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Cesar Luis Menotti: „Sie verkaufen keinen Rauch“

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Sagt an, wo es langgeht: Argentiniens Trainer Lionel Scaloni.
Sagt an, wo es langgeht: Argentiniens Trainer Lionel Scaloni. © dpa

Wie es Trainer Lionel Scaloni geschafft hat, Lionel Messi und Argentinien auf Titelkurs zu halten.

Als Argentinien drauf und dran schien, aus dem WM-Turnier auszuscheiden - nach der sensationellen 1:2-Auftaktniederlage gegen Saudi-Arabien -, hat der Trainer Lionel Sebastian Scaloni einen Satz gesagt, der typisch war für ihn: „Auch morgen geht die Sonne wieder auf.“ Es geht ja immer weiter, auch wenn es den tief demoralisierenden Südamerikanern vor drei Wochen so schwerfiel, jeder neue Tage bringe neue Chancen. Und diesen Satz hatte Scaloni ähnlich schon einmal gesagt, 2006, als ihm als Verteidiger bei West Ham United im FA-Cup-Finale gegen den FC Liverpool bei eigener 3:2-Führung in der Nachspielzeit ein kapitaler Fehler bei einem Befreiungsschlag unterlief und Steven Gerrard ausgleichen konnte. Liverpool gewann im Elfmeterschießen, der Vertrag von Scaloni wurde danach nicht verlängert.

Der Mann, der bei diesem Turnier fast nur im blauen Trainingsanzug zu sehen ist, hat aber nach der Pleite auch noch gesagt: „Unser Stil ist nicht verhandelbar.“ Ein Abrücken von der eingeschlagenen Ausrichtung komme nicht in Frage, es könne ja nicht alles falsch gewesen sein, wenn eine Auswahl, die inzwischen nach ihrem Trainer „Scaloneta“ heißt, zuvor 36 Spiele unbesiegt geblieben war und unter anderem gegen Brasilien die Copa America gewonnen hat. Und es zeigt, dass dieser 44-jährige, unprätentiöse Coach, im Weltfußball bis dato nicht unbedingt ein schillernder Name, unter einem Mangel an Selbstbewusstsein ganz sicher nicht leidet.

Dabei war der Mann aus dem ländlich geprägten Pujato, 50 Kilometer westlich von Rosario, der Heimat von Lionel Messi, eigentlich in Argentinien nur als günstige Notlösung als Nachfolger von Jorge Sampaoli gedacht, 2018 wurde die Bitte an den damaligen U20-Trainer herangetragen, er zögerte keine Sekunde - und stellte in Pablo Aimar, Walter Samuel, Roberto Ayala, allesamt ehemalige Nationalspieler und Freunde, einen bestens harmonierenden, sich ergänzenden Staff zusammen. „Sie verkaufen keinen Rauch“, lobte Argentiniens Trainer-Ikone Cesar Luis Menotti.

Seine größte Leistung war aber zweierlei: Einmal Lionel Messi zurückzuholen. Wie das ging, sagte er dieser Tage der „Süddeutschen Zeitung“: „Als wir die Mannschaft übernommen haben, haben wir zusammen mit Pablo ein Videotelefonat mit Messi geführt und gesagt: Leo, wir werden die Selección für diese Spiele übernehmen und wir wollen dich wissen lassen, dass die Türen offen sind – aber dass es vielleicht besser ist, wenn du erst mal nicht kommst.“ Scaloni wolle erst eine gefestigte Truppe haben, bevor Messi sich einreihen sollte, erklärte Scaloni, selbst siebenfacher Nationalspieler. Messi, dessen Idol Pablo Aimar war, habe daraufhin gesagt: „Sobald ihr wollt, bin ich da.“ Und als es ernst wurde, war er dann auch da. Und wie. Messi fühlt sich pudelwohl im Team der Mate-Trinker, er ist der Anführer, sein Verhältnis zum durchaus impulsiven Scaloni ist ein freundschaftliches, herzliches, Scaloni, der acht Jahre bei La Coruna spielte und acht Jahre in Italien bei Lazio Rom und Atalanta Bergamo, begann sein Karriere übrigens bei Messis Stammklub Newell’s Old Boys in Rosario.

Klare Kante

Zweitens ist es dem passionierten Radfahrer Scaloni, der zudem die spanische und italienischen Staatsbürgerschaft besitzt, gelungen, die argentinische Mannschaft zu einer Einheit zu formen, die sich untereinander und vor allem auf dem Platz bestens versteht. Und er hat es geschafft, dass alle, wirklich alle im Kader für ihren Primus inter Pares laufen und ackern, und der lässt im Gegenzug jeden Einzelnen im Ensemble mit Geniestreichen glänzen. Wer gesehen hat, wie Julian Alvarez, dessen Stern mit vier Toren bei dieser WM aufgegangen ist, in der letzten Minute einen Sprint ansetzte, ahnt, dass es stimmen muss in dieser Elf.

Er ist aber auch ein sehr bodenständiger Trainer, der die Dinge beim Namen nennt. „Wenn einer ein rechter Verteidiger ist, dann ist er ein rechter Verteidiger und kein verteidigender Achter oder abgekappter Vierer“, sagte er in der „SZ“. Der Vater zweier Söhne, der auf Mallorca lebt, hat sich schon immer, schon zu seiner aktiven Karriere für die Arbeit eines Trainers interessiert, hat mit ihnen diskutier, und sich fleißig Notizen gemacht. Die Aufzeichnungen der Trainingsarbeit aus Rom oder Bergamo hat er aufgehoben, gerade in Italien habe er nochmals viel über Taktik und Spielverständnis gelernt.

Die Krönung seines unspektakulären Wirkens soll am Sonntag geschehen, wenn Messi den Pokal in die Höhe stemmt. Lionel Scaloni wird wieder im Trainingsanzug stehen, und er wird wohl den Kampf gegen die Tränen verlieren. Wie so oft in Katar. Nah am Wasser ist er nämlich auch gebaut.

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