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„Kannibalischer“ Massenauswurf der Sonne rauscht Richtung Erde

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Die Sonne schleudert geladenes Plasma ins Weltall. Eine Plasmawolke „kannibalisiert“ dabei eine zweite – und dürfte bald die Erde erreichen.

Frankfurt – Die Aktivität der Sonne verändert sich in einem etwa elfjährigen Zyklus, dem sogenannten Sonnenfleckenzyklus. Derzeit nähert sich die Sonne dem Maximum ihrer Aktivität, das je nach Berechnung im Jahr 2024 oder 2025 erreicht werden soll. Bereits jetzt merkt man deutlich, dass die Sonne aktiver wird: Immer wieder treffen Sonnenstürme die Erde und lösen Polarlichter aus.

Aktuell ist ein sogenannter „Kannibale“ auf dem Weg zur Erde: Ein koronaler Massenauswurf (CME) – eine große, sich schnell bewegende Wolke magnetisierten Plasmas – wurde von der Sonne herausgeschleudert und von einem zweiten, schnelleren CME eingeholt und „kannibalisiert“. Nun rast ein große Plasmawolke von der Sonne auf die Erde zu und könnte sie Berechnungen zufolge am 18. Juli treffen.

Sonnensturm kann Polarlicht auf der Erde entstehen lassen

Erreicht ein solcher Sonnensturm das Magnetfeld der Erde, können geomagnetische Stürme entstehen. Dabei handelt es sich um Störungen im Magnetfeld der Erde, die sich in Form von wunderschönen Polarlichtern auch in größerer Entfernung von den Polen bemerkbar machen können.

Die erste Sonneneruption ereignete sich laut Space.com am 14. Juli im bis dahin unauffälligen Sonnenfleck AR3370. Ein zweiter, schnellerer CME wurde am Tag darauf vom größeren Sonnenfleck AR3363 herausgeschleudert. Eine Simulation des Space Weather Predicition Centers der US-Wetter- und Ozeanografiebehörde NOAA zeigt, dass der zweite Sonnensturm den ersten einholt und „kannibalisiert“. Die neue, größere Plasmawolke rast dann weiter in Richtung Erde, wo sie mit großer Wahrscheinlichkeit am 18. Juli auf das Magnetfeld treffen wird.

Zweiter Massenauswurf der Sonne „kannibalisiert“ den ersten

„Kannibalen“-CME sind selten, da zwei aufeinanderfolgende Sonneneruptionen genau ausgerichtet sein müssen und bestimmte Geschwindigkeiten benötigen. In den vergangenen Jahren wurden dennoch einige beobachtet – beispielsweise löste ein „Kannibale“ im November 2021 einen der ersten großen geomagnetischen Stürme des aktuellen Sonnenzyklus‘ aus. Nähert sich die Sonne dem Sonnenfleckenmaximum, ist auch die Wahrscheinlichkeit höher, dass sich CMEs gegenseitig „kannibalisieren“ – einfach weil mehr Sonneneruptionen entstehen.

Fachleute haben ursprünglich vorhergesagt, dass der 25. Sonnenfleckenzyklus 2025 sein Maximum erreicht und schwächer wird, als die vergangenen Zyklen. Doch bereits seit einiger Zeit zeigen Daten, dass das Maximum früher erreicht werden könnte. Die Zahl der Sonnenflecken – dunklere, kühlere Flecken auf der Sonne – ist ein Indikator dafür, wie weit fortgeschritten der Sonnenzyklus ist. Doch bereits im Dezember 2022 erreichte die Sonne ein Achtjahreshoch an Sonnenflecken. 2023 zählten Fachleute mehr als doppelt so viele Sonnenflecken, wie die US-Raumfahrtorganisation Nasa vorhergesagt hatte.

Zahl der Sonnenflecken ist höher als vorhergesagt

Und auch in den kommenden Monaten blieb die Zahl der Sonnenflecken hoch – die Zahl der beobachteten Flecken hat die Zahl der vorhergesagten Sonnenflecken in 27 Monaten nacheinander übertroffen, berichtet LiveScience. Zahlreiche Fachleute seien mittlerweile der Ansicht, dass das Maximum des aktuellen Sonnenfleckenzyklus früher beginne als vorhergesagt, heißt es auf dem Wissenschaftsportal.

