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„Man kann keine Insel aus dem Katalog kaufen“

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Insel-Makler Farhad Vladi.
Insel-Makler Farhad Vladi. © picture-alliance/ dpa

Inselhändler Farhad Vladi spricht im Interview über das Glück, ein Eiland zu besitzen, das dafür nötige Kapital und die unterschiedlichen Ansprüche von Frauen und Männern. (FR+)

Weihnachten ist da. Ein anstrengendes Jahr geht zu Ende. Arbeit, Eile und Ärger lassen nach, der Mensch kommt zur Ruhe, sucht Entspannung. Er ist reif für die Insel. Da kann Farhad Vladi helfen. Denn Inseln sind sein Geschäft. Er verkauft große und kleine, billige und teure, mit Haus, Palmen und Strand oder ganz kahl. Inseln sind Traumorte. „Sie machen dich zu einem besseren Menschen“, sagt Vladi.

Herr Vladi, seit 40 Jahren handeln Sie mit Inseln. Was antworten Sie, wenn Sie nach Ihrem Beruf gefragt werden?
Ich bin Kunsthändler der Natur. Das ist zwar nicht ganz ernst gemeint, aber auch nicht ganz abseitig. Inseln sind tatsächlich Kunstwerke, jede sieht anders aus. Eigentumswohnungen sind vielfach identisch, Inseln unterscheiden sich nach Bodenbeschaffenheit, Vegetation, Klima. Eine hat eine Anhöhe, eine andere ein kleines Tal und die dritte einen Strand.

Der Klimawandel lässt die Meerespegel steigen. Betreiben Sie ein sterbendes Gewerbe?
Wenn der Meeresspiegel um zwei Meter steigt, muss man sich um keine meiner Inseln Sorgen machen, die sind hoch genug. Da gibt es ganz andere Orte, um die man fürchten muss. Hier in Hamburg hätten wir dann Land unter, Amsterdam würde komplett verschwinden, Florida gäbe es zu zwei Dritteln nicht mehr. Es wundert mich immer, dass die Menschen beim Stichwort Klimawandel immer sofort an gefährdete Inseln denken – die es natürlich auch gibt. So stehen die Malediven und Inseln im Pazifik vor großen Problemen.

Wie viel muss man bei Ihnen hinlegen, um eine ganze Insel zu kaufen?
Kommt auf die Größe und ein bisschen auf die Region an. Man kann ab 50 000 Euro einsteigen. Dafür kriegt man nichts Gewaltiges, aber schon eine hübsche Insel in den schwedischen Schären oder in Irland. Unsere Inseln kosten meist zwischen 500 000 und 2,5 Millionen Euro. Ich habe allerdings schon eine kanadische Insel verkauft, die nur 5000 Dollar kostete, weil man darauf nicht bauen durfte. Der Käufer hatte sich aber in sie verliebt und sich ein Zelt draufgestellt.

Und so eine Klischee-Insel mit Strand und Palmen, was kostet die?
Da ist man dann so ab 100 000 oder 150 000 Euro dabei.

Inselhändler – wie kommt man auf so eine Geschäftsidee?
Ursprünglich wollte ich mir bloß selbst eine Insel kaufen. Ich hatte „Robinson Crusoe“, „Die Schatzinsel“ und all die anderen Bücher gelesen und dachte: Jetzt will ich auch eine. Ich wurde damals auch fündig. Der Kauf scheiterte zwar an Geldmangel. Aber damit hatte ich einen Einstieg in das Geschäft.

Haben Sie am Ende eine Insel für sich gefunden?
Ja, eine kleine an der Ostküste Kanadas. Die habe ich aber nur selten genutzt. Vor 25 Jahren erwarb ich dann eine Insel bei Neuseeland, wo ich noch immer jedes Jahr den Winter verbringe. Den Rest des Jahres vermiete ich sie.

Was macht eine gute Insel aus?
Kommt darauf an, ob Sie eine Frau fragen oder einen Mann.

Wo ist der Unterschied?
Die Frau fragt als Erstes, wie lange man zum nächstgelegenen Krankenhaus braucht. Männer kümmert das zunächst nicht. Männer denken immer, sie seien unsterblich. Von den Inseln, die ich verkaufe, muss ein Krankenhaus immer in höchstens 90 Minuten zu erreichen sein.

Worauf muss man bei einer Insel noch achten?
Da gibt es eine Checkliste. Die Insel muss verbriefbar sein, also man muss unumschränktes Eigentum an ihr erwerben können. Es darf sich nicht um ein Vogelschutzgebiet handeln, sonst kann man nicht bauen. Die politische Lage muss stabil sein, man möchte ja nicht enteignet werden. Die Insel muss außerdem erreichbar sein. Dabei geht es nicht nur um die Entfernung zum Festland, es braucht auch Orte, an denen man mit dem Boot anlegen kann. Die Insel muss zudem Grundwasser haben – und sie muss natürlich schön sein. Die erste Frage ist daher: Palme oder Tanne, Süden oder Norden?

