Dschungelcamp Tag 15: Aufreizend zur Schau gestellte Schnarchnasigkeit

Halbfinale! Vier Gestalten, zwei Männer und zwei Frauen, sind noch im Camp geblieben und könnten nun doch wahrhaftig die Gelegenheit nutzen, mal ein bisschen was Sinnvolles zu tun. Die „Wahlverwandtschaften“ einstudieren beispielsweise, Matten aus Farnwedeln für arme blinde Waisenkinder klöppeln, für den Abschluss auf der Klippschule das Alphabet memorieren und die Zahlen von Eins bis Zehn, den Wald fegen (wie Thorsten Legat Menderes in der Tat vorschlägt)… Und was passiert heute, so kurz vor dem Finale? Also zu einem Zeitpunkt, zu dem doch allerallerspätestens jeder Bewohner stark verhaltensauffällig werden müsste, um nicht auf dem undankbaren vierten Platz zu landen? Heute – passiert dann halt mal nichts. Nicht einmal nichts von Bedeutung, sondern einfach nur nichts. So gut wie nichts. Gar nichts. Rien ne va plus. Es ist und bleibt heute sooo laaangweilig. Die Minuten vor dem Fernseher dehnen sich, lösen sich in die Vorstellung glibbrigen Urwaldschleims auf, surrealistische Bilder mit zerfließenden Uhren tauchen vor dem inneren Auge auf. Wann hat diese Qual ein Ende? Aha, Morgen. Aber warum nicht heute schon? Warum nicht sofort? Kurz vor knapp scheinen sich alle alles, sogar den Atem für das übliche sinnbefreite und hirnlose Hin- und Her- und Rundherumdiskutieren zu sparen. Bis auf Helena Fürst, die aber auch nur die gleichen Worthülsen wieder aus der Backentasche holt und der ansonsten immerzu schlecht ist. Jegliche Spannung bleibt vermutlich für das absolute Knaller- und Hammerfinale reserviert. Ich bin zwar kein Star, will aber trotzdem hier raus. Dienst nach Vorschrift Ein ebenso liebenswerter wie scharfsinniger Kollege hat einmal in einer Diskussion die Worte geprägt: „Dieser Film hat keinen Anfang und kein Ende, er dauert nur.“ Ja, genau das ist es. Zum Abschluss dieser Dschungelcamp-Staffel zelebriert RTL die Dauer, wobei zelebrieren auch wieder nicht die richtige Bezeichnung ist. Die heutige Sendung wirkt eher, als hätten die Leute vom Schnitt sich eben mal auf Französisch verabschiedet und die Kameraleute beschlossen, nur noch Dienst nach Vorschrift zu machen. Allein der scheidende Optimismus-Künstler Jürgen Milski findet noch Bruchstücke von Pathos hier und da, neu sind die aber auch nicht: „Das Wichtigste im Leben ist die Freiheit“, strahlt er. Jetzt fällt es von ihm ab „das Gefangensein“. Nein, er wurde nicht soeben aus der Bastille befreit, sondern lässt sich gerade in ein hübsches Restaurant chauffieren, um Steak mit Caesar's Salad zu verspeisen. Fünf verschiedene Milkshakes stehen vor ihm. Die Qual der Wahl. Wenn das keine Freiheit ist. Die vier Gefangenen aber kommen immer noch nicht darauf, die „Wahlverwandtschaften“ zu inszenieren oder wenigstens jenen unsterblichen Chor aus „Nabucco“ nachzusingen, um sich und uns die Zeit zu vertreiben, sie müssen zur Dschungelprüfung antreten. Erstens nimmt die irgendwie keiner mehr so richtig ernst – das bisschen Hungern bis zum nächsten, dem letzten Tag – und zweitens wird das einschläfernde Gerudere über einen hartnäckig als „See“ bezeichneten Tümpel anscheinend in Echtzeit übertragen. Antreten dürfen mal wieder Helena Fürst und dazu Sophia Wollersheim, die vorher spekuliert, ob man wohl „harmonieren“ werde – aber da habe ich schon „hormonieren“ gehört. Wahrscheinlich kommt solch akustische Fehlleistung deswegen zu Stande, weil man selbst zur Puppenlustigkeit förmlich gezwungen wird, wenn andere ihre Schnarchnasigkeit so aufreizend zur Schau stellen. Lustlosigkeitspartie in voller Länge Nun geht es endlich los bei den Damen – oder auch nicht. „Du hast mich geschubst“, beklagt sich Helena Fürst mehrfach, mault und brummelt vor sich hin und verweigert beim Stehend-Paddeln ganz augenscheinlich jede Leistung. Selbst das Vom-Bord-in-die-trübe-Brühe-eines-Tümpels-Rutschen gelingt ihr nur noch halbtheatralisch, gleich darauf simuliert sie halbherzig eine Panikattacke. In der Prüfung, so hat Dr. Bob erklärt, gehe es um Kommunikation. Ist ihr doch egal. Genug des Streits. Überhaupt: Genug. Die andere Dame „seh´ ich eh´nie wieder im Leben. Privat oder auch beruflich.“ Das mag bis auf das obligatorische Zusammentreffen im „Promi-Dinner“ zwar zutreffen, kommt aber kompletter Arbeitsverweigerung gleich, ist mithin ein Grund für die fristlose Kündigung – die sie am Ende auch bekommt. Null Sterne sind das Ergebnis der in extenso ausgestrahlten Lustlosigkeitspartie, danach ist Frau Fürst erst recht schlecht und sie kann sich auch keine „Geheimcodes“ (schlichte Buchstaben- und Zahlenkombinationen) mehr merken. Weshalb dann auch noch die Schatzsuche ergebnislos bleibt. Tee und Kaffee hätte es gegeben, und den hätte man den verbliebenen komatösen Insassen am besten per Spritze direkt verabreicht. Auch die Herren der Schöpfung sehen keinen Anlass, sich allzu viel zu bewegen oder gar allzu viel zu sprechen. Thorsten Legat chillt auf seiner Liege herum und macht dann und wann ein putziges Gesicht, während Menderes fast unsichtbar wie ein Heinzelmännchen fein alles spült und wäscht. Das dauert und dauert, kein Anfang und kein Ende. Ach doch, morgen kommt ja das Ende. Und dann ist es wieder vorbei, das Dschungelcamp. Irgendwann wird es wieder anfangen und wieder aufhören. Und so weiter, wie ein Perpetuum Mobile. Was könnte man nicht alles mit der schönen Zeit anfangen!