Peter Pokorny, Präsident der Detektive

Ist Privatdetektiv Peter Pokorny ein Meister der Maskerade? Und was kann er, was die Polizei nicht kann?

Thomas Askan Vierich
Crowd, FALTERs BEST OF VIENNA 2/2022, 03.02.2023

Peter Pokorny ist nicht nur Wiens Oberdetektiv und Krimiautor, sondern auch einer der Helden der ATV-Reality-Serie „Betrogen – Detektive im Einsatz“ (Foto: Thomas Askan Vierich)

Wie Philip Marlowe, die durch Humphrey Bogart verkörperte Romanfigur von Raymond Chandler, sieht er nicht aus. Eher wie Josef Matula aus der ZDF-Krimiserie „Ein Fall für zwei“. Peter Pokorny, staatlich geprüfter Detektiv, empfängt in seinem Büro in der Wallnerstraße, der „Detektei Helios“. 1889 gegründet, ist sie die älteste Österreichs, womöglich sogar Europas. Kronleuchter an der Decke, alte Landschaftsmalereien an den Wänden. So hätte es bei Philip Marlowe nicht ausgesehen. Bei Matula auch nicht.

Unser Gespräch beginnt mit Kriminalromanen, Pokorny hat einen geschrieben. Ist noch nicht erschienen, aber bald. Schon im Umlauf ist ein Buch von ihm über die letzte Wiener Unterweltgröße Richard Steiner.

„Ist der Krimi realistisch?“ – „Natürlich“, sagt Pokorny. „Die Hauptfigur ist ein Berufsdetektiv. Es geht darin um Dinge, die mir tatsächlich passiert sind. Natürlich muss man hier und da etwas dazu dichten.“

Er vermeide Klischees wie den einsamen Schnüffler, der bei der Polizei rausgeflogen ist und gelegentlich einen über den Durst trinkt. Auch komme es nur selten zu körperlichen Auseinandersetzungen.

Die altehrwürdigen Räumlichkeiten der Traditionsdetektei Helios haben irritierend wenig mit den allgemeinen Vorstellungen eines Detektivbüros zu tun (Foto: Thomas Askan Vierich)

In seinem Detektivalltag arbeite er eng mit dem Landeskriminalamt zusammen. Ihm stehen nämlich Möglichkeiten offen, die der Kriminalpolizei verwehrt sind, etwa bei Zivilprozessen, Betriebskriminalität, Krankenstandbetrug, Unterschlagungen, Scheidungsfällen, Unterhaltszahlungen, Gutachtenprüfungen und der Personenauffindung, vor allem von vermissten Minderjährigen. Bei ihm gehe es oft um zivilrechtliche Angelegenheiten. Dafür ist die Polizei in den meisten Fällen nicht zuständig.

Sein Vorgehen sei anders als das der Polizei, etwa bei Vermisstenfällen: „Die Polizei schreibt zuerst eine Fahndung aus. Wir versuchen zuerst, die Motivlage zu klären: Drogenmissbrauch, Anzeichen für Suizidgefahr? Dazu dringen wir ins Drogenmilieu ein oder klappern die bekannten Plätze für Selbstmörder ab.“ Pokorny war nicht bei der Bundespolizei, sondern bei der „Militärstreife“, der heutigen „Militärpolizei“. Seine Waffe trägt er nicht ohne Stolz.

Ausbildung ist wichtig. Etwa an der Europäischen Detektivakademie in Wien, wo auch Pokorny unterrichtet. Oder man hat eine Polizeiausbildung. „Observationen durchführen kann bald einer, doch einen Akt zu verfassen ist schon etwas anderes. 

Unser Job ist ja, beweiskräftiges Material sicherzustellen, das auch vor Gericht standhält. Wir arbeiten justizorientiert. Es geht also nicht um die Befriedigung von Neugier. Das könnte sich kaum einer leisten.“ Denn ein Auftrag für seine Detektei kann schnell mehrere Tausend Euro kosten.

Nach seiner Militärzeit wurde er Detektiv, weil er mitansehen musste, wie die Scheidung seiner Eltern verlief und beide sehr viel Geld verloren. „Das feuerte mein Gefühl für Gerechtigkeit an!“ Sein Jurastudium hat er abgebrochen, heute studiert er nebenbei Soziologie. „Ich wollte nie im Gerichtssaal sitzen, sondern draußen auf der Straße arbeiten.“ Heute sitzt er mehr und mehr vor dem Computer, weil dies auch die Verbrecher tun. Kollege Marlowe wäre wohl bestürzt. Andererseits hockte der stundenlang im Auto, um zu beobachten. Auch Pokorny bleibt dies nicht erspart. „Man kann keine Detektei mit drei Mitarbeitern nur vom Büro aus leiten.“ Blonde Sekretärin? „Niemand hat heute noch eine Sekretärin. Damit war es nach den 1970er-Jahren vorbei. Briefe und Akten schreiben wir selbst. Das geht auch schneller.“

In der Detektei von heute ersetzt der schmusige Bürohund die dralle Sekretärin, die es ohnehin nur im Film gab (Foto: Privat)

Freude im Job? „Wenn wir einen Täter überführen oder eine außergerichtliche Lösung mit entsprechender Wiedergutmachung aushandeln können.“ Das ist seine Spezialität. 

Anders als die Polizei kann er Deals aushandeln, damit es erst gar nicht zu einer Gerichtsverhandlung kommt. Damit beeindruckt er auch Bösewichte. Außerdem ermittelt er unter falscher Identität und verdeckt. Dafür hat er eine Asservatenkammer voller Kleidungsstücke und zeigt mir „gefälschte“ Ausweise verschiedener Handwerker. Mit diesen verschafft er sich Zutritt. Das darf die Polizei nicht. Legal? Pokorny zuckt mit den Achseln. 

Was nervt ihn? „Klugscheißende Rechtsanwälte“ und Klient*innen, die sich zu sehr einmischen, ständig anrufen. „Da kann es schon passieren, dass ich einen Auftrag aufkündige.“ 

Wenn sich sein Job bis ins Ausland erstreckt, arbeitet er mit Kollegen dort vor Ort zusammen. Dafür gibt es die „Interdet“, eine Art „Interpol“ für Privatdetektiv*innen. Ihr Präsident heißt momentan Peter Pokorny.

„Emotionen haben in meinem Gewerbe nichts verloren“, sagt er. Er blendet sie aus, versucht es zumindest. Ihm tue weder ein Täter oder eine Täterin leid, noch empfinde er Gefühle für seine Auftraggeber*innen. „Natürlich gibt es auch nachvollziehbare Motive für eine Tat, aber das geht uns nichts an. Wir sammeln nur Beweise. Recht spricht das Gericht.“

Richtig schnüffeln will gelernt sein. Etwa an der Europäischen Detektivakademie, an der auch Pokorny unterrichtet (Foto: Thomas Askan Vierich)

Anti-Schnüffler

Die üblichen Detektivklischees vom einsamen, raubeinigen Schnüffler mit Fahne und in Maskerade kosten Peter Pokorny, Jahrgang 1967, nur ein mildes Lächeln. Der Wiener Berufsdetektiv ist Inhaber der ältesten Detektei des Landes, Helios, und geht bei seiner Arbeit – anders als im Krimi – sachlich und „justizorientiert“ vor. Eine üppig bestückte Asservatenkammer für die perfekte Maskerade hat er trotzdem

www.detektei-helios.at

Peter Pokornys Tipps für "Wien Undercover" finden Sie hier.

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