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Literaturverfilmung "Nebel im August": Über einen Jungen in der NS-Zeit

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Ernst (Ivo Pietzcker) kümmert sich um das Mädchen Amelie (Carla Karsten) und fühlt sich dadurch weniger allein.
Ernst (Ivo Pietzcker) kümmert sich um das Mädchen Amelie (Carla Karsten) und fühlt sich dadurch weniger allein. © Bernd Spauke (Collina Filmproduktion GmbH)

In der Literaturverfilmung Nebel im August erzählt Kai Wessel von einem Jungen, der in der NS-Zeit Euthanasie-Morde in einer Heil- und Pflegeanstalt entdeckt.

Ein Außenseiter. Das war Ernst Lossa (Ivo Pietzcker). Schließlich gehörte er im Dritten Reich zu der Minderheit der Jenischen – einem fahrenden Volk. Sein verwitweter Vater (Karl Markovics) hatte den Jungen wiederholt in Kinderheimen abgegeben, weil er als „Nichtsesshafter“ seinem Sohn keine ordentliche Unterkunft bieten konnte. Jetzt allerdings ist Ernst in eine Heil- und Pflegeanstalt in Süddeutschland abgeschoben worden. Hier gilt der aufgeweckte Junge als schlichtweg „nicht erziehbar“.

Anfang der 40er Jahre leitet der warmherzig wirkende Dr. Veithausen (Sebastian Koch) die Anstalt. Er sichert dem 13-Jährigen zu, dass in seinem neuen Zuhause niemand geschlagen wird. Obgleich sich Ernst in dem Heim, in dem kranke sowie körperlich und geistig behinderte Kinder und Jugendliche wohnen, zunächst unwohl fühlt, lebt er sich in den streng geregelten Alltag ein. Mit der Zeit kümmert er sich sogar fürsorglich um Gleichaltrige. Besonders freundet er sich mit dem klugen Mädchen Nandl (Jule Hermann) an. Bald erfährt Ernst jedoch, dass der vermeintlich so sanftmütige Dr. Veithausen dafür sorgt, dass Patienten sterben. Er lässt sie vom Klinikpersonal vergiften oder den Hungertod durch Mangelernährung sterben. Mit diesem Wissen ist Ernst in höchster Gefahr. Wird er mit Nandl fliehen?

In dem Drama „Nebel im August“ erzählt der Regisseur Kai Wessel nicht, wie der Autor der Literaturvorlage Robert Domes, die Lebensgeschichte von Ernst Lossa, sondern nur von der Zeit, in welcher der Halbwaise in einer Pflegeanstalt lebte. Dies erweist sich für den Film als sehr kluge Entscheidung, weil somit das Grauen der Euthanasie, der in der NS-Zeit über 200 000 Menschen, davon 5000 Kinder, zum Opfer gefallen sind, am eindringlichsten wirkt. Dabei erscheint Robert Domes’ Geschichte, die der Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt mit größtem Geschick für die Leinwand adaptiert hat, nie sensationsheischend. Vielmehr ist das Geschehen, das Kai Wessel mit ungemein viel Gefühl für passende Tonlagen inszeniert, nahezu gleichbleibend bedrückend. Dies gelingt auch, weil der Regisseur großartiges Feingefühl darin beweist, hochbegabte Kinderdarsteller in ihrem Schauspiel so zu führen, dass ihre Figuren durchweg glaubhaft wirken. Vor allem Ivo Pietzcker kann die Entwicklung seines ebenso rebellischen wie reifenden Charakters sehr gut greifbar machen.

Ähnlich brillant ist Sebastian Koch, der seine fein nuanciert gespielte Figur mit einer Doppelgesichtigkeit verkörpert, die letztendlich nichts als Angst einflößen kann. All das hat der Kameramann Hagen Bogdanski in Bilder gefasst, die kaum eindringlicher wirken könnten. Herausragend

Frankfurt: Cinema

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