Im Alter von 51 Jahren wurde der britische Bauarbeiter Tommy McHugh mit starken Kopfschmerzen ins Krankenhaus eingeliefert. Er hatte mehrere Haftstrafen verbüßt und war als Konsument illegaler Drogen, als Schläger und Krimineller bekannt. Die Ärzte diagnostizierten einen Hirninfarkt – und operierten sofort.
Als er wieder zu Kräften kam, fühlte sich McHugh wie verwandelt. Er spürte ein unwiderstehliches Verlangen, Notizbücher mit Gedichten und Skizzen zu füllen. Stundenlang bemalte er die Wände seiner Wohnung kunstvoll mit Pastellkreiden. In Interviews beschrieb er den Infarkt als Glücksfall in seinem Leben: Aus dem aggressiven Schläger war ein feinfühliger Künstler geworden. Immer wieder berichten Ärzte, Betroffene und Therapeuten von ähnlichen Vorfällen nach Verletzungen des Denkorgans.
Da ist der Fußballer, der bei einem Zweikampf eine Gehirnerschütterung erleidet. Noch Monate später verfällt er immer wieder unkontrolliert in Lachkrämpfe. Oder jene Frau, die nie großen Wert auf gutes Essen gelegt hat und nach einem Schlaganfall plötzlich den Drang zu edler Küche verspürt. Sie beginnt zu kochen, genießt Mahlzeiten in teuren Restaurants. Wird zur Feinschmeckerin.
Verändert sich die neuronale Aktivität, verändert sich auch unser Charakter
Nirgendwo sonst im Körper haben schon kleine Veränderungen im Gewebe oft solch drastische Auswirkungen wie im Hirn. Amputieren Ärzte einem Patienten ein Bein, hat der Betroffene nach der Operation den gleichen Charakter wie zuvor. Setzen sie einem Menschen ein neues Herz oder eine neue Leber ein, wird der Eingriff den Patienten natürlich verändern, doch sein Wesen bleibt weitgehend gleich. Aber sobald etwas in unserem Denkorgan geschieht, kann es sein, dass sich ein Mensch so sehr verwandelt, dass man ihn kaum noch wiedererkennt.