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ABSORPTION ASYMMETRISCHER SCHOCKS
ECON 104

III. Die Schwachpunkte der Theorie der optimalen Währungsräume


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III. Die Schwachpunkte der Theorie der optimalen Währungsräume

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Wechselkurse

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Alternative Wechselkurssysteme: neuere Erkenntnisse

Kasten 2: Drücken Wechselkursschwankungen den Handel?
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Außenwirtschaftliche Verwundbarkeit

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Feste Wechselkurse oder eine einheitliche Währung?

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Konvergenz, Divergenz und Diversifikation

Tabelle 1: Anteil der Beschäftigung im Agrarsektor in Prozent (EU-12)
Tabelle 2: Anteil der Beschäftigung in der Industrie in Prozent (EU-12)
Tabelle 3: Anteil der Beschäftigung im Dienstleistungssektor in Prozent (EU-12)
Kasten 3: Konvergenz oder Divergenz? Krugmans Analyse
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Optimalität und Tragfähigkeit


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III. Die Schwachpunkte der Theorie der optimalen Währungsräume

In einem kurzen Überblick über die Theorie der optimalen Währungsräume und die europäische Währungsintegration bezeichnet I. Maes (1992) es als, wie er sagt, recht mysteriös, daß die Literatur zur Währungsintegration in diesem Maße von Mundells Theorie über optimale Währungsräume dominiert wird. Maes selbst sieht eine Erklärungen für dieses Phänomen in der Bedeutung von Mundell und Chicago und in der Kontroverse über feste contra flexible Wechselkurse, die in der internationalen Wirtschaftstheorie in den sechziger Jahren geführt wurde. Ferner habe, wie Maes feststellt, das Wort "optimal" schon immer eine besondere Anziehungskraft auf Wirtschaftswissenschaftler ausgeübt.

Ronald I. McKinnon der Stanford University, der 1963 die Theorie der optimalen Währungsräume weiterentwickelte, schrieb später (1994), daß

... in den frühen sechziger Jahren die Theorie der optimalen Währungsräume noch immer vom Keynes´schen Modell des makroökonomischen Aktivismus dominiert wurde. Die nationale Währungshoheit wurde für sich allein genommen positiv betrachtet und auch als Junktim, um von der Privatwirtschaft ausgehende "Schocks" auszugleichen.

Dies führte zu einer Überschätzung der stabilisierenden Wirkung flexibler Wechselkurse und zu einer Unterschätzung der Vorteile fester Wechselkurse oder einer Währungsunion. Spätere Theorien (hier läßt sich hinzufügen: mit später gesammelter Erfahrung) hatten den Glauben daran zerstört, daß auf lange Sicht zwischen der Inflation und der Arbeitslosigkeit ein "trade-off", eine Austauschbeziehung jedweder Art, besteht. McKinnon erläutert, daß

... mit dem Schwinden des Vertrauens in die Vorzüge nationaler oder regionaler Ermessensfreiheit im Bereich der makroökonomischen Politiken sich das Gleichgewicht der Argumentation zugunsten größerer anstelle kleinerer Währungsräume verschob.

Andere Kritiker der frühen Theorie der optimalen Währungsräume stellten ähnliche Beobachtungen an. Torsten Peters (1995) führt fünf "gewichtige Bedenken" betreffend die Theorie und ihre empirische Anwendung auf:

  • Unterschätzung der Vorzüge einer gemeinsamen Währung;
  • Mangelnde operationelle Indikatoren für die Faktoren Mobilität, Offenheit und Diversifikation;
  • Realitätsferne mit Blick auf die Annahme einer "Geldillusion" (vgl. weiter oben "Lohn- und Preisflexibilität);
  • Statischer Charakter - mangelnde Berücksichtigung möglicher Veränderungen im Verhalten der Wirtschaftsakteure infolge der Schaffung eines gemeinsamen Währungsraumes (vgl. weiter oben "Die `Lucas-Kritik´"); und
  • Nichtbeachtung der Tatsache, daß Wechselkursentwicklungen von Spekulationsbelastungen dominiert sein können, die mit wirtschaftlichen Grundlagen nicht in Zusammenhang stehen.

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Wechselkurse

In vergangenen Jahren haben die meisten Wirtschaftswissenschaftler nicht nur das Vertrauen in den "makroökonomischen Aktivismus" verloren, den flexible Wechselkurse theoretisch erlauben. Sie haben auch einen Großteil ihres Vertrauen in die Fähigkeit der Wechselkurse verloren, Ungleichgewichte aufgrund von asymmetrischen Schocks absorbieren zu können.

