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Redegewandt und pragmatisch

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Sie will den Politikwechsel in Berlin: Janine Wissler, Fraktionsvorsitzende der Linken in Hessen, führt ihre Partei als Spitzenkandidatin in die Bundestagswahl. © DPA Deutsche Presseagentur

Janine Wissler ist auf dem Sprung vom Wiesbadener Landtag in den Bundestag nach Berlin. Als brillante Debattenrednerin wird die Fraktionschefin der hessischen Linken auch in anderen Parteien geschätzt.

Mit ihren 40 Jahren gehört Janine Wissler noch zu den eher jüngeren Abgeordneten im Hessischen Landtag. Dennoch ist die Linke-Politikerin aus Frankfurt schon die Dienstälteste unter den Fraktionsvorsitzenden im Wiesbadener Landesparlament. 2008 erstmals zur Abgeordneten gewählt, übernahm sie dieses Amt schon ein Jahr später - zunächst zusammen mit Parteifreund Willi von Ooyen und nach dessen Mandatsverzicht seit 2017 alleine.

Mit dem Attribut der Dienstältesten unter den sechs Fraktionschefs im Landtag wird sich Wissler aber nicht mehr lange schmücken können, denn sie strebt nach höheren Weihen: Bei der Bundestagswahl am 26. September tritt sie als Spitzenkandidatin der Linken für ganz Deutschland an und wird ihre Partei in ein paar Wochen in der »Elefantenrunde« der Spitzenpolitiker mit Armin Laschet (CDU), Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock (Grüne) vertreten.

Abschied vom Landtag fällt schwer

Es ist schon der zweite Karrieresprung der ebenso ehrgeizigen wie redegewandten Politikerin. Erst Ende Februar war Wissler auf dem mehrfach verschobenen Linke-Parteitag in Erfurt zusammen mit Susanne Hennig-Wellsow aus Thüringen zur neuen Bundesvorsitzenden ihrer Partei gewählt worden. Seit der Wahl Wolfgang Gerhardts zum FDP-Chef 1995 ist es das erste Mal, dass wieder eine politische Persönlichkeit aus Hessen an die Spitze einer im Parlament vertretenen Bundespartei steht. Wissler trat mit dem erklärten Ziel an, polarisierende Auseinandersetzungen zwischen Partei- und Fraktionsführung wie in der Vergangenheit zu beenden. Eine gute Voraussetzung für die von Wissler angestrebte Befriedung ist ihr gutes Verhältnis zur Co-Parteichefin Hennig-Wellsow, die sie schon lange aus der Zusammenarbeit als Fraktionsvorsitzende zweier benachbarter Bundesländer kennt. Dass ihre Mitstreiterin als Realo-Frau und sie selbst als Vertreterin der Parteilinken gewählt wurde, tritt da eher in den Hintergrund. In der politischen Arbeit entpuppt sich Wissler durchaus als Pragmatikerin. Zwar hält sie sich als Linke in der Partei naturgemäß mit Erklärungen zu einer Koalitionsbereitschaft im Bund zurück. Sie bekämpft sie aber auch nicht unentwegt. Schließlich kann sie darauf verweisen, dass die hessische Linke mit ihrer Beteiligung 2009 und 2013 zweimal über ein Regierungsbündnis mit SPD und Grünen verhandelt oder sondiert hat. An ihrer Partei sei das Zustandekommen nicht gescheitert. Und im Bund brauche Deutschland einen Politikwechsel. »Wir wollen etwas verändern. Wenn wir den Mindestlohn auf 13 Euro erhöhen, die Superreichen ordentlich besteuern, für sozialen Ausgleich sorgen, ein wirksames Klimaschutzgesetz machen und Waffenexporte stoppen können, dann sage ich: Ja, wir wollen regieren«, sagte Wissler kürzlich.

Auch mit ihrem Mitstreiter als Spitzenkandidat, Bundestags-Fraktionschef Dietmar Bartsch, hat sie nach eigenen Angaben ein gutes Verhältnis, obwohl auch der dem anderen Parteiflügel angehört. Seit Mitte vergangener Woche tourt die hessische Fraktions- und Bundesparteichefin der Linken jetzt deutschlandweit durch den Wahlkampf. 60 Termine an mindestens 48 Orten will sie bestreiten, wie Wissler im Gespräch mit dieser Zeitung berichtet - von Rügen bis Freiburg, von Aachen bis zum Erzgebirge reichen die Stationen.

Auch Wissler konnte indes bislang nichts an den mageren Umfragewerten der Linken im Bund von um die sieben Prozent ändern. »Soziale Gerechtigkeit ohne Wenn und Aber« steht auf den Wahlplakaten mit ihrem Konterfei. Und dies gehöre auch zu den »absoluten Hauptthemen« im Wahlkampf, von prekären Arbeitsverhältnissen über den Kampf gegen Kinder- und Altersarmut und die Sicherung bezahlbaren Wohnens. Auch Klimaschutz sowie aktuell Afghanistan und Außenpolitik nehmen breiten Raum ein, ebenso Vermögensteuer, Rente und Mindestlohn. Bei allem Reiz der Bundespolitik macht Wissler jedoch keinen Hehl daraus, dass ihr der Abschied aus dem Hessischen Landtag sehr schwerfällt. Dort wird sie auch von Abgeordneten anderer Parteien geschätzt, die nicht gerade zu den Freunden der Linken gehören. Die in Langen geborene Diplom-Politologin wird in der Plenarwoche nach der Bundestagswahl ihre Abschiedsrede im Landtag halten und dann alsbald das Mandat niederlegen, um politisch nach Berlin zu wechseln. »Ich bleibe aber Frankfurterin«, betont Wissler, die auch ihre Wohnung im Stadtteil Bockenheim behalten will.

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