«Frauen Power pur» heisst es Anfang Oktober bei den KMU Frauen Thurgau. Der Verein zeichnet zum 8. Mal drei besonders innovative Unternehmerinnen mit dem «Thurgauer Unternehmerinnenpreis» aus. Die drei Nominierten sind Margrit Aerne, Anna Lehmann und Shpresa Memedi. Die Firmeninhaberinnen sind in völlig unterschiedlichen Branchen tätig. Sie stehen mittelgrossen Betrieben mit rund 20 bis 60 Mitarbeitenden vor und erwirtschaften Millionenumsätze. «Die Hintergründe der Frauen sind so individuell wie sie selbst. Kein Lebenslauf gleicht dem anderen, dennoch sind sie in gewisser Weise typisch für Unternehmerinnen», stellt Karin Peter, Präsidentin der KMU Frauen Thurgau, fest.

Margrit Aerne begann ihre Laufbahn mit einer Ausbildung als Pflegefachfrau und führt heute den Familienbetrieb – die Geflügeltrans AG in Lanterswil – den sie nach der Gründung im Jahr 2000 mitaufgebaut hat. Dabei war sie hauptsächlich für die Administration und Finanzen zuständig. Sie bildete sich betriebswirtschaftlich weiter, übernahm als Gemeinderätin und langjährige Kantonsrätin in der Politik Aufgaben und ist Mutter von fünf Kindern – ein beeindruckender Leistungsausweis. Sie ist seit dem Gründungsjahr 2000 Mitglied der KMU Frauen Thurgau und engagierte sich während mehreren Jahren im Vorstand. Dieses Netzwerk bietet eine ausgezeichnete Möglichkeit, Wissen und Erfahrungen auszutauschen, die Tätigkeiten der Mitglieder aufzuzeigen und die Betriebe zu präsentieren. Aerne ist eine Macherin, die gerne Verantwortung übernimmt und mit viel Fingerspitzengefühl für ihre Mitmenschen Herausforderungen lösungsorientiert anpackt. Sie fühlt sich wohl in der Transportbranche: «Diese Branche ist ein Dienstleister, in der Frauen gut akzeptiert sind. Wir sind mit sensibler Fracht unterwegs und dafür gebe ich tagtäglich mein Bestes.» Als Verwaltungsratspräsidentin ihrer Firma und Mitglied der Geschäftsleitung ist sie für das Personal und die Finanzen zuständig. «Ein Unternehmen erfolgreich zu führen, braucht Herzblut und Einsatz», so Aerne. Ihre fünf Kinder sind erwachsen und zwei arbeiten im Betrieb mit. Sie weiss, wie anspruchsvoll es ist, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen: «Nach der Unternehmensgründung absolvierte ich diverse Weiterbildungen. Das verlangte Kraft und Ausdauer und eine ausgeklügelte Organisation, um der Familie und Arbeit möglichst gerecht zu werden. Wichtig dabei ist ein unterstützendes Umfeld, sonst geht es nicht», betont Aerne, die gerne andere Frauen dazu ermuntert, Verantwortung zu übernehmen.

Mit viel Herz und Empathie

Mit Anna Lehmann wurde eine Unternehmerin nominiert, die ebenfalls ursprünglich einen anderen Beruf wählte. Sie ist Architektin, hat aber vor 11 Jahren das 1976 gegründete Familienunternehmen – die Holzofenbeck AG in Lanterswil – von ihren Eltern übernommen und führt dieses seither erfolgreich. Sie beschäftigt rund 60 Mitarbeitende und bietet Lehrstellen für die Bäcker-Konditor-Ausbildung. Neben dem Direktverkauf beliefert Bio-Beck Lehmann den Fachhandel und die Gastronomie mit Back- und Confiseriewaren. Die Geschäftsleiterin und Verwaltungsratspräsidentin ist so quasi aus einer Notsituation zu ihrem Betrieb gekommen und hat dabei viel Mut und Weitsicht bewiesen. «Damit ein Unternehmen überhaupt funktioniert, braucht es Persönlichkeit, Mut und grosse Hingabe.» Als Unternehmerin hat Lehmann ein äusserst sensibles Gespür und viel Empathie für die Bedürfnisse der Menschen in und um ihren Betrieb. Nebst der Abwechslung gefällt ihr an ihrer täglichen Arbeit das hohe Mass an Selbstbestimmung sowie gemeinsam im Team etwas zu erreichen. «Diese Mischung und die Arbeit schätze ich sehr. Zudem sehe ich die Arbeit im Team als ein unerschöpfliches Lernfeld für die persönliche Entwicklung.» Die Berufe in der Bäckerbranche werden sowohl in der Produktion als auch im Verkauf mehrheitlich von Frauen ausgeübt. Lehmann legt als Chefin grossen Wert auf Gleichberechtigung und gegenseitige Hilfsbereitschaft bei körperlichen Belastungen und anderen Herausforderungen.

Die geborene Networkerin

Shpresa Memedi weist einen noch eher ungewöhnlichen Karriereverlauf auf. Als Kind von Einwanderern besuchte sie die Schulen im Thurgau und machte eine KV-Lehre. Bereits wenige Jahre nach ihrem Berufseinstieg als Treuhänderin machte sich die junge Frau selbstständig und gründete mit 23 Jahren ihre Reinigungsfirma 360 clean & more in Kreuzlingen. Die Firma wuchs rasant und beschäftigt heute über 25 Mitarbeiterinnen. Memedi bezeichnet sich selbst als geborene Networkerin. Sie hat selbst einen Business Club gegründet unter dem Namen Business & Friends und kennt sich mit dieser Thematik bestens aus: «Sich gegenseitig unterstützen, austauschen und voneinander profitieren, ist eine wunderbare Erfahrung. Frauen sind diesbezüglich aktiver, mutiger und präsenter.» Ihre Nominierung sieht die innovative Jungunternehmerin als Inspiration und Vorbild für andere Frauen. «Ich hoffe, dass ich so besonders auch junge Frauen motivieren kann, ihre Träume beruflich zu realisieren und Verantwortung mit Freude zu tragen», sagt Memedi.

Eine grosse Portion Unternehmergeist hat die junge Frau bereits von ihrer Familie vorgelebt bekommen. «Ich hatte immer schon den Drang, etwas zu bewegen, zu verändern und an der Zukunft aktiv mitzugestalten.» In ihrem Job als Treuhänderin hätte sie viel davon ausleben können, doch neue Projekte anzugehen und Herausforderungen zu meistern, hätten ihr gefehlt. Risiko und Verantwortung als Unternehmerin seien ihr Ding: «Hier kann ich Prozesse entwickeln, Abläufe optimieren. Mitarbeitende motivieren, Perspektiven bieten und nicht zuletzt gemeinsam im Team Ziele definieren und realisieren.» Die dynamische und zielstrebige Visionärin entwickelt mit viel Tatendrang und Leidenschaft ihr Unternehmen weiter. Dabei managt sie auch den Job als Mutter eines 13-jährigen Sohnes. Dies sei nur eine Frage der Einstellung und der Organisation, «schliesslich sind wir Frauen ja alle ausgezeichnete Allrounderinnen, die mit ganz viel Multitasking und ab und zu mal einer Prise Improvisation immer eine Lösung finden.»

Corinne Remund