Anti-Stress-Guide

Wenn Sorgen das Leben bestimmen – und was dagegen hilft

Wer sich ständig Sorgen macht, ist oft angespannt, erschöpft und schläft schlecht. Wir sagen Ihnen, mit welchen Tipps Sie dagegen ankommen können.
Mann ist verzweifelt
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Was ist, wenn bei der Arbeit ein Fehler passiert ist? Könnte der den Job kosten? Woher soll dann das Geld kommen, um das Haus abzubezahlen? Und dieses Drücken im Magen, ist das vielleicht ein Tumor? Geht es der Familie und den Freunden gut? Was ist, wenn ein Unfall passiert? Jeder Mensch kennt es, sich Sorgen zu machen. Manchmal kommt es aber vor, dass die Sorgen übermäßig groß werden und das Leben dominieren. (Mehr zum Thema: Männer, sprecht über eure Psyche!)

Die Befürchtungen wirken sich auch auf den Körper aus

„Der ganze Alltag ist dann überschattet, weil man sich ununterbrochen Sorgen macht und sich ständig Katastrophen vorstellt“, sagt Heike Winter, Psychologische Psychotherapeutin am Zentrum für Psychotherapie an der Goethe-Universität Frankfurt. Die Sorgen können dabei um alles Mögliche kreisen – um die Arbeit, eine Prüfung, die Finanzen, die Familie, die Gesundheit oder auch um eher abstrakte Bedrohungen wie Elektrosmog.

Dabei finden die Sorgen nicht nur im Kopf statt, sondern haben auch körperliche Auswirkungen. „Unser Stresssystem unterscheidet nicht, ob wir etwas wirklich erleben oder ob wir es uns bloß vorstellen“, sagt Winter. Alleine die Gedanken an eine vermeintlich bevorstehende Katastrophe führen also dazu, dass der Körper Stresshormone ausschüttet. (Lesen Sie zudem: Der GQ-Stress-Guide)

Die Anspannung führt dazu, dass der Blutdruck steigt und der Schlaf gestört ist

Diese Hormone lösen in der Folge körperliche Symptome aus. So steigen Puls und Blutdruck an, durch die ständige Anspannung kann der gesamte Körper schmerzen und die Betroffenen finden oft nur schwer zur Ruhe. Auch der Schlaf ist deshalb oft gestört. (Auch interessant: Diese Ernährung soll vor Depression schützen)

Darüber hinaus drücken die ständigen Sorgen auf die Stimmung und wirken auf die Konzentration. „Manche der Betroffenen sind nicht mehr in der Lage, ihrer Arbeit nachzugehen“, sagt Winter.

Generalisierte Angststörung: Wenn ständige Sorgen zur Krankheit werden

Das ständige Sorgen kann eine Krankheit sein. Sie wird als Generalisierte Angststörung bezeichnet. Die Diagnose wird gestellt, wenn Betroffene mindestens sechs Monate lang in Bezug auf alltägliche Ereignisse besorgt sind und mindestens vier der folgende Symptome haben: 

  • Vegetative Symptome, zum Bespiel Schwitzen, Herzrasen oder beschleunigte Atmung, Schwindelgefühle, Mundtrockenheit, Zittern
  • Symptome in Brust oder Bauch wie Atembeschwerden, Beklemmung, Schmerzen, Übelkeit oder Kribbeln im Magen
  • Psychische Symptome wie Schwindel, Unsicherheit und Benommenheit, Angst vor Kontrollverlust oder Angst zu sterben
  • Allgemeine Symptome wie zum Beispiel Hitzewallungen oder Kälteschauer oder Gefühllosigkeit
  • Anspannungssymptome, darunter Muskelverspannung, Ruhelosigkeit, Unfähigkeit zu entspannen, Nervosität, Kloßgefühl im Hals oder Schluckbeschwerden
  • Unspezifische Symptome wie erhöhte Schreckhaftigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten oder Leere im Kopf, anhaltende Reizbarkeit, Schlafstörungen

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Betroffene gehen eher wegen der körperlichen Symptome zum Arzt

Schätzungen zufolge leiden in Deutschland rund drei Millionen Menschen unter einer Generalisierten Angststörung. „Leider wird die Diagnose oft nicht oder erst sehr spät gestellt“, sagt die Expertin. Betroffene gehen meist nicht wegen ihrer ständigen Sorgen zum Arzt, sondern weil sie in der Folge zum Beispiel unter Herzrasen leiden oder schlecht schlafen. (Studie: So realistisch ist das Selbstbild von Männern zu ihrem Körper)

