SpecialExperts
  1. Nachrichten
  2. Experts
  3. Nun drängen wir ins neue Jahr - vielleicht mit Leonard Cohen

Karl-Theodor zu Guttenberg: Nun drängen wir ins neue Jahr - vielleicht mit Leonard Cohen
  • Kommentare
  • E-Mail
  • Teilen
  • Mehr
  • Twitter
  • Drucken
  • Fehler melden
    Sie haben einen Fehler gefunden?
    Bitte markieren Sie die entsprechenden Wörter im Text. Mit nur zwei Klicks melden Sie den Fehler der Redaktion.
    In der Pflanze steckt keine Gentechnik
    Aber keine Sorge: Gentechnish verändert sind die
Ex-Bundesminister Karl-Theodor zu Guttenberg schildert Alltagsbeobachtungen, die Sie als Einladung zum Nachdenken sehen können.
Ex-Bundesminister Karl-Theodor zu Guttenberg schildert Alltagsbeobachtungen, die Sie als Einladung zum Nachdenken sehen können.
Dienstag, 02.01.2024, 11:47

Der frühere Spitzenpolitiker hat sich inzwischen einen gelasseneren, aber nicht minder scharfen Blick auf die Dinge angewöhnt. Er lässt uns auf charmante Art an seinen Alltagserlebnissen und Gedanken teilhaben.

Die mit einem Symbol oder Unterstreichung gekennzeichneten Links sind Affiliate-Links. Kommt darüber ein Einkauf zustande, erhalten wir eine Provision - ohne Mehrkosten für Sie! Mehr Infos

Silvester. Vorgestern eine letzte Telefonkonferenz vor dem Jahreswechsel. Ich bin ungnädig und lustlos. Nach wenigen Minuten denke ich mir, man hätte sie auch in den Januar legen können. Inhaltlich eigentlich vollkommen verzichtbar. Verschieben wäre sinnvoll. Passt aber offenbar nicht in die vorauseilende Vorsatzromantik mancher Mitstreiter.

Was ist schon befriedigender als ein leerer Schreibtisch am 1. Januar? Nun, mir fiele einiges ein. Und drei Tage später dürfte die Ablage ohnehin wieder dem 30. Dezember gleichen.

Über Karl-Theodor zu Guttenberg

Karl-Theodor zu Guttenberg wurde bekannt als Bundesminister. Heute ist der ehemalige Politiker Unternehmer, Co-Produzent und Moderator von Dokumentarfilmen und anderen publizistischen Formaten. Er veröffentlicht in englisch- und deutschsprachigen Medien. Seit Juni 2023 ist KT zusammen mit Gregor Gysi Host des Podcasts "Gysi gegen Guttenberg".

Überraschend werde ich aus meinem Defätismus gerissen. Eine Teilnehmerin bittet darum, von der Tagesordnung abzuweichen. „Wie ordnet Ihr das vergangene Jahr ein? Nicht geschäftlich, das war gut, sondern allgemein. Ich fühle mich orientierungslos. Manchmal sogar hoffnungslos. Ich habe erstmals Zukunftsängste.“ Ein ungewohnter Tonfall in einer Gruppe, die ihre Gefühle in der Regel dem Zahlenwerk vorbehält.
Ein Kollege springt ihr bei. Es ginge ihm ähnlich. „Ein erstaunliches Jahr. Bedrückend. Nein, entsetzlich, wenn man auf die Kriegsgebiete in unserer Nachbarschaft schaut. Die Einschläge rücken näher.“ Die Welt erscheine ihm zunehmend dunkler.

Unser Umgang mit Nachrichtenwellen

Meine Anmerkung, jede Dunkelheit würde durch Hoffnungsschimmer durchbrochen - mag es ein Kinderlachen sein, ein wissenschaftlicher oder technologischer Durchbruch - findet wenig Resonanz. Verständlich, wenn eine Nachrichtenwelle die nächste jagt. Problematisch ist unser Umgang damit. Wir drängen den Wogen entgegen, lassen uns von Strömungen mitziehen anstatt einen Schritt zurückzutreten und innezuhalten. Nachdenklichkeit weicht einer Kultur des Reflexes.

„Wir nehmen uns kaum noch die Zeit, Dinge einzuordnen“, sagt einer der Teilnehmer. Dabei beginne Einordnung nicht bei der Klage, dass sie nicht gewährt wird, sondern bei sich selbst. Die Tonalität der Debatte ist wohltuend. Außerhalb ist es meist anders.

Jeder Provokation in den sozialen Medien folgen atemlose Biestigkeiten. Sachliche Auseinandersetzungen verkümmern zur Randerscheinung. Selbst abgewogene Posts werden gerne als Empörungssprungbrett gesehen. Verächtlichmachung und Schuldzuweisung als Definitionsmerkmale einer Gesellschaft? Ein unumkehrbarer Trend?

Ich glaube nicht. Auch wenn einige meinen, der Einzelne könne ohnehin nichts mehr ausrichten. Wohl selten kam es mehr auf uns selbst an. Die Wirkmächtigkeit digitaler Buschtrommeln ist letztlich an das Verhalten Einzelner gebunden.

„Furcht, Sehnsucht, Hoffnung drängen uns in die Zukunft“

Von dem Philosophen Michel de Montaigne stammt der Satz: „Furcht, Sehnsucht, Hoffnung drängen uns in die Zukunft.“ Am virtuosesten wird heute die Klaviatur von Furcht bespielt. Die beiden anderen Gemütslagen unterliegen häufig nacheilender Enttäuschung. Auf den Gedanken, in eine per se neutrale, vorurteilslose Gegenwart zu drängen, kommen nur wenige. Sie wäre das eigentliche Kraftfeld, um ein bessere Zukunft zu gestalten.

Nun drängen wir ins neue Jahr. Vielleicht mit Leonard Cohen - „There is a crack in everything. Thats how the light gets in.“ (Anm. d. Red.:  „Es gibt einen Riss in allem. So kommt das Licht herein."

Buchempfehlung (Anzeige)

"3 Sekunden: Notizen aus der Gegenwart" von Karl-Theodor zu Guttenberg

Kommentare
Teilen Sie Ihre Meinung
Melden Sie sich an und diskutieren Sie mit.
Teilen Sie Ihre Meinung
Sie waren einige Zeit inaktiv, Ihr zuletzt gelesener Artikel wurde hier für Sie gemerkt.
Zurück zum Artikel Zur Startseite
Lesen Sie auch
Ampel verschiebt Beschluss des Rentenpakets

Koalition

Ampel verschiebt Beschluss des Rentenpakets

ESC-Kommentator Thorsten Schorn: So tickt die neue deutsche ESC-Stimme

Eurovision Song Contest

ESC-Kommentator Thorsten Schorn: So tickt die neue deutsche ESC-Stimme