Er sitzt an der Käfigtür, tippelt nach vorne, guckt skeptisch über den Rand - und tippelt wieder zurück. Es ist gar nicht so selten, dass Papageien, Wellensittiche und andere Vögel sich vor dem Fliegen fürchten. Die Gründe dafür können vielfältig sein - beispielsweise ein neues, ungewohntes Umfeld, sagt Sonja Kling, Fachtierärztin für Ziervögel in Berlin.
Demnach kann es mehrere Wochen dauern, bis sich die Tiere in ihrem neuen Zuhause sicher fühlen und auch auf Entdeckungstour gehen, sagt Kling. „Diese Scheu ist von Vogel zu Vogel anders ausgeprägt und hängt von seiner Aufzucht, seinem Zahmheitsgrad, seiner Sozialisierung und seinen Erfahrungen ab.“
Katzen im Haushalt können eine weitere Ursache dafür sein, dass die gefiederten Schützlinge sich nicht aus ihrem Käfig trauen, erklärt Daniela Rickert, Vorsitzende des Arbeitskreises Heimtierhaltung in der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT) in Bramsche.
Ein weiterer Grund seien Krankheiten: Atemwegs- und Herzerkrankungen, Gefiederstörungen, Knochen- oder Gelenkerkrankungen und Übergewicht können die Vögel am Fliegen hindern, erläutert Kling. „Da Vögel Schwarmtiere sind, verbergen sie Krankheitszeichen: Wenn sie Angst davor haben, abzustürzen oder bei Fußproblemen nicht sicher landen zu können, vermeiden sie möglichst jeden Flugversuch.“
Um Fußverletzungen von vornherein zu vermeiden, rät der Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe (ZZF) zu Naturästen in unterschiedlichen Stärken als Sitzstangen. „Stangen aus Kunststoff sind eher ungeeignet, da durch den immer gleichen Durchmesser dieselben Stellen der Füße belastet werden, was zu entzündlichen Geschwüren und einer Fehlstellung der Krallen führen kann“, sagt Claas Sascha Züpke vom ZZF.
Damit der Vogel nach und nach zum Freiflug durch das Zimmer animiert wird, empfiehlt Rickert, ihn mit Leckerbissen zu locken. „Vögel sollten keinesfalls losgescheucht werden, sonst gewinnt man nicht ihr Vertrauen.“ Effektiver sei die Methode, Futter an verschiedenen Stellen außerhalb der Voliere zu verteilen.
Hilfreich sind Kling zufolge auch gut beleuchtete Räume: „Vögel fliegen nicht bei schlechter Sicht.“ Möglichst viele flugfähige und flugwillige Artgenossen könnten ebenfalls zum Mitfliegen anregen, da auf diese Art das Schwarmverhalten gefördert werde. „Weitere Möglichkeiten sind eine große, hoch gelegene und bequeme Ausflug- und Landeklappe an der Voliere, sowie mehrere interessante Landeplätze außerhalb des Käfigs.“ Diese sollten mit Futter oder Spielzeug bestückt werden.
Für einen ungehinderten Freiflug sollten Halter außerdem darauf achten, alle Gefahrenquellen so gut wie möglich aus dem Weg zu räumen. Dazu zählen etwa heiße Herdplatten, geöffnete Fenster oder Gardinenkordeln, an denen sich die Vögel erdrosseln können, sagt Handschuh. Ist erst einmal die Motivation zum Fliegen geweckt, sei es ideal, wenn die Vögel vier Stunden pro Tag in der Wohnung umherfliegen können.