McKinnon (1963) vertrat bereits von Anfang an den Standpunkt, daß die Wechselkurspolitik für eine offene Volkswirtschaft, die einen wesentlichen Teil ihres Bruttoinlandsprodukts im Außenhandel erzielt, ein unangemessenes Anpassungsmittel darstellt. Vor allem kleinere, offene Volkswirtschaften könnten sich nicht mit Hilfe der Wechselkurse schützen.

Bordes und Driscoll (1990) urteilen, daß

... in einem Gebiet, in dem die Länder über relativ große Handelssektoren verfügen und die Integration in etwa Kaufkraftparität erzielt, Wechselkurse die Handelsbedingungen und die Reallöhne nicht beeinflussen und daher Zahlungsbilanzdefizite nicht korrigieren können.

Unter Verwendung verschiedener ökonometrischer Modelle wurden die als Schockabsorber ergriffenen Maßnahmen bei festen oder flexiblen Wechselkursen empirisch getestet. Emerson et al. (1992) verwendeten das Quest-Modell der EG. Diesem Modell zufolge hatte ein Schock mit Wirkung auf den französischen Export in der Größenordnung von 5 % beträchtliche Auswirkungen auf den französischen Output. Bei fester Währungsparität für den Franc fiel der Output im ersten Jahr um 1,3 %. Sieben Jahre vergingen, bis er sich erholt und die Grundlinie wieder erreicht hatte. Mit einem flexiblen Wechselkurs für den Franc betrug der anfängliche Rückgang nur 0,6 %, die Erholung nahm jedoch längere Zeit in Anspruch. Belke und Gros (1997) legten eine ähnliche Studie vor, die unter Verwendung des MultiMod-Modells des IWF erstellt worden war. Der Output-Rückgang infolge eines Exportrückgangs von 5 % war bei festem Wechselkurs nur um einen halben Prozentpunkt des Bruttoinlandsproduktes ausgeprägter als bei flexiblem Wechselkurs.

Eine damit zusammenhängende wichtige Frage ist, ob Wechselkursschwankungen an sich bereits auf den Handel abschreckend wirken und daher generell eine Wohlfahrtsminderung bewirken. Ein wesentliches Argument für die WWU war, daß der Binnenmarkt eine einheitliche Währung benötigt, da Währungsrisiken eine der noch verbleibenden Handelsschranken in der EU darstellen. Hierauf entgegneten die Gegner der WWU, daß keine wirklichen Beweise für einen Rückgang der Handelstätigkeit aufgrund von Wechselkursschwankungen vorlägen und daß Währungsrisiken abgesichert werden könnten.

Mit Blick auf die erste Frage läßt das empirische Beweismaterial in der Tat an Eindeutigkeit vermissen (vgl. Kasten 2). Für die zweite Frage ist das tatsächliche Geschehen auf den Devisenmärkten relevant. Professor Charles Goodhardt (1988) beschrieb sie anschaulich als einen "random walk with a dragging anchor" und machte im Rahmen seiner Untersuchung einer, wie er sagte, Reihe irritierender Anomalien die Feststellung, daß der Devisenterminkurs faktisch keine Informationen über künftige Kassakurse enthält.

Dagegen haben jüngere Untersuchungen weitere Vorteile stabiler Wechselkurse zutage gefördert. Aizenman (1993) legt dar, daß

... ein System mit festen Wechselkursen größeren Anreiz auf binnenwirtschaftliche Investitionen und ausländische Direktinvestitionen ausübt als ein System mit flexiblen Wechselkursen; diese Schlußfolgerung gilt für reale und monetäre Schocks.

Aizenman wies ferner darauf hin, daß

... die Kosten von Wechselkursschwankungen sich möglicherweise schwieriger aufspüren lassen als in der älteren Literatur angenommen. Einige dieser Kosten treten in Form einer übermäßigen Differenzierung der Kapazität durch ausländische Direktinvestitionen und nicht notwendigerweise durch einen Rückgang des internationalen Handelsvolumens auf.

