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Beben in Berlin: Haushaltssperre kommt – Debatte um Schuldenbremse spitzt sich zu

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Die Haushaltssperre des Finanzministeriums (BMF) muss die Ampel ihre Haushaltspolitik neu aufstellen. Robert Habeck stößt die Debatte zur Schuldenbremse an.

Berlin – Die Nachricht in der Nacht zum Dienstag (21. November) könnte die Ampel in den kommenden Tagen vor existenzielle Probleme stellen und zu einer echten Zerreißprobe werden: Nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts sperrt das Finanzministerium (BMF) zahlreiche Posten im Bundeshaushalt. Denn man kann sich gerade nicht sicher sein, welche Gelder in den kommenden Jahren überhaupt noch fließen können. Betroffen sind die Etats von quasi allen Ministerien in Deutschland. Die Koalition aus SPD, Grüne und FDP ist nun gefordert und muss ihre Haushaltspolitik neu sortieren. Das Urteil aus Karlsruhe entfacht in der Ampel erneut die Debatte um ein Aussetzen der Schuldenbremse.

Finanzministerium (BMF) kündigt Haushaltssperre an: Schuldenbremse infrage gestellt

„Das BMF stoppt die Verpflichtungsermächtigungen in 2023, um Vorbelastungen für kommende Jahre zu vermeiden“, berichtete am Montagabend zuerst der Spiegel aus den Kreisen des Finanzministeriums. Zwar sind aktuelle Ausgaben in diesem Jahr und bestehende Verbindlichkeiten nicht betroffen, allerdings dürften nur keine neuen eingegangen werden. „In Ausnahmefällen können Verpflichtungsermächtigungen entsperrt werden“, hieß es weiter. Das Bundesverfassungsgericht hatte zuvor die Umschichtung von Corona-Krediten in den Klima- und Transformationsfonds für nichtig erklärt. Das begründeten die Richter unter anderem damit, dass der Bund die Ausnahmeregel der Schuldenbremse nicht ausnutzen dürfe, um Kredite auf Vorrat anzuhäufen.

Bundeskanzler Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner stehen vor neue Problemen. Das BMF hat eine Haushaltssperre verkündet.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, r-l), Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, stehen vor neue Problemen. Das BMF hat eine Haushaltssperre verkündet. © Christoph Soeder/dpa

Schnelle Lösungen sind jetzt gefragt, um die Auswirkungen der BMF-Entscheidung zur Haushaltssperre möglichst schnell anzugehen. Aufgrund der finanziellen Lücke ist dies aber kaum möglich. Noch bevor die finanzpolitische Notbremse des Bundesfinanzministeriums öffentlich wurde, gab es innerhalb der Ampel Stimmen, die die Schuldenbremse infrage gestellt haben. Um einen Ausweg aus dem Finanzloch zu finden, bekräftigte die SPD zuvor ihre Forderungen nach einem Aussetzen der Schuldenbremse in Deutschland, um das 60-Milliarden-Euro-Finanzloch zu stopfen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist zwar ebenfalls kein Verfechter der Schuldenbremse, sieht für Änderungen aber keine Mehrheiten.

Schuldenbremse wegen Haushaltssperre auf dem Prüfstand: SPD für Aussetzen

Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich spricht sich für ein Aussetzen der Schuldenbremse aus, um die Auswirkungen des Haushaltsurteils abzumildern. „Wir werden aus meiner Sicht nicht darum herumkommen, für 2024 die Ausnahmeregel zu ziehen – womöglich auch länger“, sagte er zuvor dem Stern. „Die Aufgaben, die vor uns stehen, sind ja nicht nächstes Jahr erledigt. Vor uns liegen gewaltige Herausforderungen, bei der Klimawende, der neuen Industriepolitik, aber auch außenpolitisch.“

Was ist eine Verpflichtungsermächtigung?

Mit der BMF-Entscheidung zur teilweisen Haushaltssperre hat Christian Lindner ein Beben in der deutschen Politik ausgelöst. Für 2024 sind Verpflichtungsermächtigungen gestoppt. Im Detail handelt es sich bei diesem Instrument um ein Mittel der Haushaltswirtschaft, die es einer Verwaltung ermöglicht, Verpflichtungen für Investitionen erst zu einem späteren Haushaltsjahr in Ausgaben zu wandeln. Es handelt sich dabei quasi um einen Vorgriff auf spätere Haushaltsjahre. Die Details und die Höhe der Verpflichtungsermächtigungen sind auf Bundesebene über das Haushaltsgesetz geregelt.

Die jetzige Teil-Haushaltsperre des Finanzministeriums (BMF) von Christian Lindner (FDP) soll nach Abgaben von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert allerdings keine Auswirkungen auf die aktuellen Finanzverpflichtungen des Bundes haben. Die Sperrung von Posten im Haushalt für das laufende Jahr bedeutet nach Angaben aus dem Finanzministerium keine Ausgabensperre. Für 2023 eingestellte Gelder könnten regulär fließen, hieß es am Dienstagmorgen in Ministeriumskreisen. Der Schritt des Bundesfinanzministeriums bedeute nicht, dass der Staat keine Ausgaben mehr tätigen dürfe, sagte Kühnert am Dienstag im ARD-„Morgenmagazin“. Gleichzeitig machte der Politiker aber auch deutlich, dass es wegen der Haushaltssperre und dem Umgang mit der Schuldenbremse in Deutschland dringenden Redebedarf in der Ampel-Koalition.

Auswirkungen von Haushaltssperre: Haushaltsausschuss könnte Ampel neuen Ärger bringen

Welche Auswirkungen durch die jetzige Haushaltssperre resultieren, muss im Detail aktuell von Verfassungsjuristen geklärt werden. Doch klar ist, dass die Ministerien gegenwärtig keine Versprechen für 2024, 2025 und 2026 mehr machen können. Konkret wurden sogenannte Verpflichtungsermächtigungen für den Fall vorsorglich gesperrt, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch auf ältere Rücklagen in anderen Sondervermögen anzuwenden ist. Wie etwa die Deutsche Presse-Agentur berichtet, lauert derweil in der Anhörung von Sachverständigen im Haushaltsausschuss noch deutlich größerer Ärger für die Ampel.

Sollten die Fachleute im Haushaltsausschuss zu dem Schluss kommen, dass auch ältere Rücklagen durch das Urteil der Verfassungsrichter betroffen sind, hätte die Bundesregierung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) ein noch viel größeres Problem als bisher angenommen. Denn es fehlten dann nicht nur 60 Milliarden Euro für Klimaprojekte und die Modernisierung der Wirtschaft, sondern es wären bereits Milliarden an Euro ausgegeben worden, die die Politik nicht hätte einplanen dürfen. Der „Doppelwumms“ von Scholz ist durch Lindners Haushaltssperre derweil gefährdet.

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