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35 Obdachlose leben derzeit auf Fehmarn

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Der Eschenweg soll für die Obdachlosen nicht die Endstation, sondern eigentlich eine nur vorübergehende Unterkunft sein
Der Eschenweg soll für die Obdachlosen nicht die Endstation, sondern eigentlich eine nur vorübergehende Unterkunft sein © Fehmarn24/lb

FEHMARN - Von Nicole Rochell Es gibt Umstände im Leben, die den Verlust der Wohnung nach sich ziehen. Davon sind auf Fehmarn derzeit 35 Menschen betroffen. Sie sind obdachlos. 18 von ihnen sind in der Hochfelder Mühle, 17 in den Obdachlosen- und Schlichtunterkünften im Burger Eschenweg untergebracht.

In einer Art sozialer Kettenreaktion können Menschen in den Sog von Ereignissen geraten, die, oftmals beginnend mit der Trennung vom Partner oder dem Verlust des Arbeitsplatzes verbunden mit der Unfähigkeit, die Miete weiter zu bezahlen, darin gipfeln, dass die Menschen kein Dach mehr über dem Kopf haben. Wenn sich in dieser Situation zudem die Selbstaufgabe einstellt, die diese Menschen die Entscheidung treffen lässt, aus unserem System auszusteigen, wird es schwierig. Denn häufig geht psychisch bedingte Unfähigkeit, Leben und Alltag zu meistern, mit Alkoholismus einher. Dann sind oftmals auch dem städtischen Ordnungsamt die Hände gebunden, für diese Menschen auf dem freien Markt Wohnraum anmieten zu können. Am Ende bleiben in den meisten Fällen auf Fehmarn nur noch zwei Adressen: Hochfelder Mühle oder Eschenweg. Das Gesetz unterscheidet in obdachlose, wohnungslose, nicht sesshafte und mittellose Personen. Obdachlos ist, wer seine gegenwärtige Wohnung verloren hat, von dem Verlust bedroht ist oder eine menschenunwürdige Unterkunft hat. Der wird dann von der Stadt untergebracht in einer Obdachlosenwohnung, die die Stadt dann anmietet oder in den Unterkünften Hochfelder Mühle oder Eschenweg.

„Einige sind nicht zu vermitteln auf dem freien Wohnungsmarkt“

Wer sich, bis er selbst eine neue Wohnung findet, bei Verwandten oder Freunden einquartieren kann, wird als wohnungslos bezeichnet. Mittellos sind jene Menschen, die sich nicht selbst helfen können und auf Hilfen über das Job-Center angewiesen sind, und nicht sesshaft, wer seine Lebensweise darauf abgestimmt hat, gar keine Wohnung haben zu wollen und ein Leben auf der Straße führen möchte.

Wer nicht auf dem freien Wohnungsmarkt unterzubringen ist, muss vorübergehend in einer Obdachlosenunterkunft (hier: Eschenweg) Unterschlupf finden.
Wer nicht auf dem freien Wohnungsmarkt unterzubringen ist, muss vorübergehend in einer Obdachlosenunterkunft (hier: Eschenweg) Unterschlupf finden. © Fehmarn24/lb

Aber das gibt es auf Fehmarn nicht. Hier haben alle Menschen ein Obdach und, soweit die Stadt weiß, schläft keiner der Fehmaraner im Freien. Momentan ist jedoch ein Nichtsesshafter auf der Insel, der sich überwiegend in der Stadt aufhält. Im Landesverwaltungsgesetz wird unfreiwillige Obdachlosigkeit als „Gefahr und Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ beschrieben, zitiert Fachbereichsleiter Hans-Jürgen Moller (Ordnung und Soziales) die landesrechtliche Vorschrift und übersetzt: „Es ist eine Gefahr für Personen, wenn sie kein Obdach haben. Ein Dach über dem Kopf zählt zu den Grundversorgungen des Menschen“, so Moller.