Abschließend bestehen weitverbreitete und hartnäckige Zweifel daran, ob flexible Wechselkurse mit schrankenlosen Märkten vereinbar sind. Diese Zweifel wurden am nachdrücklichsten in Verbindung mit der Schaffung des europäischen Binnenmarktes geäußert. Insbesondere wurde befürchtet, daß die dem Binnenmarkt angehörenden Nicht-Euro-Länder sich einer "competitive devaluation", eines Abwertungswettlaufs, bedienen könnten (vgl. Boissieu und Coville, 1996). Ähnliche Befürchtungen bestehen mit Blick auf einen möglichen Aufwertungswettlauf (competitive revaluation). Bordes und Driscoll (1990) beschreiben beispielsweise, wie

... bei einem europaweiten Schock einzelne Länder die Auswirkungen der Inflation im eigenen Land durch ein Anheben der Zinssätze und damit des Wechselkurses (Preis der einheimischen Währung gegenüber ausländischen Währungseinheiten) abzuschwächen versuchen könnten. ... Die Bekämpfung der Inflation über die Wechselkurse kann zu Vergeltungsaktionen von seiten der Handelspartner und einer deflationären Spirale aufgrund konkurrierender Wechselkursbewertungen führen.

Alle Wechselkursveränderungen, merken Belke und Gros (1977) an, verlagern die Nachfrage von einem in das andere Land und haben somit immer einen "Beggar-thy-neighbour"-Effekt.

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Alternative Wechselkurssysteme: neuere Erkenntnisse

In den sechziger Jahren war die Welt von der Kapitalverkehrsfreiheit noch sehr weit entfernt. Devisenkontrollen waren die Regel. Sie boten den Regierungen einen zusätzlichen Schutz vor externen Schocks und erlaubten ihnen, über beträchtliche Zeiträume hinweg unter- oder überbewertete Devisenkurse aufrechtzuerhalten

Dies ist nicht länger der Fall. Viñals (1996) weist darauf hin, daß

... neuere Erkenntnisse die Zweckmäßigkeit des nominalen Wechselkurses als Instrument für makroökonomische Anpassung innerhalb der Europäischen Union fragwürdig erscheinen lassen in einer Welt des freien Kapitalverkehrs, in der die Devisenmärkte häufig spekulationsbedingten Krisen ausgesetzt sind, die den Wechselkurs über ausgedehnte Zeiträume hinweg von der Position entfernen, an der er sich den Grundvoraussetzungen nach befinden sollte.

Der Aufsatz von Mundell aus dem Jahr 1961 bildet den Hintergrund für die Debatte um die Zweckmäßigkeit fester oder flexibler Wechselkurse. Nicht nur das damals geltende System von Bretton Woods, sondern auch anschließende Vereinbarungen wie das Europäische Währungssystem wurden zwischen diesen beiden Möglichkeiten angesiedelt: die Wechselkurse waren "pegged", d. h. festgelegt, aber veränderbar.

Wie der ehemalige Wirtschaftsberater der britischen Premierministerin Thatcher, Prof. Alan Walters über den Wechselkursmechanismus des EWS anmerkte, können sich solche Systeme als "unausgegoren" erweisen. In Verbindung mit einer Verpflichtung der Zentralbank, zur Stützung der Kurse zu intervenieren, bedeuten sie für Währungsspekulanten eine "sichere Angelegenheit".

Theoretisch werden unbegrenzte Interventionen den Sieg über die Spekulanten davontragen. In der Praxis können große und über längere Zeiträume hinweg getätigte Interventionen selbst destabilisierend wirken, insbesondere durch die Erweiterung des Geldvolumens der Länder, deren Währungen für die Intervention genutzt wird. In der teilweise erbitterten Untersuchung der Ereignisse des "Schwarzen Mittwoch" im September 1992 trat der Unwillen der Bundesbank klar zutage, durch Interventionen zugunsten der offensichtlich überbewerteten Parität der italienischen Lira und des britischen Pfund interne Kaufkraft der D-Mark auf das Spiel zu setzen. (10)

Natürlich ist es ebenso üblich, die "Spekulation" für Währungskrisen verantwortlich zu machen, wie es für die Akteure auf den Devisenmärkten selbstverständlich ist festzustellen, daß, um es mit Milton Friedmans (1953) Worten zu sagen, Spekulation im allgemeinen eher stabilisierend als destabilisierend wirkt. Die Verwalter von Pensionskassen oder die Devisenabteilungen internationaler Unternehmen können mit gewisser Berechtigung darauf verweisen, daß sie lediglich ihre Arbeit verrichten und ihre Kunden und Aktionäre vor Risiken bewahren. Eine Trennung der Aktivitäten von "Spekulanten" von den Aktivitäten der Händler ist in der Tat völlig unmöglich - das weltweite Handelsvolumen der Devisenmärkte insgesamt liegt deutlich über 1 000 Mrd. US$ pro Tag.

Die zu Währungskrisen führenden Mechanismen wurden durch die jüngsten Ereignisse in Südostasien weiter verdeutlicht.

