markt gebracht wurden, Biopestizide waren, dass aber „die mangelhafte Umsetzung der Zeitvorgaben von 1107 die Entwicklung von Biopestiziden eindeutig behindert hat“.

Sie fügte hinzu, dass die durchschnittliche Zeit für die Zulassung eines Biopestizids in der EU vier Jahre beträgt, verglichen mit zwei Jahren in den USA.

Ein kürzlich veröffentlichter Bericht über Agrow-Biopestizide aus dem Jahr 2018 ergab, dass in den USA, wo es spezifische regulatorische Definitionen und Wege für Biopestizide gibt, die Registrierung wesentlich schneller und billiger ist als in Europa, wobei mikrobielle Pestizidprodukte im Durchschnitt 1,6 Jahre früher auf den Markt gebracht werden als in Europa.

Isabelle Babrzyński, Kommunikations- und Betriebsleiterin der IBMA, sagte gegenüber EURACTIV, dass diese Biokontroll-Lösungen „die Kulturen und die Umwelt von heute und vor allem von morgen schützen und die erste Wahl für die nachhaltige Bekämpfung von Schädlingen und Krankheiten sind“.

„In Europa sind Mikroben ein wichtiger Teil des Instrumentariums zur Biokontrolle für Landwirte“, sagte sie und fügte hinzu, dass die Europäische Kommission „derzeit die Datenanforderungen für Mikroorganismen mit den Mitgliedsstaaten überprüft, um diese anzupassen, damit sie dem biologischen Profil der mikrobiellen Produkte besser entsprechen“.

Deutschlands Agrarbranche – Föderalismus hemmt den Fortschritt

Die EU-Kommission will mit der neuen GAP, Innovation in der Digitalisierung der Landwirtschaft zu fördern. Deutsche Unternehmen hoffen auf Milliardengeschäfte, doch eine komplizierte Verwaltung und die mangelnde Infrastruktur stehen im Weg.

Babrzyński erklärte auch, dass „die Mitgliedsstaaten überlegen, wie sie ihre Herangehensweise an Mikroben und die Kennzeichnung sowie mögliche Minderungsmaßnahmen harmonisieren können, um den Marktzugang für diese Produkte zu maximieren und gleichzeitig die Sicherheit für Benutzer und Verbraucher zu gewährleisten“.

Pekka Pesonen, der Generalsekretär der Landwirtschafts- und Genossenschaftsorganisation COPA-COGECA, erklärte, dass „die Verfügbarkeit geeigneter Tools, einschließlich mechanischer, chemischer oder, in diesem speziellen Fall, biologischer Bekämpfungstechnologien, ein Schlüsselelement für die ordnungsgemäße Umsetzung des integrierten Pflanzenschutzes ist“.

Er fügte hinzu, dass diese Art von Innovation unerlässlich sei, vor allem wenn man bedenke, dass „die Landwirte und ihre Genossenschaften in der EU heutzutage mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert sind, darunter neue Schädlinge und Krankheiten“.

In einem Interview mit EURACTIV stellte Andreas Huber, der für das Landwirtschaftsunternehmen Corteva in Europa führende Wissenschafter im Feld, fest, dass „die Nachfrage nach biologischen Pestiziden in Europa massiv gestiegen ist“. Corteva wolle deshalb „seine Kapazitäten weltweit, aber vor allem in Europa ausbauen“.

„Einige dieser Biologicals sind ziemlich potent und zeigen in Kombination mit anderen Kontrollmethoden eine sehr vielversprechende Wirksamkeit und einen sehr viel versprechenden Wert für die Landwirte.“

Der Balanceakt zwischen Green Deal und Gemeinsamer Agrarpolitik

Bei der Erreichung der Klimaneutralität bis 2050 und der Umsetzung des „Green Deal“ der EU-Kommission dürfte die Landwirtschaft und daher auch die geplante Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik eine wichtige Rolle spielen.

Es gebe einen „enormen Anreiz für die Landwirte“, Bio-Pestizide einzusetzen, da sie helfen, Rückstände auf den Kulturen zu verringern, und viele der Substanzen mit dem ökologischen Landbau vereinbar seien.

In Bezug auf die steigende Zahl von Pestiziden, die kürzlich verboten wurden, „gibt es jetzt oft fast nichts mehr [für den Landwirt], weil wir früher Pestizide wie Organophosphate eingesetzt haben. Jetzt sind sie alle verschwunden, so dass nichts mehr übrig ist, um bestimmte Krankheiten zu bekämpfen“.

So oder so, mikrobielle Biopestizide werden in der Landwirtschaft eine immer wichtigere Rolle spielen, um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen, fügte er hinzu. 

„Es gibt viele Beispiele, die zeigen, dass mit dem wärmeren Klima neue Schädlinge nach Europa kommen, die bekämpft werden müssen“, so Huber. 

Zudem könne die Kombination von biologischen Pestiziden mit konventionellen Pestiziden und neuen digitalen Techniken ein wichtiger Teil des Instrumentariums sein, mit dem die Landwirte diese neuen Herausforderungen bewältigen können.

EU lässt "Bienen-Killer" Neonikotinoid auslaufen

Die EU hat die Zulassung eines weiteren als „Bienen-Killer“ geltenden Neonikotinoids nicht verlängert. Das Pestizid Thiacloprid läuft nach Angaben der EU-Kommission vom Dienstag im April 2020 aus.

[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic und Britta Weppner] 

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