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Leder-FAQ Was Sie wirklich über Leder wissen müssen

Unterschiedliche Ledersorten
Obwohl "Made in Italy" auf unseren Schuhen stehen mag, stammt das Leder oftmals aus Asien oder Lateinamerika.
© mauritius images / imageBROKER / Johannes Geyer
Wir haben es vermutlich alle im Haushalt: Leder! Dabei wissen wir oftmals gar nicht, wo die Lederware herkommt, wie sie hergestellt wird und was das für unsere Umwelt bedeutet. Wir klären die wichtigsten Fragen rund um die begehrte Tierhaut

Wo kommt unser Leder her?

Die Häute kommen vor allem aus Südamerika, aber auch aus Asien. Leder ist heute ein günstiges Massenprodukt mit enormen Zuwächsen: Laut der Food and Agriculture Oranization der UN (FAO) stieg die weltweite Lederproduktion zwischen 2000 und 2014 um 21 Prozent. Während die Lederindustrie in Asien und Lateinamerika boomt, gehen sowohl Rinderherden als auch Lederproduktion in Europa und den USA stetig zurück.

Ist Leder umweltfreundlich – es ist ja ein Naturprodukt?

Leder hat wie Fleisch keine gute Ökobilanz: Der Flächenverbrauch für die Tierhaltung, der Verbrauch an Wasser, Energie und der CO2-Ausstoß ist enorm. Etwa 500 Liter Wasser braucht allein das Gerben von einem Quadratmeter Leder. Die Lederhäute kommen in der Regel mit Hunderten teils giftigen Chemikalien beim Gerben, Färben und Behandeln in Berührung. Aber: Dabei entsteht ein sehr haltbares Produkt, das bei guter Pflege immerhin lange getragen werden kann.

Marjo/Colourbox

Wie wird Leder hergestellt?

Leder besteht aus chemisch gegerbten - und damit haltbar gemachten - Tierhäuten. Neun von zehn Häuten werden heute in Asien und Lateinamerika billig mit Chromsalzen gegerbt. Das ist giftig: Dabei okzidieren die unbedenklichen Chrom-III-Salze zu Chrom-VI - ein stark krebserregendes, erbgutveränderndes und allergisierendes Schwermetall. Man kann Leder auch pflanzlich - „vegetabil“ - gerben: mit Tanninen aus Rinden, Blättern, Schalen oder Wurzeln. So gibt es zum Beispiel Leder, das mit Olivenblättern, Kastanien oder dem Gerbstoff aus der Rhabarberwurzel gegerbt wurde. Auch Aldehyd-Gerbstoffe oder synthetische Gerbstoffe können Häute in haltbares Leder umwandeln.

Wie wirkt sich die Chromgerbung auf Umwelt und Gesundheit aus?

Eins der weltweit größten Gerbereizentren, Hazari Bag in Bangladesch, gilt als einer der zehn am stärksten verseuchten Orte der Welt. Die Arbeiter, oft Kinder, arbeiten ungeschützt in der giftigen Gerbbrühe, die Abwässer gelangen ungeklärt in den Fluss. Laut Weltgesundheitsorganisation sterben neun von zehn Kinderarbeitern vor ihrem 50. Lebensjahr.

Ist chromgegerbtes Leder grundsätzlich giftig?

Nein. Mit Chrom gegerbtes Leder kann auch ungiftig sein - wenn der Gerber sauber arbeitet. Einige deutsche Traditionsgerbereien (wie zum Beispiel die Gerberei Heinen mit ihrem Siegel Terracare) gerben unter strengen Auflagen mit Chrom-III-Salzen - seit Jahrzehnten ohne einen Fall von Chrom-VI. Ökoleder dagegen - also vegetabil gegerbtes Leder - ist grundsätzlich ungiftig, auch wenn die pflanzlichen Gerbstoffe letztlich Pflanzengifte gegen Fressfeinde sind.

Sind meine Schuhe also giftig?

Leder-Tests des Bundesamts für Risikobewertung (BfR) weisen immer wieder Chrom-VI in Kleidung und Schuhen nach, teils in über 50 % der getesteten Produkte. Die höchste Werte fand das BfR in Lederschuhen, Lederhandschuhen und Lederbekleidung. Auch Kinderschuhe waren betroffen. Sogar wenn „Made in Italy“ auf dem Produkt steht, stammt das Leder oft aus Bangladesch - und ist kontaminiert. Als „Sondermüll“ bezeichnet daher die Gründerin von „Rhabarberleder“, Anne-Christin Bansleben, die normalen Lederprodukte. Das Problem: Selbst wenn die Schuhe frei von Chrom-VI die Fabrik in Asien verlassen, kann sich das giftige Schwermetall beim Transport durch Hitze oder noch im Schaufenster durch Lichteinstrahlung bilden. Und wir Verbraucher nehmen es dann über unsere Haut und besonders die schwitzigen Füße auf. Die Folge: Allein in Deutschland gibt es inzwischen über eine halbe Million Chrom-VI-Allergiker, die kein Leder mehr tragen können. Chrom ist inzwischen eins der wichtigsten Allergene.