M. Wolf führt hierzu aus, daß

... wenn Regierungen über einen vertretbaren Zeitraum hinweg "pegged exchange rates", d. h. stabilisierte Wechselkurse, einrichten, einige Investoren ihnen schließlich trauen werden, andere hingegen nicht. Diejenigen, die ihnen vertrauen, blicken wahrscheinlich auf die Zinssätze im Ausland und vergleichen sie mit den oft wesentlich höheren Zinssätzen im Inland - und entschließen sich, Kredite in Devisen aufzunehmen und im Heimatland Darlehen zu gewähren. (11)

Scheitert das "pegging" dann, sind die Folgen katastrophal. Die inländischen Ausleihungen entsprechen den Devisenverbindlichkeiten des Kapitalaufnehmers nicht länger. Die Währung fällt und verstärkt damit die Spekulation gegen sie, und in der Privatwirtschaft häufen sich die Zahlungsunfähigkeiten.

Die aus der Asienkrise zu ziehende Schlußfolgerung lautet daher, daß der Wahl des Wechselkurssystems in der heutigen Welt Grenzen gesetzt sind.

Frei floatende Wechselkurse sind noch immer durchführbar. Dasselbe gilt für Währungsgremien, das andere Ende des Spektrums, die für die Deckung der Geldmenge eines Landes durch Devisen sorgen. Eine autonome Geldpolitik wird jedoch unmöglich.

Wechselkurssysteme mit "adjustable peg" oder Stufenflexiblität sind dagegen nur unter einer von zwei Bedingungen durchführbar: der Kapitalverkehr muß Kontrollen unterliegen, oder ein internationaler "lender of last resort" muß vorhanden sein.

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Außenwirtschaftliche Verwundbarkeit

Die herkömmliche Theorie der optimalen Währungsräume berücksichtigt eine weitere Überlegung nicht ausreichend: die durch die Zugehörigkeit zu einer relativ autarken Wirtschaft erwachsenden Vorteile. Tavlas (1997) schreibt, daß

... ene große und relativ geschlossene und diversifizierte Wirtschaft externe Schocks leichter absorbieren kann als kleinere, offenere und weniger diversifizierte Wirtschaften.

Ein Beispiel boten die verschiedenen Auswirkungen des Ölpreisschocks der siebziger Jahre. Tavlas führt aus, daß

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... der Ölpreisanstieg von 1978-79 Schätzungen zufolge die nationalen Einkommen (in Prozent des Bruttoinlandsprodukts) um 1,0 Prozent in den Vereinigten Staaten, 2,1 Prozent in Deutschland und 4,5 Prozent in Japan gesenkt hat. Der Ölpreisverfall von 1985-86 hat Schätzungen zufolge die nationalen Einkommen (in Prozent des Bruttoinlandsprodukts) um 0,3 Prozent in den Vereinigten Staaten, 2,4 Prozent in Deutschland und 2,5 Prozent Japan steigen lassen.

Er schlußfolgert, daß

... würden alle fünfzehn EU-Länder letzten Endes zum Währungsraum gehören, über 60 % ihres derzeitigen Außenhandels als Binnenhandel einzuordnen wären, und die WWU würde eine wesentlich geschlossenere Wirtschaft darstellen als jedes ihrer einzelnen Mitglieder für sich genommen.

Geht man davon aus, daß letztendlich tatsächlich alle fünfzehn EU-Mitgliedstaaten der EWU beitreten, würde der Anteil des im Handel erzielten Bruttoinlandsprodukts von etwa 30 % des Bruttoinlandsprodukts auf rund 10 % fallen. Gleichzeitig wäre die Wirtschaft der EU in hohem Maße diversifiziert und aus diesem Grund wesentlich weniger anfällig für Schocks in ausgewählten Sektoren. Sie wäre die größte Einzelwirtschaft der Welt, auf die etwa 30 % des weltweiten Output entfielen.

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Feste Wechselkurse oder eine einheitliche Währung?

Maes (1972) hebt hervor, daß Mundell in seiner Abhandlung von 1961 über optimale Währungsräume nicht immer völlig eindeutig zwischen einer einheitlichen Währung und einem System fixer Wechselkurse trennt. Mundells Definition eines optimalen Währungsraums war beispielsweise ein Gebiet, in dem die Wechselkurse fest sind. Erklären läßt sich dies Maes zufolge einerseits durch das Hauptinteresse Mundells, das den herkömmlichen makroökonomischen Zielen der Vollbeschäftigung, stabiler Preise und Außenwirtschaftsbilanz galt, sowie andererseits durch die in den sechziger Jahren geführte Kontroverse um freie gegenüber festen Wechselkursen.

