Kunst am Haus :
Es muss nicht immer ein Heiliger sein

Von Veronika Eckl
Lesezeit: 8 Min.
Szene vom Bozner Markt am Haus „beim Gschoaga“ in Mittenwald.
Hier rollt gleich ein Kopf, dort hält man am Seil zusammen: Auf den Spuren der Lüftlmaler in Mittenwald und Oberammergau.

Ein unfreundlicher Frühlingswind bläst durch Mittenwald, im ältesten Ortsteil Gries ducken sich kleine Häuser unter den Bergen zusammen, ihre farbigen Fassaden leuchten in der Sonne. Der heilige Korbinian sitzt unter altem Balkenwerk auf gelbem Untergrund, zeigt, von den Temperaturen unbeeindruckt, seine entblößten, muskulösen Unterarme und scheint ins Licht zu blinzeln. Er ist in bester Gesellschaft. In dem Marktflecken zu Füßen des Karwendels hocken die Heiligen auf den Hauswänden wie andernorts die Amseln auf den Dächern: Da der heilige Nepomuk, Schutzpatron der Flößer, die Isar ist ja nicht weit. Dort der heilige Franziskus, umgeben von Mittenwalder Schafen. Der heilige Josef auf der Fassade des Cafés Kaffeemühle gibt den verliebten Bräutigam und verdreht verzückt die Augen, die Muttergottes über ihm rammt derweil mit ebenso freundlichem wie entschlossenem Gesichtsausdruck einen Speer in den Kopf der Schlange zu ihren Füßen. Eine Mittenwalder Bürgerin, die im Garten Nacktschnecken erlegt, dürfte ihr nicht unähnlich sein. Und genau darum geht es: Die Gestalten, die von Lüftl­malern hier über Jahrhunderte hinweg an die Hausfassaden gebannt wurden, wirken offensichtlich stark und vorbildlich genug, dass man sie als Fürsprecher beim Herrgott haben möchte – und doch sind sie nah am gewöhnlichen Menschen mit seinen Sorgen und Nöten.

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