Eigentlich eine vorübergehende Unterkunft

Doch denen zu helfen, ist nicht immer einfach. Wenn es möglich ist, wird zunächst versucht, die Betroffenen auf dem freien Wohnungsmarkt unterzubringen. Doch wenn der Mieter und seine Vorgeschichte erst einmal auf Fehmarn bekannt seien, stünden die Chancen nicht gut. Private Vermieter oder Wohnungsbaugesellschaften seien gewarnt und die Nachbarschaft risse sich in den allermeisten Fällen nicht gerade um Nachbarn, die Unannehmlichkeiten bereiten könnten, beschreibt Hans-Jürgen Moller die ihm so gut bekannte Spirale. „Es gibt einen ganzen Teil, den wir gar nicht vermitteln können auf dem freien Wohnungsmarkt“, räumt der Fachbereichsleiter ein. Was bliebe, seien die Obdachlosenunterkünfte, eigentlich gedacht als eine vorübergehende Unterkunft, sagt Moller. Doch nur wenige schafften es, sich am eigenen Schopf aus der misslichen Lage herauszuziehen und den Schritt zurück ins „gesettelte“ Leben zu finden. Das Schicksal der Menschen lässt sich nicht kalkulieren. So ist oftmals spontanes Handeln erforderlich, wenn ein Bürger mit der Räumungsklage in der Hand bei der Stadt Hilfe sucht. All zu viel Spielraum hat die Stadt nicht, zumal der Standort der einstigen Hochfelder Mühle derzeit nicht gerade den Druck vom Kessel nimmt. Die Unterkünfte dort seien zwar gut, so Hans-Jürgen Moller, doch bekanntlich drängt der Kreis seit Jahren darauf, diese Unterbringungsmöglichkeit zu räumen. Die Geschichte reicht zurück bis zur ehemaligen Gemeinde Landkirchen, die dieses Gebäude in den 90er Jahren zur Wohnunterkunft teuer umbaute. Ohne Baugenehmigung entstand seinerzeit der „kommunale Schwarzbau“. Pflichtgemäß hatte die Gemeinde dann nachbessern wollen und beim Kreis eine Baugenehmigung beantragt, aber nicht bekommen. Im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens für die Baugenehmigung war seinerzeit vereinbart worden, eine Bauleitplanung einzuleiten. Die Änderung des Flächennutzungsplanes wurde beim Innenministerium zur Genehmigung vorgelegt. Doch die wurde nicht erteilt. Dort, im Außenbereich, weit entfernt von einem Dorf oder einer Stadt, sei das Wohnen nicht sozialverträglich. Es sei keine Infrastruktur vorhanden, das Wohnen dort sei städtebaulich nicht sinnvoll, so die Begründung des Ministeriums, das keine Genehmigung des F-Plans erteilte. Mit dem Kreis Ostholstein wurde ein öffentlich-rechtlicher Vertrag geschlossen, der es der Gemeinde gestattete, die Unterkunft noch weitere Jahre nutzen zu dürfen, um Ersatz zu beschaffen. Die Duldung endete 2008.

Politik hat sich lange nicht gerührt

Lange Zeit hatte sich die Politik nicht gerührt, was eine möglichst schnelle Ersatzbeschaffung für die wegfallenden Obdachlosen-Unterkünfte in der Hochfelder Mühle anbelangt. In der zweiten Sitzungsrunde 2009 kam langsam Bewegung in die städtischen Gremien. Es wurde eine Arbeitsgruppe gegründet, die Lösungsmöglichkeiten erarbeitete und aufzeigte. Nach intensiven Beratungen hatte die Stadtvertretung 2010 dem Neubau einer Obdachlosenunterkunft in der Maikoppel in Landkirchen zugestimmt. 800 000 Euro sollten hierfür investiert werden. Die Summe war mit einem Sperrvermerk versehen. Doch mit der Debatte um den Sparhaushalt kam es ohnehin anders. Was sich bereits im Finanzausschuss abgezeichnet hatte, trat ein: Die CDU ruderte vom Neubau einer Obdachlosenunterkunft zurück und setzte stattdessen darauf, die Menschen aus der Hochfelder Mühle auf dem freien Wohnungsmarkt unterzubringen. Statt der 800 000 Euro werden im Haushalt 2011 320 000 Euro eingestellt sein. Die Summe soll eine Anschubfinanzierung sein, um das Problem der Obdachlosenunterkunft zu lösen. Das Geld soll aber auch für Investitionen in die Obdachlosenunterkunft im Eschenweg verwendet werden. Es gibt Überlegungen, die Wohnsituation dort zu verbessern. „Dort herrschen menschenunwürdige Zustände“, hatte Bürgervorsteherin Margit Maaß in Sitzungen moniert.

Zwölf Migranten

Der Wegfall der Hochfelder Mühle ist besonders auch vor dem Hintergrund kritisch, dass Fehmarn in diesem Jahr vom Kreis Ostholstein zwölf Migranten zugewiesen bekommen wird. Auch diese Menschen fallen dann unter die Obdachlosen, für die auf Fehmarn eine Unterbringung gesucht werden muss. Bestenfalls auf dem freien Wohnungsmarkt. „Wir prüfen derzeit, was auf dem Wohnungsmarkt geht. Das fängt bei Gagfah an und hört bei OWU auf“, brachte Bauamtsleiter Burkhard Naß neben den privaten Vermietern auch Wohnungsbaugesellschaften ins Spiel. Das Thema Obdachlosenunterbringung wird auf der Tagesordnung des nächsten Kultur-, Schul, Sport- und Sozialausschuss stehen, der bekanntlich auf den 16. März verschoben wurde.

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