Maes ermittelt eine Reihe von Vorteilen, die eine einheitliche Währung bietet, nicht aber feste Wechselkurse.

  • " Transaktionskosten: eine einheitliche Währung beseitigt die Kosten des Währungsumtauschs und des Hedging. Diese Einsparungen ... können sich auf 0,3 % bis 0,4 % des Bruttoinlandsprodukts der Europäischen Gemeinschaft belaufen (vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaft (1990)) ...;
  • Preistransparenz: da die Preise für Waren und Dienstleistungen in derselben Währung angegeben werden, würde dies die Integration von Waren- und Faktormärkten weiter stärken;
  • Glaubwürdigkeit: eine einheitliche Währung verleiht der Währungsunion von Anfang an Glaubwürdigkeit, da sie das Ausbrechen aus der Union sehr erschwert, wobei dies für langfristige Investitionsentscheidungen von grundlegender Bedeutung ist ...;
  • externe Vorteile: nur mit einer einheitlichen Währung kann eine Währungsunion zu einer Neugestaltung der Rolle der Währungen auf der internationalen Bühne führen."

Maes macht zudem die entscheidende Feststellung, daß, wie er sagt, die monetäre Integration Teil eines allgemeineren Integrationsprozesses ist. Diese Ansicht unterstreicht auch Pelagides (1996), der feststellt, daß

... Europas Bestreben, eine einheitliche Währung einzuführen, nicht nur unter rein wirtschaftlichen Aspekten gesehen werden kann.

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Konvergenz, Divergenz und Diversifikation

P. B. Kenens Abhandlung von 1969 betont den Stellenwert, der der Produktdiversifizierung als Kriterium für die Bestimmung eines optimalen Währungsraums zukommt. Er ist der Meinung, daß

... die Vielfalt des Produktsortiments einer Nation ... wichtiger sein kann als die Mobilität der Arbeitskräfte.

Je spezialisierter eine bestimmte Region ist, um so größer ist ihre Anfälligkeit für asymmetrische Schocks. Daher ist ein Gebiet mit hoher regionaler Spezialisierung als Einheitswährungsraum ungeeignet. Dagegen ist ein Gebiet mit einer großen Vielfalt an Produkten - und das möglicherweise infolgedessen in hohem Maße autark ist - sehr geeignet.

Auf den ersten Blick kollidiert diese Auffassung nicht mit Mundells und McKinnons Betonung von Faktormobilität und offenem Handel. Dies gilt jedoch unter der Voraussetzung, daß Freizügigkeit - insbesondere von Waren und Kapital - nicht zu einer höheren regionalen Spezialisierung führt. Führt die Freizügigkeit allerdings in der Tat zur einer höheren Spezialisierung, so liegt ein Paradox vor: die Faktormobilität - eine der Voraussetzungen für optimale Währungsräume - untergräbt eine der anderen Voraussetzungen: die Vielfalt. Für die EU bedeutet dies, daß der gemeinsame Markt möglicherweise eine einheitliche Währung erfordert, jedoch zur Zerstörung der Voraussetzungen führen könnte, die die EWU ermöglichen.

Pelagidis (1996) scheint überzeugt, daß genau dieser Fall eintreten wird, und stellt fest, daß

... obwohl der amtliche Standpunkt zu Europa ... die Fähigkeit der WWU nachdrücklich hervorhebt, die Produktionsstrukturen in ganz Europa zusammenzuführen, läßt die Wirtschaftstheorie keinen Zweifel daran, daß mit zunehmender Marktintegration auch die Produktspezialisierung steigt.

Als Beweis führt er den variierenden Anteil von Landwirtschaft, Industrie und Dienstleistung an der Gesamtbeschäftigung in den verschiedenen Mitgliedstaaten sowie die von Bayoumi und Eichengreen (1992) festgestellten ausgeprägten Unterschiede bei den Schocks an, die die Länder des sogenannten "Kerneuropa" und die "peripheren Staaten" betreffen - vgl. nächster Abschnitt.

In seiner Untersuchung der möglichen Auswirkungen der WWU auf die Arbeitsmärkte betrachtet auch Peters (1995) diese Fragen genauer. Er stellt fest, daß

... die Wirtschaftswelt normalerweise in zwei Meinungsrichtungen gespalten ist ... die `Konvergenz-Anhänger´ prognostizieren einen schrittweisen Rückgang der Disparitäten zwischen Teilgebieten, wohingegen die `Divergenz-Anhänger´ einen Anstieg erwarten.

