1. Startseite
  2. Kultur
  3. TV & Kino

„Hart aber fair“: Sahra Wagenknecht lässt Emotionen hochkochen

KommentareDrucken

„hart aber fair“ im Ersten. Die Talkrunde vom 27. Februar 2023.
„hart aber fair“ im Ersten. Die Talkrunde vom 27. Februar 2023. © Screenshot ARD

„Frieden mit Putins Russland: Eine Illusion?“ - Darüber diskutiert die Talkrunde bei Louis Klamroth durchaus kontrovers.

Weniger Waffen, dafür mehr Verhandlungen – das fordern aktuell viele Deutsche. Aber verlängern Waffen für die Ukraine wirklich den Krieg? Und würden Verhandlungen jetzt nur einen Frieden von Wladimir Putin Gnaden und auf Kosten der Ukraine bringen? Diesen Fragen stellten sich die Gäste in der ARD-Talkshow „Hart aber fair“.

Das von der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und der Feministen-Ikone Alice Schwarzer initiierte, mittlerweile von 700.000 Bürgern unterschriebene, Friedens-Manifest, hatte am Wochenende zehntausende Menschen zu einer Demonstration nach Berlin „gelockt“ - und war auch der thematische Aufhänger für Klamroths-Talkrunde in der ARD, die erstmals in seiner kurzen Amtszeit die Ebene langweilender Dispute verließ und die Emotionen höher kochen ließ.

„Hart aber fair“ in der ARD: Erinnerung an 14 Millionen Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind

Vor allem bei Marie-Agnes Strack-Zimmermann stieg der Puls, als sie Sahra Wagenknecht deren Aussage in Anne Wills Talkshow vom 20.2.2022 vorhielt, - die Klamroth auch gleich genüsslich als Einspieler präsentierte - in der sie mutmaßte, dass Russland kein Interesse daran hat, in der Ukraine einzumarschieren. Jetzt erleben wir einen Krieg, entrüstet sich Strack-Zimmermann, in dem russische Soldaten Frauen vergewaltigen, denen sie vorher die Hände brechen, damit sie sich nicht wehren können.

„hart aber fair“ in der ARDDie Gäste der Sendung vom 27. Februar 2023
Katrin Göring-EckardtB‘90/Grüne, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags
Sahra WagenknechtDIE LINKE, Bundestagsabgeordnete
Marie-Agnes Strack-ZimmermannFDP, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses
Herfried MünklerPolitikwissenschaftler
Heribert PrantlKolumnist und Autor

Sie erinnert an die 14 Millionen Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind und bezeichnet Putin als Massenmörder und Terrorist, was Wagenknecht auch „unterschreibt“. Nicht ohne das von ihr gewohnte „aber“ hinterher zu schieben: „Die Ukraine darf kein militärischer Vorposten des Westens werden, es geht um ihre Neutralität. Man muss Russland ein Kompromissangebot machen.“

Strack-Zimmermann kann ihre „Angefressenheit“ kaum unterdrücken, verwahrt sich dagegen, dass Wagenknecht sie als „Rüstungs-Lobbyistin“ diffamiert und ist geradezu empört darüber, dass Alice Schwarzer zu den Vergewaltigungen schweigt: „Ich fasse es einfach nicht!“.

„Hart aber fair“ in der ARD: Beschwerde über Diffamierung des Manifestes und der Berlin-Demo

Dann kommt noch einmal auf die Berliner Demo zurück, die sie in einem Rechtsstaat wie unserem, grundsätzlich verteidigt: „Aber man darf aus den Opfern keine Täter machen.“ Da hat auch Göring-Eckardt eine Nachfrage: „Wo waren die Fahnen der Ukraine auf der Demo und warum standen auf der Bühne keine Betroffenen?“

Erschreckend auch die Aussagen, mit denen Klamroth als Reporter auf der Demo konfrontiert wurde, auf der er Mühe hatte, jemanden zu finden, der ihn nicht als „Lügenpresse“ beschimpfte.

Wagenknecht wiederum beschwert sich über die Diffamierung des Manifestes und der Berlin-Demo in der „einseitig informierenden Presse“. Distanziert sich aber ausdrücklich von den Reichsbürgern und Neonazis: „Aber wie will man verhindern, dass sie mitlaufen?“, fragt sie in die Runde. Da ist es wieder, das fatale „aber“, dass ihr immer wieder vorgeworfen wird, statt sich eindeutig zu positionieren. Immerhin lässt sie sich, nach mehrmaligem Drängen von Klamroth („Wollen Sie eine neue Partei gründen?“) zu der Aussage hinreißen, „dass ich mir eine Partei wünsche, die alle Menschen im Land repräsentiert. Immerhin teilen nach einer Umfrage 39Prozent die Position unseres Manifestes - und natürlich wäre mir am liebsten, dass die Linke diese Partei wäre.“

Zur Sendung

Frieden mit Putins Russland: Eine Illusion? „hart aber fair“ vom 27. Februar 2023 im Ersten. Die Sendung in der Mediathek.

Heribert Prantl wünscht sich auf keinen Fall „eine neue Friedensbewegung mit der fatalen Präsenz von Rechten auf Demonstrationen.“ Andererseits hört er bei den Grünen zu wenig von Friedensvorschlägen: „Ich würde auch mit dem Teufel verhandeln, wenn ich damit dem Frieden näher komme. Wenn man will, kann man das Nest bereiten, in das das Ei gelegt werden soll.“

„Hart aber fair“ in der ARD: Auf „Erschöpfungskrieg“ folgen „Erschöpfungsverhandlungen“

Göring-Eckhardt wehrt sich für ihre Partei mit dem Hinweis, dass Putin gerade erst Friedensverhandlungen abgelehnt hat und das es im Hintergrund sehr wohl diplomatische Initiativen gibt.

Herfried Münkler spricht von einem „Erschöpfungskrieg“, dem nun offensichtlich „Erschöpfungsverhandlungen“ folgen und verweist auf das Budapester Memorandum von 1994, in dem man zugesichert hatte, dass man die Grenzen der Ukraine respektiert, wenn sie auf Atomwaffen verzichtet. „Nun ist man wieder so weit“, so seine wenig hoffnungsvolle Einschätzung, „dass man in Europa wieder Kriege führen und Länder erobern kann. Was natürlich Despoten wie Erdogan und andere ermutigt.“

Strack-Zimmermann befürchtet vor allem, dass die baltischen Staaten, Georgien und Moldau zittern müssen, wenn Putin in der Ukraine Erfolg hat. Nur Wagenknecht bleibt stur bei ihrem Credo: „Wir lassen uns immer tiefer in den Krieg hineinziehen, anstatt Verhandlungsangebote zu machen.“ Aber wie könnten die aussehen? Darauf bleibt sie die Antwort schuldig. Und auch Klamroth ergibt sich etwas hilflos dem fast ausbrechenden Diskussionschaos und schaltet in die Ukraine, wo Oberstleutnant Sergij Osatschuk der Runde brav für ihre engagierte Diskussion dankt und sich von Europa weitere militärische Unterstützung erhofft, um zum Frieden zu kommen.

Darin sind sich zum Schluss alle - ausser Frau Wagenknecht - einig: Nur mehr (Verteidigungs-) Waffen für die Ukraine schaffen Augenhöhe mit dem Feind, um Verhandlungen aufnehmen zu können! (Rolf-Ruediger Hamacher)

Auch interessant

Kommentare