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Eine Sauftour zum Frauentag

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Trendsetterinnen in den 1950er-Jahren, als es den Begriff „Slacker“ noch nicht einmal gab.
Trendsetterinnen in den 1950er-Jahren, als es den Begriff „Slacker“ noch nicht einmal gab. © picture alliance / United Archiv

Echte Gleichberechtigung geht mit einem Regelverlust einher, glaubt unsere Autorin. Ein Plädoyer für gemütliches Abhängen und bewusstes Nichtstun.

Von Katrin Gottschalk

Die Quote kommt. Die Quote ist wichtig. „Die Quote führt zu einem Kulturwandel in Unternehmen.“ Am Donnerstagabend läutete Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig mit ihrer geschlechterpolitischen Grundsatzrede das Wochenende um den Weltfrauentag ein – während ich gemütlich am Rand stand und den Wein auf mich wirken ließ. Das ist mein Plan für die nächsten Tage: trinken. Später verkatert sein. Dann wieder trinken. Hauptsache: nichts tun. Denn so wichtig die Quote ist – faule Frauen wären eine Revolution.

Frauen sind extrem fleißig. Sie gehen ihrer Erwerbsarbeit nach, Hausarbeit, Kinder- oder Altenpflege, sind in Partnerschaften oft für die Beziehungsarbeit zuständig und setzen sich dann noch nebenher dafür ein, dass all das anerkannt und gerecht bezahlt wird, sie nicht mit ihren Köpfen an gläserne Decken prallen. Was für ein Stress. Oben drauf kommt dann noch die Arbeit am eigenen Körper, der gestrafft und gepflegt werden muss. Dann noch ein bisschen Wellness. Das wäre auch eine Option für den Frauenkampftag. „Sich was gönnen.“ Auf den Stress. Das habe ich vor ein paar Jahren mit Freundinnen ausprobiert.

Wir saßen nackt und Arm an Arm mit gefühlt allen Frauen Brandenburgs in einer Therme am Rande von Berlin und hasteten von Aufguss zu Aufguss, um irgendwo noch rein zu kommen. Denn Aufgüsse sind besonders toll. Also muss man sie mitnehmen. Und dann muss man kalt duschen, so und so lange ruhen und dann geht es weiter. Alle machen das Gleiche, die gleichen Sauna-Rituale. Selbst Entspannung ist vollkommen durchgeregelt und Teil eines Systems, in dem wir vor allem immer besser funktionieren und leistungsstark sein sollen. Was bleibt also als Protest? Der Regelverlust. Die Sauftour.

Die Frau, die nicht arbeitet und sich somit einem ganzen System entzieht, ist in unserer Kultur gar nicht vorgesehen. Während der durchschnittliche Tatort-Kommissar ein Alkoholproblem und einen gemütlichen Bauch hat, ist seine weibliche Kollegin zumeist straff durchorganisiert und recht sportlich. Leute, die bedingungslos abhängen wollen, heißen im US-amerikanischen Slacker. Die 90er-Jahre waren voll mit ihnen. Aber es waren nur Männer. Wie der Big Lebowski etwa. Beck widmete ihnen den Song „Loser“, der Verlierer. Auch ein Mann.

Das bedingungslose Rumhängen hat Grenzen

So langsam, ganz langsam, wie es sich für echte Slacker gehört, treten jetzt auch die Frauen, die Female Slacker zutage. Zum Beispiel in der US-amerikanischen Erfolgsserie „Broad City“, die von zwei Mittzwanzigern handelt, die mit möglichst wenig Aufwand versuchen, an Geld für die nächste Portion Gras zu kommen. Arbeit, Kinder oder auch schon eine Beziehung liegen für die beiden Frauen in ganz weiter Ferne und sind eigentlich kaum einen Gedanken wert. Zu viel Stress.

Natürlich ist mir klar, dass das bedingungslose Rumhängen Grenzen hat. Ein Kind lässt dich nicht den ganzen Tag abmatten. Deine Arbeit steht dir im Weg – und selbst wenn du Arbeitslosengeld beziehst, musst du dermaßen oft zum Amt, dass von echter Bewegungsstille keine Rede sein kann. Aber ein bisschen mehr Bauchpinseln, zumindest an diesem Wochenende, das wäre ein Anfang. Letztlich müssen wir seit Jahren betrunkene Horden von Männern am Männertag ertragen, die ihren Kindern die Bollerwagen klauen und mit Bier auffüllen. Die Zeit ist reif für betrunkene Frauen auf der Straße. Vielleicht das Patriarchat anpöbelnd, vielleicht aber auch einfach gemütlich auf einer Bank abhängend.

Zurück zum Empfang der Bundesfamilienministerin. Bei einem letzten Glas Wein erzählt Jasmin Tabatabai vom faulen Wanja von Ottfried Preußler. Natürlich ist Wanja ein Junge, aber egal. Jedenfalls ist Wanja der faulste von drei Brüdern und kriegt den Auftrag, sieben Jahre lang auf einem Backofen zu liegen – um am Ende Zar zu werden. Vielleicht müssen Frauen äquivalent dazu sieben Jahre lang nichts tun. Laut Laurie Penny würde die Weltwirtschaft schon nach einer Nacht zusammenbrechen, würden wir aufhören, uns um unsere Körper zu scheren. Wir lassen also einmal alles zusammen stürzen und bauen dann neu auf. Klingt nach einem Plan. Und an dessen Anfang steht ein Bier. In diesem Sinne: Prost.

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