Die Konvergenz-Anhänger stützen sich auf die normalen Mechanismen der klassischen Wirtschaftstheorie. Weichen die Lohnsätze oder die Kapitalrenditen zweier Regionen voneinander ab, werden sie letzten Endes durch den Handel und/oder durch die Migration von Arbeitskräften und den Kapitalverkehr angeglichen.

Die Divergenz-Anhänger dagegen modifizieren das klassische Modell durch die Einführung von Faktoren wie Skaleneffekte. Beispielsweise könnten durch Verdichtungsräume externe Vorteile entstehen, wie z. B. die Zusammenballung spezialisierter Zulieferer und hochqualifizierter Arbeitskräfte, Wissensübertragungen ("spill-overs") durch benachbarte Unternehmen, Kundennähe. Ferner, so Peters,

... tendieren Agglomerationen oder Wachstumspole dazu, sich selbst zu verstärken, und vergrößern damit die regionalen Disparitäten. (Peters, 1995)

Das empirische Beweismaterial legt nahe, daß dieser Mechanismus besonders auf die Hochtechnologiebranche zutrifft - z. B. das "Silicon valley" in Kalifornien und seine Miniäquivalente, zu denen beispielsweise das britische Cambridge zählt. Dies dürfte das Argument stützen, daß die regionale Spezialisierung zunehmen wird. In allgemeinerer Hinsicht wurde das Entstehen eines europäischen "goldenen Dreiecks", das sich von der Po-Ebene bis London erstreckt, früher als Beleg für die Divergenz-Theorie herangezogen.

Nichtsdestoweniger legen sowohl die Theorie als auch die praktische Erfahrung nahe, daß Agglomerationen mit negativen externen Effekten einhergehen. Hierzu zählen Überfüllung, Qualifikationsdefizite, steigende Arbeitskosten, hohe Beförderungskosten, Verschmutzung und eine allgemeine Umweltverschlechterung. Diese führen letzten Endes zu einer Verlangsamung des Wachstums der Agglomerationen. Weniger entwickelte Regionen dagegen verfügen auch über positive Anreize - für Hochtechnologiebranchen und für andere Industriezweige. Zu diesen zählen niedrige Grundstückspreise, Baugrundstücke auf der grünen Wiese, wettbewerbsfähige Arbeitskosten und ein angenehmes Arbeits- und Lebensumfeld. Ein naheliegendes modernes Beispiel ist die ehemals rein landwirtschaftlich orientierte Westküste Irlands. Die hier seit kurzem ansässige Computerindustrie widerspricht jeder Theorie permanenter regionaler Spezialisierung.

Ob nun Konvergenz- oder Divergenzfaktoren überwiegen, scheint in der Tat eine Frage der Ausbalancierung zu sein (vgl. Kasten 3: "Konvergenz oder Divergenz? Krugmans Analyse"). Die Einbeziehung einer Region in einen Binnenmarkt kann negative, positive oder neutrale Auswirkungen haben. Peters verweist auf einen "Schwelleneffekt", der

... voraussetzt, daß ein Mindestmaß ... an wirtschaftlicher Aktivität vorliegen muß, damit eine Region mit Entwicklungsrückstand wirtschaftlich aufholen kann. Erreicht die wirtschaftliche Aktivität diese Schwelle nie oder fällt sie unter diese Schwelle zurück, z. B. durch die Schließung eines großen Stahlwerks, wird die Region sich möglicherweise nie erholen ...

Andererseits stellt Peters fest, daß die Einführung des Binnenmarktes die von der Theorie prognostizierten Auswirkung bisher nicht aufzuweisen scheint, und schreibt, daß

... bezogen auf das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt die meisten der EU-Länder mit Entwicklungsrückstand beträchtlich aufholen konnten.

Schließlich läßt die Untersuchung der regionalen Arbeitslosigkeit von Obstfeld und Peri (1998) erkennen, daß im Verlauf der Zeit bei Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit innerhalb der EU-Mitgliedstaaten nur wenig Veränderung zu verzeichnen war.

Peters schlußfolgert, daß

... die internationale Handelstheorie und die Wirtschaftsgeographie Argumente bereitstellen, die sowohl die Konvergenz als auch die Divergenz zwischen Regionen erklären. Auch die empirischen Beobachtungen führen zu mehrdeutigen Ergebnissen ...

