EU wird Verkauf von Zeitnischen an Flughäfen erlauben [DE]

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Die Europäische Kommission hat ein Dokument angenommen, das es Fluggesellschaften erstmalig ermöglichen würde, mit Zeitfenstern für Start und Landung zu handeln. Ziel ist es, das Problem der stetig geringer werdenden Kapazitäten auf Europas überfüllten Flughäfen zu überwinden.

Die Mitteilung, die am 30. April 2008 angenommen wurde, stellt fest, dass die gegenwärtige EU-Gesetzgebung zur Zuweisung von Zeitnischen den so genannten „Sekundärhandel“ mit Zeitnischen nicht verbiete. Sie beendet damit jahrelange Diskussionen.

Man erkenne heute zum ersten Mal, dass Sekundärhandel eine akzeptable Möglichkeit sei, Fluggesellschaften den Tausch von Zeitfenstern zu erlauben, sagte EU-Verkehrskommissar Jacques Barrot.

Die frühere Gesetzgebung gewährte nur einen Tausch von Zeitnischen „einzeln zwischen Luftfahrtunternehmen“ und „ohne finanziellen Austausch“. Die Unklarheit der Regelung jedoch hat es manchen Flughäfen, so beispielsweise London Heathrow – einer der verkehrsreichsten Flughäfen weltweit –, ermöglicht, eine Art „grauen Markt“ für den Sekundärhandel von Zeitnischen zu schaffen. 

Während die Situation bislang eine Reihe von Beschwerden und Gerichtsverfahren mit sich gebracht habe, beabsichtige die Kommission nicht, Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten einzuleiten, in denen ein solcher Tausch in einer durchsichtigen Weise stattfinde, so die Mitteilung.

Tatsächlich glaubt die Kommission, dass ein Verbot eines derartigen Sekundärhandels für neue Marktteilnehmer – und für etablierte Fluggesellschaften, die ihre Dienste ausweiten möchten – zu einer geringeren Anzahl an verfügbaren Zeitnischen führe. Eine Fluggesellschaft könne eine Zeitnische behalten, selbst wenn ihr Marktwert bei weitem den Wert überschreite, den die Fluggesellschaft durch die Erhaltung und die Nutzung der Zeitnischen erzeuge, so die Mitteilung.

Jacques Barrot, Kommissionsvizepräsident und Zuständiger für Verkehr, sagte: „Wir müssen auf überlasteten Flughäfen dafür sorgen, dass Zeitnischen so effizient wie möglich genutzt werden und alle Fluggesellschaften eine faire Chance erhalten, ihren Flugbetrieb auszubauen. […] Die Vorteile dieses Systems haben dies bereits in London gezeigt, wo eine Reihe von Fluggesellschaften dadurch die aus dem Luftverkehrsabkommen zwischen der EU und den USA erwachsenden Chancen nutzen konnte und wo jetzt mehr Wettbewerb herrscht.“

Die europäischen Flughäfen, die vom Airports Council International – Europa vertreten werden, stimmen zu, dass „Sekundärhandel“ nützlich sein könnte, um die effiziente Nutzung von Flughafenkapazitäten zu verbessern. Sie sagen, ein Teil der Gewinne aus dem Handel mit Zeitnischen sollte zur Seite gelegt und für die Entwicklung neuer Flughafenkapazitäten genutzt werden.

Die Fluggesellschaften sind jedoch nicht überzeugt, dass eine Änderung der Regeln das Überlastungsproblem vieler europäischer Flughäfen lösen werde. Der Rückgriff auf Marktmechanismen wie die Zuteilung von Zeitnischen, um die bestehenden Flughafenkapazitäten besser zu nutzen, würde dem Problem  des Infrastrukturmangels nicht gerecht werden, da ein solcher Mechanismus kein einziges zusätzliches Zeitfenster schaffen würde. Das Hauptproblem liege bei den Flughafenkapazitäten, sagte der Verband Europäischer Fluggesellschaften in einer früheren Stellungnahme.

Zudem warnen regionale Fluggesellschaften, wenn man Zeitnischen mit Preisen belege, könnte dies dazu führen, dass sie als wertvoller erachtet würden, als der Dienst, der für ein bestimmtes Ziel oder eine bestimmte Region erbracht würde. Auch Regionen könnten Verluste erfahren, wenn eine Fluglinie, die eine bestimmte Strecke bedienen wolle, sich den Kauf einer Zeitnische nicht leisten könne, die ihm unter den bestehenden Regelungen zugeteilt worden sein könnte, sagt die European Regions Airline Association (ERA), die Vereinigung von Unternehmen im europäischen Regionalflugverkehr.

Laut der Sonntagsausgabe des Corriere della Sera könnten nichtsdestotrotz die neuen Regeln der maroden italienischen Fluggesellschaft Alitalia helfen. Die neuen Regelungen würden es der Fluglinie ermöglichen, einige ihrer bepreisten Zeitfenster zu verkaufen, um sich somit über Wasser zu halten und ohne auf den „Überbrückungskredit“ in Höhe von 300 Millionen Euro zurückgreifen zu müssen, die ihr die italienische Regierung vergangene Woche gewährt hatte. Die Kommission kündigte bereits an, dass sie diesen Kredit prüfen werde; er könnte ihrer Meinung nach eine unrechtmäßige staatliche Beihilfe darstellen (EURACTIV vom 25. April 2008).

Zeitnischen für Start und Landung sind an europäischen Flughäfen eine knappe Ware geworden, da die Nachfrage nach Flugreisen weiterhin boomt.

In der gegenwärtig geltenden Verordnung über die Zuweisung von Zeitnischen von 1993 ist das System der angestammten Rechte verankert, nach dem eine Fluggesellschaft für immer Anspruch auf ein einmal zugewiesenes Zeitfenster hat, solange sie es regelmäßig in Anspruch nimmt.

Dieses System geriet jedoch in die Kritik, da es neuen Marktteilnehmer den Zugang erschwert und da ineffizient sei – und dadurch zu der sich abzeichnenden Kapazitätenkrise auf europäischen Flughäfen beitrage. 

Die Überarbeitung ergänzt Initiativen der Kommission, die Kapazitäten der Flughäfen zu erhöhen und das Verhältnis zwischen Flughäfen und Fluggesellschaften besser zu regulieren (EURACTIV vom 24. Januar 2007).

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