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Imam darf vorerst bleiben

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Der als "Hassprediger" in die Schlagzeilen geratene Said Khobaib Sadat mit seinem Anwalt Victor Pfaff (l.).
Der als "Hassprediger" in die Schlagzeilen geratene Said Khobaib Sadat mit seinem Anwalt Victor Pfaff (l.). © ddp images/dapd/Thomas Lohnes

Der umstrittene Prediger Sadat aus Afghanistan darf bleiben, erhält aber kein Daueraufenthaltsrecht. Das Gericht geht davon aus, dass der 52-Jährige und seine Familie auf Dauer ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können.

Wer mag sich dieser Tage schon allein auf Auskünfte des Verfassungsschutzes verlassen? Der 6. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) in Kassel jedenfalls nicht. Das wurde gestern in der Verhandlung über die Ausweisung des umstrittenen afghanischen Imams Said Khobaib Sadat deutlich, der zeitweise einer Moschee in Frankfurt vorstand und derzeit nach eigenen Angaben im Internet und über einen in den USA ansässigen TV-Sender predigt.

Die Stadt Offenbach, wo er wohnt, hatte dem heute 52-Jährigen im Jahre 2005 eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung verweigert und seine Ausweisung angeordnet. Sie stützte sich dabei auf das Hessische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV): Dieses stufte Sadat damals als „Hassprediger“ ein. 2008 wurde der Bescheid präzisiert und die Ausweisung damit begründet, dass der Imam während etlicher Freitagsgebete zur Gewaltanwendung aufgerufen habe. Auch dafür waren LfV-Feststellungen maßgeblich. Noch gestern zur Verhandlung reichte die Ausländerbehörde ein weiteres sogenanntes „Behördenzeugnis“ ein, das Einschätzungen des Verfassungsschutzes über Sadat dokumentiert.

Der Vorsitzende Richter aber ließ durchblicken, mit wie viel Vorsicht das Gericht Informationen von Personen zu behandeln gedenke, die es nicht kenne und die es nicht als Zeugen laden kann. „Es sind Zeugen vom Hörensagen“, betonte er. Das Gericht dürfe Behördenzeugnisse zwar verwerten – diese seien aber „sehr sorgfältig“ zu prüfen. Im konkreten Fall sah er widersprüchliche Angaben: Das LfV gehe in einer seiner Stellungnahmen selbst davon aus, dass den Äußerungen des Imam kein volksverhetzender Charakter zukomme.

In all den Jahren, die der Fall deutsche Gerichte bereits beschäftigt, waren allerdings auch Abschriften seiner Predigten sorgfältig unter die Lupe genommen worden. Im Vorfeld einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Darmstadt hatte es heftigen Streit über die korrekte Übersetzung gegeben. Das VG hatte die Ausweisung schließlich in November 2009 bestätigt (Aktenzeichen 6 K 516/06 A).

Verwaltungsgerichtshof sieht keinen Beweis für Hasspredigten

Der VGH nahm gestern seinerseits markante Textpassagen unter die Lupe. „Bei Gott, das sind Barbaren! Das sind böse Menschen! Das sind Bestien! Das sind Blutvergießer! Das sind Mörder!“, zitiert der Vorsitzende zum Beispiel und will wissen: „Wer ist mit ,die‘ gemeint?“ Eine kurze Antwort bekommt er von Sadat fast nie. Der ist schnell bei Grundsatzreferaten über die jüngere Geschichte Afghanistans. Mal um Mal betont er, scharfe Formulierungen bezögen sich auf Kräfte innerhalb Afghanistans. Überdies stellt er sich als Prediger dar, der für seine progressive Haltung gegenüber Frauen bekannt sei: Aus „der Frau“ gehe „die gesamte Gesellschaft hervor“, formuliert er.

Am Nachmittag fällt der VGH sein Urteil. Er kippt die Ausweisung. Zwar habe sich der Imam mehrfach in stark verzerrender Weise kritisch mit dem Vorgehen der Schutztruppe ISAF in Afghanistan auseinandergesetzt. Seinen Predigten sei aber keine Aufstachelung zum Hass gegen Bevölkerungsteile in Deutschland – etwa hier lebende Frauen oder in Afghanistan stationierte deutsche Soldaten – zu entnehmen. Damit sah das Gericht den Ausweisungstatbestand nicht erfüllt.

Dass der Imam noch lange bleiben darf, ist damit allerdings nicht klar. Denn zugleich bestätigte der VGH die Offenbacher Entscheidung, ihm keine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Grund dafür ist die Einschätzung, dass der 52-Jährige und seine Familie ihren Lebensunterhalt in Deutschland nicht auf Dauer selbst werden bestreiten können.

Für abschließend geklärt hält der VGH die relevanten Rechtsfragen aber offenbar nicht: Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht ließ er ausdrücklich zu (Aktenzeichen: 6 A 907/11).

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