Museum Angewandte Kunst Frankfurt: Schau zu Waffen

Wenn es so einfach wäre. Einen Knoten in die Pistole machen, und das Ende der Gewalt ist besiegelt. Natürlich wusste auch ein Künstler wie der Schwede Carl Fredrik Reuterswärd, dessen monumentale Skulptur eines Revolvers mit verknotetem Lauf vor dem Gebäude der Vereinten Nationen steht, dass es keinen Ewigen Frieden geben wird. Aber er hat eine Haltung gezeigt, die seit dem Ende der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts weit verbreitet ist: Der Künstler als Pazifist entlarvt das Waffengehabe und Säbelrasseln überall auf der Welt als lächerlich und weiß sich moralisch auf der sicheren Seite. Zerstörung den Zerstörern. Schwerter zu Pfugscharen. Und die Kunst als Speerspitze der Gewaltfreiheit. Reuterswärds kaputte Knarren finden sich in vielen Städten auf Plätzen und in Museen, eine Antikriegs- und Antigewaltkunst, mit der sich nach wie vor viele identifizieren. Eine starke Aussage. Ein zustimmungsfähiges Projekt. Es erinnert an eine Waffenmesse Anders sieht es mit der Kunst aus, die jetzt im Frankfurter Museum Angewandte Kunst in der Ausstellung „Unter Waffen“ zu erleben ist. Als pazifistisches Statement lässt sich keines der dort gezeigten Werke auffassen. Statt einer klaren Moral Ausdruck zu verleihen, sprechen sie unterschiedliche Gefühle an und verursachen eher Unbehagen, als dass sie zu deutlichen Stellungnahmen motivieren. Das gilt umso mehr für die Objekte aus Kunsthandwerk und Design, aus Mode und Lifestyle-Industrie, die im zweiten Stock des Richard-Meier-Baus neben den Äußerungen der freien Kunst zu sehen sind. Hier sind wir auf einem ästhetischen Terrain, auf dem die Ethik ins Rutschen und Taumeln gerät. Die Präsentation ist die Erweiterung und Fortsetzung einer Ausstellung, die in den Berliner Kunst-Werken stattgefunden hat. In Frankfurt spielen im Unterschied zu dort Gebrauchsobjekte eine entscheidende Rolle. Die Ausstellungsarchitektur erinnert an eine Waffenmesse. Und die Ambivalenzen und Irritationen sind hier gewiss deutlicher zu spüren. Das Töten als ultimativer Akt der Selbstbehauptung Dies ist das Leitmotiv, das diese Schau durchzieht: Die Faszination, der viele erliegen, wenn es um Waffen geht, hat etwas mit einem gesteigerten Selbstwertgefühl zu tun. Oder vielmehr dem Wunsch danach. Die edelste Waffe, das herrlichste Schwert, sie waren einstmals Prinzen und Rittern vorbehalten. In hehrer Waffen Zier trotzten sie den Feinden, den menschlichen wie den dämonischen. Ihre reich geschmückten, aus bestem Stahl geschmiedeten, oft mit einem Zauber belegten Waffen zeichneten sie aus. Die Legenden sind voll davon. Dass einem eine Waffe bestimmt ist, mit der man siegreich durchs Leben geht, gehört zu den wiederkehrenden Mythen. Waffen bauen das Selbstbewusstsein auf. Das wurde in der Moderne zu einem Massenphänomen. Ein Gewehr macht seinen Träger scheinbar unangreifbar. Seine Souveränität steht nicht zur Debatte. Er ist zum Äußersten bereit, wenn es darauf ankommt. Das Töten ist der ultimative Akt der Selbstbehauptung. Aber es genügt schon die bloße Möglichkeit, eine Waffe einzusetzen, um ihren Träger mit einem Gefühl der Macht auszustatten. Auch die Lust am Skurrilen bedient die Schau In der Ausstellung sind es vor allem die großformatigen Fotografien von Rami Maymon, die Individuen im Zustand der Selbststeigerung zeigen, junge israelische Soldatinnen und Soldaten, die in ihren lässigen Uniformen von keinen Zweifeln angekränkelt scheinen. Ohnehin sehen sie schon verdammt gut aus, das Militärische aber scheint ihre natürliche Grazie noch einmal zu potenzieren. Im Unterschied zu diesen Armeeangehörigen, die zur Waffe greifen müssen, wenn sie den Befehl dazu bekommen, setzen Waffenfetischisten, die etwa Feuerwaffen sammeln, in der Regel ihre Geräte nicht ein. Sie könnten schließlich Schaden nehmen. Aber sie dienen ebenso zur Selbstbehauptung des Subjekts wie die Designobjekte mit Waffenoptik. Es geht um Abgrenzung des Ich, um eine Warnung an andere, einem zu nahe zu treten, um den gar nicht dezenten Hinweis auf die eigene Wildheit und Gefährlichkeit. Oder schlicht um ein Spiel mit Gefahr und Schmerz wie bei einem Messerhalter in Menschenform oder einem Kaffeeservice mit vermeintlichen Blutspuren. Weniger einer Freude am Schrecken als der Lust am Skurrilen entspringen Dinge wie Handgranaten als Christbaumschmuck oder Sexspielzeug. Oder auch das Smartphone mit der Schlagring-Hülle: Das universelle Kommunikationsmittel der Gegenwart, gepaart mit einem brachialen Kommunikationsverweigerungs-Instrument, zählt zu den schwarzhumorigen Scherzgegenständen, von denen unsere Umwelt heute voll ist. Ökologisch korrekte Minen So ist es ein breites Spektrum, was die im Museum am Sachsenhäuser Schaumainkai versammelten Objekte abdecken. Von der Schockkunst bis zum harmlosen Gadget findet sich hier alles. Eines freilich eint die vorgestellten Arbeiten: Sie betreiben die Entwaffnung. Denn die hier präsentierten Waffen sind sie nicht geeignet, benutzt zu werden, Schaden anzurichten, Menschen zu töten. Sie sind in ästhetische Zusammenhänge gerückt, ein Gewehr als Lampe tut keinem mehr weh außer dem guten Geschmack. Das gilt auch für die Kunstinstallationen im strengen Sinn. Etwa für Kris Martins Haufen goldglänzender Granathülsen, die eine erschreckende Schönheit entfalten, dienten sie doch ursprünglich einem Werk der Vernichtung. Die Antipersonenminen von Ives Maes sind dagegen reine Kunstprodukte. Und dazu noch ökologisch korrekte. Die Nachbildungen der geächteten Waffe bestehen nämlich aus biologisch abbaubaren Materialien und erfüllen somit alle Forderungen besorgter Bürger, denen an ihrer Umwelt gelegen ist. Ein ironischer Kommentar zu den Prioritäten in westlichen Gesellschaften. Rabih Mroués „Double Shooting“ dagegen ist eines jener Werke, die, wie es Bruce Nauman einmal von guter Kunst forderte, einem wie mit einem Baseballschläger in den Nacken treffen: Die Bilderreihe mit einem feuernden Heckenschützen in Syrien, der offenbar auf den Fotografen schießt und ihn tötet, bildet einen entschiedenen Kontrast zu der mehr oder weniger subtilen Ästhetik des Schreckens, die sonst in dieser Schau zelebriert wird. In dieser Arbeit wird der Horror des Waffengebrauchs ungeschminkt und in aller Brutalität zum Thema. Das Grauen schlechthin. Das ist nun doch wieder eine Kunst, mit der sich ein moralischer Appell verbindet: Kriege und Gewalt zu bekämpfen.