Tennis und Politik :
Aryna Sabalenka und die bohrenden Fragen

Von Thomas Klemm, Paris
Lesezeit: 3 Min.
Bitte nur über Tennis sprechen: Aryna Sabalenka
Die Belarussin Aryna Sabalenka entzieht sich bei den French Open den Fragen zum russischen Krieg in der Ukraine und ihrer Haltung zu Machthaber Lukaschenko. Sie wolle ihre „mentale Gesundheit“ schützen.

Aryna Sabalenka kam, siegte und schwieg. Bitte nicht noch eine Pressekonferenz! Bloß keine weiteren Fragen zum Krieg gegen die Ukraine! Bitte nur ein kleines Interview mit einem ausgewählten Kreis darüber, wie ihr Drittrundenmatch bei den French Open gegen die Russin Kamilla Rachimowa sportlich so lief!

Die Journalistenrunde zwei Tage zuvor, in der sie zu ihrer Haltung zum russischen Angriffskrieg und zu ihrer eigene Nähe zum belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko hatte Stellung beziehen sollen, hätte ihr arg zugesetzt, sagte die laut Weltrangliste zweitbeste Tennisspielerin am Freitag. Sie habe sich „nicht sicher gefühlt“: „Für meine eigene mentale Gesundheit und mein Wohlbefinden habe ich entschieden, mich heute aus dieser Situation herauszuziehen“, wird die Belarussin in der schriftlichen Aufzeichnung vom Freitag zitiert, zu der alle Journalisten im Nachhinein Zugang hatten.

Die Veranstalter des Pariser Grand-Slam-Turniers hätten sie bei ihrer Entscheidung unterstützt, betonte Sabalenka. Dies wurde von Vertretern des französischen Tennisverbandes, der die French Open ausrichtet, bestätigt. Zugleich ließen sie im Unklaren, ob es weiteren Pressekonferenzen mit Sabalenka geben werde. Zum Beispiel nach dem Achtelfinale gegen die Amerikanerin Sloane Stephens an diesem Sonntag.

„Jeder sollte sich gut fühlen bei dem, was er tut“

Ähnliches hatten die French Open vor zwei Jahren schon einmal erlebt. Damals hatte die Japanerin Naomi Osaka schon vor ihrem ersten Match verkündet, sich nicht den Medienvertretern stellen zu wollen. Auch sie hatte dies mit dem Schutz ihrer mentalen Gesundheit begründet. Vor der zweiten Runde zog sich Osaka nach einigem Hickhack mit Turnierorganisatoren ganz aus Roland Garros zurück und musste eine Geldstrafe von 15.000 Dollar (umgerechnet etwa 14.000 Euro) bezahlen.

Aryna Sabalenka: Was in ihr vorgeht, kann niemand beurteilen.
Aryna Sabalenka: Was in ihr vorgeht, kann niemand beurteilen.AFP

Sabalenka spielt bei ihrer Begründung für ihren Rückzug vor allem auf bohrende Fragen einer ukrainischen Journalistin an. Die Vertreterin der Zeitung Tribuna hatte die Tennisspielerin am Mittwoch in großer Runde nach einem Unterstützerbrief für Machthaber Lukaschenka gefragt. Das Schreiben soll 2020, als das Regime mit Gewalt auf Proteste reagiert hatte, angeblich auch von Sabalenka unterzeichnet worden sein. Zudem wurde die Belarussin seit ihrer Ankunft in Paris nach einer klaren Haltung zum russischen Angriffskrieg gefragt.

In den vergangenen Tagen hatte sie in Paris betont, Krieg abzulehnen. „Niemand auf der Welt, russische und belarussische Athleten, unterstützen den Krieg“, hatte Sabalenka in der Pressekonferenz nach ihrem Erstrundensieg gegen die Ukrainerin Marta Kostjuk geantwortet. Ausdrücklich verurteilt hat die in Miami lebende Belarussin den Angriff Russlands mithilfe ihres Heimatlandes öffentlich aber nie. Sie sei sie aber seit Monaten auf der Profitour „sehr deutlich in meinen Gefühlen und Gedanken“, behauptete Sabalenka am Freitag. Was in ihr vorgeht, kann niemand beurteilen. In ihren Aussagen jedoch ist sie weitgehend zurückhaltend.

Die 25 Jahre alte, in Minsk geborene Athletin steht bereits seit Turnierbeginn im Fokus; als Weltranglistenzweite und Australian-Open-Siegerin mehr noch als ihre Profikolleginnen aus Russland. Gleich Sabalenkas Erstrundenmatch in Roland Garros endete im Eklat. Ihre ukrainische Gegnerin Kostjuk hatte ihr wie seit dem russischen Überfall im Februar 2022 üblich den Handschlag am Ende verweigert und war deshalb von Zuschauern ausgebuht worden. Anschließend hatte die 20 Jahre alte Ukrainerin betont, dass sie Sabalenka wegen ihrer Haltung zum Krieg nicht respektieren könne. Auch andere ukrainische Top-Spielerin wie Elina Switolina erwarten, dass die Kollegin aus Belarus ihre Bekanntheit nutzt und sich deutlicher positioniert.

Verständnis für Sabalenkas Teilrückzug bringt hingegen ihre kommende Gegnerin Sloane Stephens auf. „Jeder sollte sich gut fühlen bei dem, was er tut“, sagte die Amerikanerin, die Mitglied im Spielerrat der Profivereinigung WTA ist. „Wenn sie sich nicht sicher fühlt, sollte sie auch nicht dorthin gehen müssen.“

Rybakina muss zurückziehen

Wimbledonsiegerin Jelena Rybakina muss ihre Titelhoffnungen bei den French Open frühzeitig aufgeben. Die 23 Jahre alte Kasachin konnte am Samstag wegen einer Erkrankung nicht zu ihrem Drittrundenmatch in Paris antreten. Die Spanierin Sara Sorribes Tormo erreichte damit kampflos das Achtelfinale. „Ich bin sehr enttäuscht, dass ich nicht spielen kann“, sagte Rybakina: „Ich habe mich gestern und vorgestern schon nicht wohlgefühlt. Ich konnte nicht schlafen und hatte Fieber.“ (sid)