1. Startseite
  2. Panorama

"Guttenberg wurde aufgebauscht"

KommentareDrucken

Kai Schumann mit Alexandra Neldel.
Kai Schumann mit Alexandra Neldel. © dpa

Schauspieler Kai Schumann, bekannt aus „Doctor’s Diary“, spielt im Sat.1-Film „Der Minister“ den Politiker Franz Ferdinand von und zu Donnersberg. Im Interview spricht Schumann über die Plagiatsaffäre um Karl-Theodor zu Guttenberg, AC/DC und Frieden in Syrien.

Für Kai Schumann ist es noch eine zwiespältige Erfahrung, in der Öffentlichkeit so präsent zu sein. Zurzeit ist er auf Plakaten zu sehen, mit denen für die Sat.1-Satire „Der Minister“ geworben wird. Am Dienstag wird der Film ausgestrahlt. Schumann, 36 Jahre alt, spielt den Titelhelden Franz Ferdinand von und zu Donnersberg. Erinnerungen an Karl-Theodor zu Guttenberg werden wach – und das ist auch gewollt. Ausgerechnet Schumann, ein bekennender Ostler, der aus seiner systemkritischen Haltung keinen Hehl macht, hat die Rolle des Adeligen übernommen, der in der Politik schnell aufstieg und steil abstürzte.

Sie sehen als Franz Ferdinand von und zu Donnersberg dem damaligen Minister Karl-Theodor zu Guttenberg frappierend ähnlich. Worin lag der Reiz, eine Rolle zu spielen, die dem Original äußerlich so nahe kommt?

Bis zum Casting hatte ich mich nicht besonders für Karl-Theodor zu Guttenberg interessiert. Wie ein Mann bar jeder Qualifikation zum Minister gemacht und zum Popstar aufgebauscht wurde, das war für mich nur eine einzige Blase.

Was hat Sie dann gereizt?

Spannend fand ich, wie die Figur in dem großartigen Drehbuch von Dorothee Schön beleuchtet wird. Diese sprachgewaltige Geschichte erinnerte mich an Gogols „Revisor“, oder an eine klassische griechische Tragödie – nur die Katharsis fehlt, wie auch beim echten Minister.

Aber war es nicht doch ein besonderer Moment, als Ihr Franz Ferdinand am Küchentisch seines Freundes Max, dem Ghostwriter, die Haare zurückkämmt und eine Brille aufsetzt, um seriöser zu wirken, wie er sagt?

Ich finde die äußerliche Verwandlung gar nicht so entscheidend. Ich sehe mit zurückgegelten Haaren eigentlich eher aus wie ein italienischer Gigolo. Viel wichtiger ist doch die innere Transformation: Wo kommt das her? Denn Franz Ferdinand steht ja unter dem Druck seines adligen Elternhauses, endlich die gebührende Rolle zu spielen.

Solange Franz Ferdinand seinem Jugendfreund Max vertraut, ist er einem fast sympathisch.

Ja, das fand ich am Drehbuch auch so interessant: Franz Ferdinand ist gar nicht doof: Seine Entscheidung, auf seinen Jugendfreund zu bauen, ist sogar richtig klug. Es ist schließlich wichtig, die richtigen Leute um sich zu scharen.

Rocken im Büro zu "Highway to Hell"

In einer Szene, die dem Team offensichtlich viel Spaß gemacht hat, rocken Franz und Max zu den Klängen von „Highway to Hell“ ihr neues Ministerbüro. Stehen Sie privat auch auf AC/DC?

Das ganze Team liebt diese Szene – ich natürlich auch. Ich selbst stehe allerdings nicht so auf Mainstream, ich suche immer die Extreme: Wenn Metal, dann Trash Metal. Im Augenblick interessiere ich mich vor allem für Minimal Elektro.

Haben Sie einen Freundeskreis, der Sie vom Abheben bewahrt?

Freunde sind mir ganz wichtig – der Raum des Verzeihens ist zwischen Freunden viel größer als in einer Partnerschaft. Freunde haben mir geholfen, als ich, vor allem nach „Doctor’s Diary“, etwas den Boden unter den Füßen verloren hatte. Irgendwann glaubt man selbst, man sei der Geilste, ist egofixiert und bewegt sich wie ein Trampeltier durch sein Privatleben. Zu Johann von Bülow, der den Freund Max spielt, hat sich inzwischen auch privat eine Freundschaft entwickelt.

Sind Sie auch, wie Franz Ferdinand im Film, von der Boulevardpresse hochgejubelt und runtergeschrieben worden?

So extrem war es bei mir bisher noch nie. Harte, auch persönlich verletzende Kritiken kenne ich vor allem vom Theater – und natürlich vom Spiegel.

Wenn es die Plagiatsaffäre nicht gegeben hätte, wäre Karl-Theodor zu Guttenberg möglicherweise immer noch Verteidigungsminister und müsste sich auch mit der Lage im Nahen Osten und in Syrien befassen. Ihr Vater stammt aus Syrien – haben Sie Kontakt zu ihm?

Die Hemmschwelle für eine solche Annäherung ist immer noch zu hoch – und die Lage in Syrien erschreckend, wie überhaupt im gesamten Nahen Osten. Ich teile hier die Haltung von Stephane Hessel.

Was hat der gerade verstorbene französische Autor und Resistance-Kämpfer gesagt?

Der Westen hätte alle arabischen Länder an einen Tisch holen sollen, anstatt auf den 11. September mit Panzern und Bomben zu antworten. Aber dem Weltkapital geht es nicht um den Frieden, sondern um die Verteilung der Ressourcen. Dies hielt übrigens auch Verteidigungsminister Guttenberg für ein legitimes Ziel.

Insgesamt zeigt der Sat.1-Film die große Politik aber eher als Geschäft ohne Inhalte: Jeder Politiker denkt nur daran, wie er ankommt. Ist das überzeichnet?

Nein, ich denke nicht – und es betrifft ja nicht nur die Politik, sondern die gesamte Gesellschaft. Wir leben in einer Verpackungsgesellschaft, in der vor allem das Äußere zählt. Authentizität wird ja schon als etwas ganz Besonderes gefeiert. Dabei ist sie eigentlich das Normalste der Welt.

Das Gespräch führte Torsten Wahl.

Auch interessant

Kommentare

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

wir erweitern den Kommentarbereich um viele neue Funktionen. Während des Umbaus ist der Kommentarbereich leider vorübergehend geschlossen. Aber keine Sorge: In Kürze geht es wieder los – mit mehr Komfort und spannenden Diskussionen. Sie können sich aber jetzt schon auf unserer Seite mit unserem Login-Service USER.ID kostenlos registrieren, um demnächst die neue Kommentarfunktion zu nutzen.

Bis dahin bitten wir um etwas Geduld.
Danke für Ihr Verständnis!