Ist vegetabil gegerbtes Leder ökologisch auf jeden Fall besser?

Besser als das billige, chrom-gegerbte Leder aus Asien: ja. Dagegen ist der Öko-Vergleich mit der sauberen Chrom-Gerbung aus Deutschland weniger klar. Denn offizielle Studien gibt es nicht. Wenn man die Gerbstoffe untersucht, wird aber deutlich: Chrom ist nicht umweltfreundlich. Der Abbau des nicht abbaubaren Schwermetalls in afrikanischen und asiatischen Tagebauen verbraucht viel Energie, Böden werden in großem Stil entwässert und Bauern enteignet. Allerdings gehen nur etwa zwei Prozent des Chroms an die Lederindustrie, 98 Prozent verbraucht die Metallindustrie. Vegetabile Gerbstoffe bestehen dagegen aus nachwachsenden Rohstoffen, häufig sogar Abfallprodukten. Das ist ein großer ökologischer Vorteil. Doch auch hier ist Vorsicht geboten: So geht zum Beispiel der Anbau der Gerberakazien in den Tropen auf Kosten des Regenwalds. Und der Quebracho, eine wildwachsende tropische Baumart, wird für die Gewinnung des Gerbstoffs gefällt - und ist inzwischen bedroht. Fazit: Die rasant steigende Nachfrage nach Leder wäre mit vegetabil gegerbtem Leder ohne Öko-Schäden kaum zu decken.

Woran erkenne ich, wie das Leder gegerbt wurde?

Vegetabil gegerbtes Leder Öko-Leder ist offenporiger, weicher, die natürlichen Oberflächenstrukturen bleiben erhalten. So bleibt zum Beispiel die Narbe eines Insektenstichs in der Kuhhaut eher sichtbar. Vegetabil gegerbtes Leder nimmt auch mehr Wasser auf. Das liegt aber nicht nur an der Gerbart - Öko-Leder wird weder nachgeprägt noch versiegelt. Bei herkömmlichem Chrom-Leder ist die Oberfläche meist sehr gleichmäßig, Lebensspuren wie Narben sind nicht mehr sichtbar. Das Leder ist stark wasserabweisend.

Ist vegetabil gegerbtes Leder teurer?

Die Preise variieren stark je nach Hersteller, aber als Daumenregel gilt: Es ist etwa doppelt so teuer wie Chrom-Leder aus Asien, aber nicht teurer als in Deutschland gegerbtes Chromleder.

Welche unabhängigen Siegel gibt es?

Das strengste Öko-Siegel ist die IVN-Leder-Richtlinie: Das Leder wird ausschließlich pflanzlich gegerbt, Chrom ist verboten. Die Rohhäute dürfen nur Nebenprodukte der Fleischproduktion sein, umweltbelastende Chemikalien sind verboten. Außerdem sind gerechte Entlohnung und Arbeitssicherheit vorgeschrieben.

Wo finde ich welches Leder?

Wenn am Schuh kein Siegel oder anderer Hinweis hängt, ist er mit großer Wahrscheinlichkeit: Chrom-Leder aus Asien. Mit allen giftigen Begleiterscheinungen. Öko-Leder-Produkte sind entsprechend gekennzeichnet - und finden sich bei Öko-Mode-Läden oder deren Shops im Internet. In Deutschland sauber mit Chrom gegerbte Lederschuhe finden sich bei Outdoormarken wie Lowa, Meinell, Hawag, Mephisto, Mammut, Laude - oder Bequemschuhherstellern wie Duckfeet.

Was also kaufen?

Früher war Leder ein kostbares Naturprodukt - und sollte so auch wieder gesehen werden. Lederschuhe für 19,90 Euro können nicht sauber hergestellt sein. Also: Lieber ein paar Euro mehr für gut verarbeitete, ökologisch gegerbte Lederschuhe ausgeben. Die halten dann auch mehrere Jahre - unter zwei Bedingungen: regelmäßig einfetten und rechtzeitig reparieren. Dann ist auch aus Öko-Gesichtspunkten nichts gegen einen Lederschuh einzuwenden - und man braucht nicht auf vegane Alternativen auszuweichen.

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