Die allgemeine Konzentration oder Streuung wirtschaftlicher Aktivität zwischen Regionen ist natürlich nicht mit dem Ausmaß der regionalen Spezialisierung identisch. Die Grundsätze der Arbeitsteilung und des relativen Vorteils könnten in der Tat auch implizieren, daß die Spezialisierung für Regionen "mit Entwicklungsrückstand" die beste Möglichkeit darstellt aufzuholen.

Das Beispiel der Hochtechnologiebranchen ist ein Hinweis darauf, daß die für die Konzentration geltende Ambiguität auch auf die Spezialisierung zutrifft und daß ausgewählte Industrien und Unternehmen gezwungen sind, dieselben Entscheidungen zu treffen wie die Industrie im allgemeinen.

In der Praxis werden solche Entscheidungen zudem selten ausschließlich aufgrund rein wirtschaftstheoretischer Überlegungen gefällt. Institutionelle Faktoren - und insbesondere das steuerpolitische Umfeld - können sich häufig als entscheidend erweisen. Ein Hinweis hierfür ist die jüngere Initiative der Kommission, "unfairen Steuerwettbewerb" innerhalb des Binnenmarktes einzuschränken, und die daraus resultierende Debatte über die Rolle des Steuersystems bei Entscheidungen zu Industriestandorten.

Die Statistiken zur Beschäftigungslage nach Wirtschaftszweigen zeigen, über bestimmte Zeiträume betrachtet, das Gegenteil der von Pelagidis (1996) aufgestellten Behauptung. Die Marktintegration - die über den gesamten Zeitraum des Binnenmarktprogramms von seiner ersten Veröffentlichung im Jahre 1985 bis zu seinem praktischen Inkrafttreten Mitte der neunziger Jahre hinweg erfolgte - scheint die Spezialisierung eher zu verringern als sie zu erhöhen.

Tabelle 1 beispielsweise enthält Zahlen zur Beschäftigung in der Landwirtschaft im Zeitraum 1986 - 1996. Sie zeigen nicht nur einen steten Rückgang des Prozentsatzes der im EU-Agrarsektor beschäftigten Arbeitskräfte, sondern auch eine stete Konvergenz der Prozentsätze in den verschiedenen Mitgliedstaaten, beurteilt nach der abnehmenden Standardabweichung.

Tabelle 2 zeigt die entsprechenden Zahlen für die Beschäftigungslage in der Industrie. In diesem Fall zeigt sich, beurteilt nach der niedrigen Standardabweichung, in der gesamten EU eine auffallend ähnliche Struktur, allerdings auch wenig Veränderung in diesem Zeitraum.

Tabelle 3 betrifft die Beschäftigung im Dienstleistungssektor. Hier zeigt sich dasselbe Muster wie bei der Agrikultur (obwohl die Beschäftigung eher stieg als fiel), d. h. eine stete Konvergenz der Prozentsätze der verschiedenen Mitgliedstaaten ist erkennbar.

Zusammen betrachtet zeigen diese Zahlen alle dasselbe Muster im Bereich der Beschäftigung, nämlich eine Verlagerung von der Landwirtschaft zur Industrie, begleitet von einer Verlagerung von der Industrie zu den Dienstleistungen. Unter Berücksichtigung des grundlegenden und recht plötzlichen Wechsels von der Industrie zur Dienstleistung in den frühen neunziger Jahren in Luxemburg, ergibt sich wieder eher ein Bild der Konvergenz als der Divergenz, wobei sich eine recht ausgeprägte Verlagerung auf die Dienstleistungen in denjenigen Ländern zeigt - beispielsweise Deutschland, Griechenland, Portugal und Spanien - bei denen dieser Sektor zu Beginn des Untersuchungszeitraums von vergleichsweise geringer Bedeutung war.

Diese Untersuchung stützt sich jedoch lediglich auf die drei breit gefaßten Kategorien Landwirtschaft, Industrie und Dienstleistungen, die Pelagidis verwendet hat. Eine detailliertere Aufschlüsselung nach Sektoren könnte bestimmte Gegentendenzen in Richtung Spezialisierung zutage fördern. Das allgemeine Ergebnis ist nichtsdestoweniger nützlich, da es aufzeigt, daß der Binnenmarkt bisher kein unüberwindbares Hindernis für die WWU nach Art der Prognosen von Kenen schafft.

