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Russlands Strategie im Ukraine-Krieg: Das plant Putin

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Russlands Machthaber Wladimir Putin scheint sich auf einen langen Zermürbungskrieg einzustellen und darauf zu setzen, dass der Westen den Schutz der Ukraine irgendwann einstellt.
Russlands Machthaber Wladimir Putin scheint sich auf einen langen Zermürbungskrieg einzustellen und darauf zu setzen, dass der Westen den Schutz der Ukraine irgendwann einstellt. © Mikhail Metzel/AP/dpa

Russland scheint darauf zu setzen, dass der Westen früher oder später einknickt und dem Kreml in der Ukraine den Weg frei macht. Doch den Preis zahlen andere.

Moskau – Seit mehr als 100 Tagen stehen sich im Ukraine-Krieg nicht nur Soldaten und Kämpfer in Grenzregionen und bei Straßenschlachten gegenüber, sondern auf diplomatischer Ebene auch Russland und der Westen, der die Ukraine bereits in den ersten Tagen des Kriegs mit Waffenlieferungen und finanziellen Hilfen unterstützte und den Invasoren Russland auf der anderen Seite mit scharfen Sanktionen belegte.

Geht es nach den Plänen von Russlands Machthaber Wladimir Putin, soll sich das bald ändern. Das berichtete am Freitag die Washington Post, die sich auf die Aussagen anonymer Kreml-Insider beruft. Demnach stelle man sich in Moskau darauf ein, dass der Krieg in der Ukraine zu einem langfristigen Zermürbungskrieg erwachse und erst dadurch entschieden würde, dass der Westen aufgrund des wirtschaftlichen und politischen Drucks von der Unterstützung der Ukraine absieht.

Ukraine-Krieg: „Die Stimmung im Kreml ist, dass wir nicht verlieren können“

Dass es zu dieser Entwicklung komme, sei für das russische Staatsoberhaupt keine Frage des Ob, sondern allenfalls des Wann, meint etwa ein russischer Milliardär, der laut Berich enge Beziehungen zur Regierung in Moskau pflegt: Putin glaube, dass der Westen seinen aktuellen Kurs nicht lange durchhalten könne und einknicken werde, erzählte er der US-Zeitung, wohl wissend, dass Putin bereits zu Beginn des Kriegs nicht mit der deutlichen Reaktion des Westens auf den Einmarsch in der Ukraine gerechnet hatte.

Als Grund gab der Milliardär die Annahme Russlands an, dass die westlichen Staatsoberhäupter etwa vor dem Hintergrund demokratischer Wahlen den Sanktionskurs nicht gesellschaftlich rechtfertigen könnten: Vor diesem Hintergrund glaube Putin daran, „dass er die Situation umformen kann und auf lange Sicht den Krieg“ gewinne. Auch ein hochrangiger Regierungsbeamter, der zu seinem Schutz anonym bleiben will, bestätigte Putins Optimismus: „Die Stimmung im Kreml ist, dass wir nicht verlieren können, egal wie hoch der Preis ist.“

Sanktionen gegen Russland im Ukraine-Krieg: Folgen könnten im Herbst spürbarer werden

So betonte etwa Kreml-Sprecher Dmitry Peskow in einem Interview mit der Washington Post, dass die Sanktionen auf russische Gasexporte den EU-Staaten sowie Großbritannien mehr schadeten als Russland selbst: „Der Westen macht Fehler über Fehler, was die Krise verstärkt, alles nur weil man dort der Meinung ist, dass die Geschehnisse in der Ukraine und die Handlungen Putins falsch sind.“

Im Gegenzug rechnen Fachleute damit, dass die Folgen der Sanktionen gegen Russland spätestens im Herbst noch viel deutlicher spürbar sein würden, davor habe auch die Leiterin der russischen Zentralbank, Elvira Nabiullina, gewarnt. Zu den möglichen Folgen zählen laut Washington Post eine Inflationsrate von über 20 Prozent und die tiefste Rezession in Russland seit Ende des Kalten Krieges. Dem Regierungsbeamten zufolge solle sich die Welt auf einen „wirtschaftlichen, politischen und moralischen Zermürbungskrieg“ einstellen, und abwarten was im Herbst passiert, wenn die Auswirkungen der Sanktionen Russland besonders hart treffen sollten.

Russische Strategi in der Ukraine: Russland hofft auf Lebensmittelkrise und neue Fluchtströme

Ein weiterer Aspekt, der bei der Hoffnung eines Rückzugs des Westens für den Kreml eine Rolle spielen könnte, sind die Probleme, die durch die Blockade von Getreidelieferungen aus der Ukraine erwachsen, sind sich Fachleute einig. So rechnen Wirtschaftsexpertinnen und -experten damit, dass die fehlenden Nahrungsmittel gerade in Afrika und dem Nahen Osten zusätzliche Krisen heraufbeschwören könnten, welche dafür sorgen, dass wieder mehr Menschen Richtung Westen fliehen und die EU vor die Herausforderung einer weiteren Geflüchtetenkrise stellen.

Dass dieser Effekt tatsächlich Teil der perfiden russischen Pläne sein sollte, bestätigte zuletzt auch der Kreml-Sicherheitsexperte Nikolai Patrushev in einem Interview mit der staatlichen Zeitung Rossiyskaya Gazeta: „Die Welt fällt nach und nach in eine noch nie dagewiesene Ernährungskrise. Millionen Menschen in Afrika und dem Nahen Osten werden kurz vorm Verhungern sein – und Schuld hat der Westen. Um zu überleben, werden sie nach Europa fliehen. Ich bin mir nicht sicher ob Europa diese Krise überleben wird.“, zitiert die WP aus dem russischen Medium.

Dem gegenüber stünde mit Russlands Machthaber Putin ein „sehr geduldiger Kerl“, der es sich leisten könne, die aktuelle Situation noch „sechs bis neun Monate auszusitzen“, betont auch der anonyme russische Milliardär: „Er hat die russische Gesellschaft weitaus besser unter Kontrolle als die westlichen Staaten ihre Gesellschaften“, ein baldiger militärischer Sieg in der Ukraine sei deswegen, zumindest in Putins Augen, zumindest für den Moment gar nicht nötig. (ska)

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