Wie trifft man diese Entscheidung?
Man muss selbst hinfahren, man kann keine Insel aus dem Katalog kaufen. Denn mit Inseln ist es wie mit Menschen – schon beim ersten Treffen merkt man, ob jemand einem sympathisch ist oder nicht. Wenn man auf eine Insel geht, spürt man sofort ihre Energie, das lässt sich kaum erklären. Deswegen reicht es nicht, sich Bilder anzusehen – wer eine Insel erwerben will, muss vor Ort sein. Und wenn man dann das erste Mal seinen Fuß auf die Insel setzt, in dieser Sekunde klickt es – positiv oder negativ. Man fühlt zuerst und denkt dann nach.

Wie finden Sie die Inseln, die Sie verkaufen?
Vor 40 Jahren war das ein Problem, da es keinen Markt gab. Wir sind daher in inselverdächtige Gegenden gefahren, haben uns in den Hubschrauber gesetzt, haben fotografiert, Eigentümer ausfindig gemacht, Akten angelegt und so weiter. Heute haben wir einen großen Bestand und zudem Kontakt zu vielen Inselbesitzern, die ihre Inseln verkaufen wollen.

Warum sollte man das tun?
Eigentlich will sich niemand von seiner Insel trennen, für die meisten ist sie wie ein Kind in der Familie. Doch manchmal wird ein Verkauf zwingend aus Gründen, die im englischen die „3 D“ genannt werden: Debt, Death, Divorce – also Schulden, Tod oder Scheidung.

Stahl, Autos, Bau, Software – alle Branchen haben Konjunkturen. Die Inselbranche auch?
Die Nachfrage hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Heute kaufen eher ältere Menschen Inseln, also so ab 45 Jahren. Die jüngere Generation sucht mehr Erlebnis und Genuss, weniger den Besitz. Ein junger Mensch schindet heute mehr Eindruck, wenn er von seiner Tour durch den Himalaya berichtet als wenn er erzählt, er habe eine Insel. Wir vermieten daher zunehmend Inseln – das ist für die Kunden auch viel preiswerter.

Warum kaufen sich Menschen überhaupt Inseln? Was macht ein Stück Land so besonders, wenn es von Wasser umschlossen ist?
Also erstens spürt man auf jeder Insel eine eigene Energie. Zweitens hat man dort das Gefühl der Kontrolle. Eine Insel hat deutliche Grenzen, sie ist übersichtlich. Zudem halten diese Grenzen und das Wasser die Außenwelt fern. Auf der Insel habe ich meine Ruhe, es gibt keine Vorschriften, niemand sagt mir, was ich zu tun und zu lassen habe. Will ich einen Baum fällen, fälle ich ihn oder ich lasse es bleiben oder ich pflanze einen neuen. Hier kann ich bestimmen. Die Insel schützt mich.

Inseln geben das Gefühl der Kontrolle, sagen Sie. Für Robinson Crusoe bedeutete das Stranden auf einer einsamen Insel etwas völlig anderes: nicht Kontrolle, sondern Hilflosigkeit, Einsamkeit, ein Ausgeliefertsein an die Natur. Am Anfang steht die Beschränkung, die dann gemeistert wird.
Ich kenne die Crusoe-Geschichte gut und kannte auch noch die Mutter des letzten Nachfahren von Alexander Selkirk, dem historischen Vorbild des Crusoe-Romans. Eine der Waffen von Selkirk hängt in meinem Büro. Dass die Menschen heute mit einsamen Inseln Freiheit und nicht Gefahr verbinden, liegt sicher an den technischen Möglichkeiten – Crusoe konnte seine Insel nicht verlassen, auf meinen Inseln gibt es dagegen auf Wunsch auch WLAN.

Crusoe litt unter mangelnder Gesellschaft. Aus Urlaubserzählungen heute kennt man dagegen den begeisterten Satz der Zurückgekehrten: „ Wir waren dort ganz allein!“ Woher kommt dieses große Bedürfnis, allein zu sein?
Wahrscheinlich weil wir im Alltag immerzu das Gefühl haben, uns nach anderen richten zu müssen, fremden Bedürfnissen folgen zu müssen. Auf einer eigenen Insel dagegen muss man keine Rücksicht nehmen, es gibt keine Nachbarn, keine Hunde, niemand nervt, niemand gibt Befehle. Das bedeutet Freiheit und Ruhe. Es gibt allerdings auch Menschen, die sich an diese Ruhe gewöhnen müssen. Daher rate ich jedem, der sich eine Insel kaufen will: Fahr vorher hin, miete dich ein und schau, wie es sich anfühlt.

Verändert sich der Mensch auf der Insel?
Der Lebensrhythmus verändert sich auf jeden Fall. Man steht mit der Sonne auf und geht mit der Sonne schlafen, man lebt nahe der Natur und kommt mit sich und der Welt ins Gleichgewicht. Ich weiß auch nicht genau, wie das funktioniert, aber es ist so. Inseln sind Apotheken für die Seele.

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