Abenteuer Gap Year: Teil 1
Mittwoch, 05.07.2023 , 14:00 Uhr

Nach dem Abi: Durch Europa mit Freiheit im Gepäck

Von Star-Fotografen und Balkan-Liebe: Amina Wolter besucht nach dem Abi 17 Länder mit dem Zug. Im ersten Teil der Serie tourt sie in ihrem Gap Year zwischen Schule und Studium quer durch Europa. Doch ob das die Reiselust der 20-jährigen stillen kann?

Die Goslarerin Amina Wolter hat nach dem Abitur am Ratsgymnasium 17 Länder mit dem Zug bereist. Das Bild zeigt sie in der Innenstadt von Sarajevo. Foto: Privat

Von Hanna-Elisa Böhnisch

Wer nach 13 langen Jahren endlich sein lang ersehntes Abiturzeugnis in Händen hält, verspürt oft das erste Mal den süßen Duft von Freiheit in der Nase. So auch die 20-jährige Amina Wolter, die sich bereits vergangenes Jahr vom Ratsgymnasium in Goslar verabschiedete.

Im Rahmen eines „Gap Years“ zwischen Schule und Studium entschloss sie sich, die Welt kennenzulernen. Sie ging familiären Wurzeln in Westafrika auf den Grund und leistete Arbeit in Hilfsorganisationen. Im ersten Teil ihrer Geschichte erzählt sie von ihrer dreimonatigen Interrail-Reise, auf der sie Europa mit dem Zug unsicher machte.

Ein Interrail-Pass bietet Menschen die Möglichkeit, vom gut vernetzten Schienennetz in Europa zu profitieren und flexibel bis zu 33 Länder zu bereisen. Amina empfiehlt jedem, der an einer Interrailreise interessiert ist, sich in dem Jahr des 18. Geburtstages auf ein Ticket zu bewerben, da man diese manchmal gewinnen könne.

Bereits zwei Tage, nachdem sie offiziell ihr Abitur in der Tasche hatte, schnappte sich die junge Frau ihren Rucksack und machte sich auf den Weg. Nun, da sich ihr „Gap Year“ langsam dem Ende zuneigt, kann die Weltenbummlerin bedenkenlos zurückblicken: „Es ist sicher eine tolle Sache, so etwas zu machen, weil man immer wächst.“

Gewachsen ist vor allem die Liste an Ländern, die Amina auf ihrer Interrailreise abgeklapperte. Amina stattete typischen Urlaubsländern wie Italien, Portugal, Frankreich und der Türkei einen Besuch ab. Sie erforschte aber auch unsere Nachbarländer, die Schweiz und Österreich. Außerdem verlor sie ihr Herz an den Balkan und Osteuropa, besuchte Slowenien, Kroatien, Bosnien und Montenegro, machte Abstecher nach Serbien, Albanien, Nordmazedonien, Griechenland und Rumänien.

Amina Wolter entdeckte in drei Monaten den europäischen Kontinent auf eigene Faust, nur mit einem Rucksack und einer Prise Mut im Gepäck. Foto: Wolter

Die 20-Jährige erinnert sich zurück: „Ich bin vorher nie auf dem Balkan gewesen.“ Jedoch hätten sich Bosnien, Albanien und Montenegro als einige ihrer Lieblingsreiseziele herausgestellt: „Man kann ziemlich einfach trampen“, begründet sie diese Wahl, „und die Menschen sind sehr herzlich und unkompliziert.“ Besonders die unberührte Natur der Region begeisterte die junge Globetrotterin.

Obwohl sie vielen unterschiedlichen Lebensweisen auf ihrer Reise begegnete, erfuhr sie keine großen Kulturschocks: „Ich kann mich einfach gut anpassen“, sagt Amina.

Spontanität

Anpassungsfähigkeit scheint von besonderer Wichtigkeit zu sein, als Amina von ihrer Tagesplanung auf Reisen berichtet: „Wir haben abends entschieden, wo es morgens hingeht“, blickt sie zurück, „man sollte auf jeden Fall spontan sein, gerade wenn man alleine reist.“ Ob auf der Couch eines Fremden, in Hostels, welche laut Amina die „beste Möglichkeit“ der Unterbringung darstellen, oder im Zelt, Amina wusste nicht immer, wo genau sie abends schlafen gehen sollte. An der Finanzierung ihres „Gap Years“ arbeitete Amina bereits in ihrer Schulzeit, auch das Kindergeld wurde auf den Kopf gehauen.

Man sagt, „wer reist, der hat was zu erzählen“, und so geht es auch Amina. Als sie in Italien zufällig einer Freundin über den Weg lief, entschieden sich die beiden, ein wenig gemeinsam weiterzuziehen. Unter der Sonne Italiens sitzend, noch ohne festen Schlafplatz für die Nacht, wurde Amina von einem Mann angesprochen. Er sei Fotograf und wollte wissen, ob Amina für ein Magazin fotografiert werden wolle. Gemäß ihrer spontanen Natur stimmte sie zu – und handelte im Gegenzug für das Fotoshooting einen Schlafplatz im Haus des Fotografen heraus.

Als wäre diese Geschichte nicht abenteuerlich genug, stellt sich später heraus, dass der Mann, der sein Haus für die beiden geöffnet hatte, der persönliche Fotograf der argentinischen Fußballlegende Diego Maradona gewesen war.

Erzählungen wie diese machen nachvollziehbar, warum es Amina schwerfiel, auf ihren Reisen mit Freunden in Kontakt zu bleiben. „Ich hatte das Gefühl, dass unsere Lebensrealitäten gerade einfach so anders sind“, erklärt sie.

Der Bleder See in Slowenien ist wahrlich atemberaubend. Foto: Wolter

Gute Bekanntschaften

Auch wenn der Kontakt nach Hause manchmal schwerfiel, war Amina alles andere als einsam. Einige Tage verbrachte sie allein, andere verlebte sie mit anderen Reisenden: „Ich habe ein paar richtig gute Bekanntschaften gemacht“, führt sie aus, „man kann richtig tolle Freundschaften mitnehmen.“

In Portugal traf Amina beispielsweise eine Brasilianerin, mit der sie im Sommer nun vielleicht gemeinsam auf Reisen gehen wird. Die Sanduhr von Aminas Zeit der Freiheit läuft nun langsam aus. Ein volles Jahr in Unabhängigkeit, ohne Verantwortung oder Stress des Alltagslebens geht zu Ende. „Ich war so frei wie noch nie“, sinnt sie nach, „aber ins normale Leben zurückzukehren, wird mir jetzt nicht schwerfallen. Aber ich werde es vermissen.“

Der nächste große Lebensabschnitt steht nun für Amina Wolter auf dem Programm: das Studium, vorzugsweise politischer oder sozialwissenschaftlicher Natur. Doch bevor wieder etwas Normalität in Aminas Leben einkehrt, stürzt sie sich noch ein letztes Mal in ein neues Reiseabenteuer. Es geht wieder nach Afrika, diesmal in den Nordwesten des Kontinents nach Marokko – Amina würde am liebsten jedes Land in Afrika besuchen: „Ich bin super offen für die Welt“, sagt Amina, „nie habe ich gedacht, dass ich wieder nach Hause möchte.“

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