Tabelle 1: Anteil der Beschäftigung im Agrarsektor in Prozent (EU-12)

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19863.26.05.028.516.27.616.110.53.85.121.52.28.3
19912.65.43.220.710.45.613.78.33.24.517.32.26.2
19962.73.92.920.38.64.811.26.72.63.812.22.05.5

Tabelle 2: Anteil der Beschäftigung in der Industrie in Prozent (EU-12)

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198632.028.740.326.231.831.329.733.230.026.833.934.03.8
199127.926.038.627.232.328.828.631.530.125.233.227.93.7
199627.626.435.322.929.426.527.332.222.923.231.327.43.8

Tabelle 3: Anteil der Beschäftigung im Dienstleistungssektor in Prozent (EU-12)

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198664.865.354.745.352.061.154.256.466.268.144.563.88.1
199169.568.658.252.257.365.657.360.166.770.249.469.97.3
199669.669.761.856.862.068.661.461.174.473.156.570.66.2

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Optimalität und Tragfähigkeit

Obwohl Maes´ Anmerkung zur Faszination der Wirtschaftswissenschaftler mit dem Wort "optimal" ironisch gewesen sein mag, ist die Feststellung doch wichtig. Cesarano (1985 und 1992) betonen, daß

... ein Währungsraum, auch wenn er nicht optimal ist, dennoch tragfähig sein kann.

Mundells Fachaufsatz von 1961 beschäftigte sich in der Tat weniger mit der Frage, ob bestimmte Währungsräume (in diesem Fall die Vereinigten Staaten und Kanada) optimal sind, als mit der Überlegung, ob eine Alternative vorzuziehen sei. Obstfeld (1985) akzeptierte Mundells Prämisse, wonach der ideale Währungsraum die Welt ist, und vertrat die Ansicht, daß die Theorie der optimalen Währungsräume eher als "zweitbestes" konzeptionelles System zu betrachten sei. Obstfeld führt aus, daß

... in einer Welt ohne makroökonomische Stabilisierungsprobleme oder Anpassungskosten der Informationsvorteil fester Wechselkurse ... ein entscheidendes Argument gegen das Floating wäre.

Die Erfahrungen der Wirtschaft der Vereinigten Staaten in den frühen achtziger Jahren hatte Obstfeld zufolge auch einen gewichtigen Schwachpunkt der Anwendung des Konzepts optimaler Währungsräume auf tatsächliche Währungsräume aufgezeigt. Der Anstieg des Wertes des US-Dollars im internationalen Handel hatte, so Obstfeld, zu einer ungleichmäßigen Verteilung der Nachfrage in den Sektoren der US-Wirtschaft geführt und der Landwirtschaft und einigen verarbeitenden Industrien Schaden zugefügt. Die Schocks wirkten sich in Sektoren unterschiedlich aus, zwischen denen die Produktivfaktoren zumindest zeitweise unbeweglich waren. Bedeutete dies, daß die Vereinigten Staaten sich nicht als optimaler Währungsraum qualifizierten?

Andere Studien kamen zu ähnlich ungewissen Schlußfolgerungen betreffend die WWU. Obwohl einige von ihnen (z. B. von Currie, Levine und Pearlman, 1996) feststellten, daß der Euro-Währungsraum mit Blick auf asymmetrische Schocks im Vergleich zu alternativen nichtteilnehmenden Währungssystemen wahrscheinlich schlechte Leistungen zeigen werde, schlußfolgerten andere (beispielsweise Melitz 1995), daß die Frage der asymmetrischen Schocks insgesamt eine "übertriebene Rolle" spiele.

In einer vergleichenden Studie über Schocks betreffend die Versorgungslage in Deutschland und in Europa verweist Funke (1996) auf das Problem, die tatsächlich aufgetretenen Schocks zu ermitteln. Mit Blick auf den Fachaufsatz von Melitz merkt er an, daß die Hypothese von symmetrischen gegenüber asymmetrischen Schocks nicht sehr operationell sei und sich nicht ohne weiteres überprüfen lasse (Funke, Fußnote Nr. 2).

Um Cesaranos Worte aufzugreifen, lautet die zentrale Frage mit Blick auf diese Studie deshalb weniger, ob die EU ein optimaler Währungsraum ist, sondern ob sie ein tragfähiger Währungsraum ist.

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NOTES


10. Eine Untersuchung dieser Ereignisse kann dem Bericht des Ausschusses der Präsidenten der Zentralbanken für 1992 entnommen werden (April 1993), dem Vorläufer des Europäischen Währungsinstituts und der Europäischen Zentralbank. Vgl. außerdem den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Währung und Industriepolitik des Europäischen Parlaments (PE 205.217, 1993).

11. Wolf, M., Financial Times, 19. August 1998.


© Europäisches Parlament: September 1998