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Cecilia Bartolials als Temperamentsvulkan

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Ihre Stimme ist intensiver geworden, aber nicht größer, eine sozusagen konstruktive Anspannung setzt auch das schlicht-ernsteste Lied von Vincenzo Bellini unter Strom.
Ihre Stimme ist intensiver geworden, aber nicht größer, eine sozusagen konstruktive Anspannung setzt auch das schlicht-ernsteste Lied von Vincenzo Bellini unter Strom. © dpa

Cecilia Bartoli war in der Alten Oper Frankfurt pur zu erleben und hätte eigentlich einen Sattelschlepper gebraucht.

Vor einem Jahr ging Cecilia Bartoli unter die Trucker. Um Werbung zu machen für Maria Malibran, eine Sängerkollegin des 19. Jahrhunderts, hatte die Mezzosopranistin einen Sattelschlepper mit Malibran-Devotionalien an ihren Konzertorten parken lassen.

Jetzt ist die Bartoli wieder unterwegs, doch ohne Lastwagen, auch wenn sie diesen für den Abtransport der Blumen und Ovationen gut hätte gebrauchen können. Im Gegenteil: Statt mit großem Malibran-Bahnhof war Cecilia Bartoli in der Alten Oper Frankfurt pur zu erleben, als Liedsängerin in einem erneut klug zusammengestellten Programm unter dem Titel "Soirée Rossinienne".

Denn das unterscheidet sie schon mal von so gut wie allen Bestsellern des Klassikmarktes, zu denen sie mit ihren CD-Verkaufszahlen im 6-Millionen-Bereich zweifelsfrei gehört: Sie hat immer Neues, Entdeckungswürdiges zu bieten. Und sie legt großen Werk auf eine adäquate Begleitung, ob im Orchesterfach oder am Klavier.

Das Neue ihrer Rossini-Soirée jetzt teilte sich dabei seinen Platz mit etwas durchaus Altem: Eine ihrer ersten CDs, aufgenommen 1990, hatte sie Rossini-Liedern gewidmet. Doch ihr Zugang zu den kleinen Stücken ist ein völlig anderer geworden. Neutral und glatt wirken die Aufnahmen, die einen früher so begeisterten.

Ob die Canzonetten "La regata Veneziana" oder das "Waisenmädchen aus Tirol": Es ist, als würde man ein Kaminfeuer mit einem Vulkan vergleichen. Heute nimmt sich Cecilia Bartoli alle Freiheiten der Gestaltung, rudert, jodelt, schnalzt, stampft - angeblich wollte sie einst Flamenco-Tänzerin werden, jetzt holt sie einiges davon auf dem Konzertpodium nach.

Ihre Stimme ist intensiver geworden, aber nicht größer, eine sozusagen konstruktive Anspannung setzt auch das schlicht-ernsteste Lied von Vincenzo Bellini unter Strom. Lockerheit ist nicht Bartolis Ideal, sie braucht den Druck. Und sie braucht einen Pianisten wie den pointenreichen Sergio Ciomei, der sich nicht nervös machen lässt. Sie möchte loslegen, es muss raus aus ihr. Ohne Singen bersten zu müssen - diese Anspannung wird in Bartoli-Konzerten vermittelt wie sonst nirgends.

Maria Malibran übrigens begleitet Bartoli nach wie vor. Rossini war einer ihrer größten Fans, darum waren ihr komponierender Vater Manuel del Pópulo Vicente García sowie ihre ebenso aktive Schwester Pauline Viardot gerne gehörte Gäste im Programm.

Und die Chansonette "Rataplan" aus Malibrans eigener Feder durfte gleich gar nicht fehlen. Wenn die Bartoli nach zwei Stunden Nettogesang im Stand auf den Podiumbrettern marschiert und artistisch das "Rrrrr" rollt, hat das Magma der Begeisterung alle fortgespült.

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