Die Sonne ist derzeit aktiver als erwartet. Eruptionen auf der Oberfläche schleudern Plasma ins Weltall, das in Form eines Sonnensturms die Erde treffen kann. (Archivbild)
Die Sonne ist derzeit aktiver als erwartet. Eruptionen auf der Oberfläche schleudern Plasma ins Weltall, das in Form eines Sonnensturms die Erde treffen kann. (Archivbild) © NASA/SDO/AIA/Goddard Space Flight Center

Die Beobachtung des Sonnenfleckenzyklus ist wichtig, weil Sonnenstürme nicht nur wunderschöne Polarlichter auf der Erde verursachen, sondern auch gefährlich werden können. So können durch das geladene Sonnenplasma beispielsweise Satelliten in der Erdumlaufbahn Probleme bekommen. Flugzeuge werden bei vorhergesagten Sonnenstürmen umgeleitet, Funkverbindungen können vorübergehend ausfallen. Besonders heftige Sonnenstürme können auch die Infrastruktur auf der Erde in Mitleidenschaft ziehen. Hier geht es vor allem um elektrische Geräte, aber auch die Internet-Infrastruktur könnte betroffen sein.

Carrington-Ereignis war der größte wissenschaftlich beobachtete Sonnensturm

1859 traf der größte wissenschaftlich beobachtete Sonnensturm die Erde, das sogenannte Carrington-Ereignis. Damals waren Polarlichter in Rom und auf Hawaii zu sehen – ein seltener Anblick, denn normalerweise sind Polarlichter auf die Pole konzentriert. Besonders in Mitleidenschaft gezogen wurden damals Telegrafenleitungen: Sie schlugen Funken und setzten Papier in Brand. Nur weil Elektrizität damals noch nicht weit verbreitet war, hielten sich die Auswirkungen des Sonnensturms in Grenzen.

2013 ermittelte eine Studie, welche Auswirkungen ein Sonnensturm mit Carrington-Stärke auf die USA hätte. Das Ergebnis war alarmierend: 20 bis 40 Millionen Menschen in den USA dürften der Studie zufolge bis zu zwei Jahre ohne Strom sein, die ökonomischen Kosten würden sich alleine in den USA auf bis zu 2,6 Billionen US-Dollar belaufen.

Sonnensturm mit Carrington-Stärke verfehlte die Erde 2012 knapp

Im Juli 2012 hat ein Sonnensturm, der offenbar in der Stärke mit dem Carrington-Ereignis vergleichbar war, die Erde knapp verfehlt. Fachleute glauben, dass der Sonnensturm von 2012 für Stromausfälle im großen Rahmen hätte sorgen können. Er hätte „alles lahmgelegt, was an eine Steckdose angeschlossen wird“, schrieb die Nasa damals.

Viel hat die Erde heranrasenden Sonnenstürmen nicht entgegenzusetzen. Die Verteidigung basiert derzeit in erster Linie auf der Beobachtung und Erforschung der Sonne. Sonnensonden wie das „Solar and Heliospheric Observatory“ (Soho) von Nasa und Esa sowie die Nasa-Sonde „Stereo-A“ beobachten die Sonne aus dem Weltall. Hat ein koronaler Massenauswurf stattgefunden, können Fachleute dessen Ankunft an der Erde vorhersagen – es bleiben je nach Geschwindigkeit 12 Stunden bis einige Tage Zeit, bis das Plasma das Erdmagnetfeld erreicht.

In dieser Zeit kann gefährdete Infrastruktur geschützt werden, beispielsweise indem man Stromnetze entsprechend steuert, Flugzeuge am Boden lässt oder Satelliten in einen abgesicherten Modus schaltet. Fehler in der Satellitennavigation können dann korrigiert werden und Flugzeuge können umgeleitet oder am Boden belassen werden. Mehr kann man derzeit nicht tun, um die Erde vor Sonnenstürmen zu schützen. (tab)

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