Verteidigung der Demokratie :
Nicht erst im Regierungsviertel

Berthold Kohler
Ein Kommentar von Berthold Kohler
Lesezeit: 2 Min.
Vor dem Reichstag
Verbarrikadieren ist keine Lösung. Die parlamentarische Demokratie muss früher verteidigt werden. Auch schon am digitalen Stammtisch und auf der Straße.

Einer Handvoll Polizisten ist es zu verdanken, dass „Reichsbürger“ und andere Verächter der Demokratie am Samstag nicht das Reichstagsgebäude besetzen konnten, sondern nur die Treppe, die hineinführt. Auch wenn der „Angriff auf das Herz unserer Demokratie“ (Bundespräsident Steinmeier) misslang, musste er jeden empören, der weiß, wie dieser Bau vom Keller bis zur Kuppel vom Ringen der Deutschen um Einigkeit und Recht und Freiheit kündet. Der Ort, an dem der Deutsche Bundestag tagt, müsste, wie dessen Präsident Schäuble sagte, sakrosankt sein. Doch die Verachtung für und der Hass auf das demokratische Staatswesen, die sich im Internet schon lange austoben, kennen auch diese Grenze nicht mehr.

Szenen wie am Wochenende am Reichstag dürfen sich nicht wiederholen. Er ist nicht nur eine Halle, in der die Bundestagsabgeordneten tagen, sondern auch ein Symbol für eine parlamentarische Demokratie, die aus der Geschichte gelernt hat. Diese Demokratie will eine wehrhafte sein. Sie muss daher zeigen, dass sie jederzeit ihre Institutionen und deren Würde zu verteidigen weiß – auch gegen Horden, die skrupelloser vorgehen als die angeblich von einer Heilpraktikerin angeführte Truppe vom Samstag. Das wird nicht ohne mehr Polizei und eine angepasste Einsatztaktik gehen. Auch eine Bannmeile, über deren Wiedereinführung nun diskutiert wird, sichert sich nicht von selbst.

Verbarrikadieren sollte sich das deutsche Parlament aber nicht. Diesen Triumph dürfte man den Feinden der freiheitlichen Demokratie nicht gönnen. Das politische System muss früher verteidigt werden, nicht erst an den Grenzen des Regierungsviertels. Das ist nicht nur eine Aufgabe der Polizei. Die große Mehrheit der Deutschen, die ihren Staat zu schätzen weiß, ist nicht zum Schweigen verpflichtet, weder am (digitalen) Stammtisch noch auf der Straße. Die Minderheit, die gegen die Corona-Politik demonstriert, darf selbstredend ebenfalls weiter ihre Meinung äußern. Sie kann aber nicht mehr behaupten, sie wüsste nicht, wer in ihren Reihen mitmarschiert – und mit welchem Ziel.