„Meist wird dann zunächst nach einer körperlichen Ursache gesucht“, sagt Winter. Betroffene werden oft intensiv durchgecheckt, ohne etwas zu finden, das die körperlichen Beschwerden erklären könnte. „Schätzungen gehen davon aus, dass nur etwa ein Drittel der Generalisierten Angststörungen diagnostiziert werden“, sagt die Expertin. „Das ist ungünstig, weil die Krankheit einen ziemlich hohen Leidensdruck mit sich bringt.“

In vielen Fällen hilft eine Verhaltenstherapie

Gut erforscht ist, dass eine Verhaltenstherapie vielen Betroffenen helfen kann. Sie lernen dabei, sich mit ihren Sorgen zu konfrontieren und sie auszuhalten. „Entscheidend ist, die Befürchtungen bis zum Ende durchzuspielen“, sagt Winter. „Das machen die Betroffenen im Alltag aber nicht, sondern sie brechen ihre Gedanken vorher ab.“ (Auch lesenswert: Stress abbauen: Diese Tipps bringen mehr Gelassenheit – und machen gesund)

In der Therapie lernt man, sich auch schlimme Szenarien vorzustellen. „Es geht letztlich darum anzuerkennen, dass wir keine Kontrolle über das haben, was passieren wird“, sagt Winter. „Aber wir können lernen, dass das Leben weitergeht – und zwar selbst dann, wenn etwas Schlimmes passiert.“

Akzeptieren, dass wir über viele Dinge keine Kontrolle haben

Auch wer nicht unter einer psychischen Erkrankung leidet, kann es belastend finden, wenn er dazu neigt, sich im Alltag viele Sorgen zu machen.  „Eigentlich ist es ja sinnvoll, über Dinge nachzudenken, damit nichts Schlimmes passiert“, sagt Winter. „Wir fragen uns ja im Alltag auch: Wie baue ich einen Swimmingpool? Oder wie grille ich das beste Steak? Und dann denken wir nach, bevor wir handeln.“ (Auch lesenswert: Mindfulness: 6 Tools, mit denen Sie Ihre mentale Stärke trainieren)

Aber: Über bestimmte Ereignisse haben wir keine Kontrolle – zum Beispiel darüber, ob der Partnerin auf dem Heimweg etwas passiert, ein Elternteil schwer erkrankt oder ob man den Arbeitsplatz verliert, weil das Unternehmen insolvent ist. „Wir können solche Katastrophen nicht verhindern, indem wir darüber nachdenken“, sagt Winter. „Aber das Grübeln gibt uns die Illusion, dass wir Kontrolle darüber haben.“ (Außerdem: Gesunder Schlaf: Das sind die besten Tipps vom Experten)

Gegen Grübeln im Alltag hilft die Verankerung im Hier und Jetzt

Was also wirkt im Alltag gegen ständiges Grübeln? „Wichtig ist, sich klarzumachen, dass wir mit unseren Sorgen nichts ändern“, sagt Winter. „Wir können noch so viel nachdenken, damit werden wir ein Ereignis nicht verhindern können, das nicht in unserer Macht steht.“ (Lesen Sie auch: Stress ohne Grund: Tipps gegen innere Unruhe – und provozierende Songs)

Außerdem hilft es, sich klarzumachen, dass man sich in Gedanken in der Zukunft bewegt, wenn man sich Sorgen macht. „Wir vergessen darüber das Heute“, sagt die Expertin. „Und das ist die einzige Zeit, in der wir leben und Freude empfinden können.“ Winter empfiehlt außerdem, sich bewusst auch positive Bilder vorzustellen. „Natürlich kann man nie ausschließen, dass dem eigenen Kind etwas passiert oder dass es krank wird“, sagt sie. „Man kann sich aber auch genauso vorstellen, dass es sehr alt wird und zufrieden in einem Schaukelstuhl sitzt, während es von eigenen Enkeln und Urenkelkindern umgeben ist.“ (Lesen Sie auch: Meditation: In nur 10 Minuten den ganzen Körper stärken)

Wer insgesamt ausgeglichen ist, macht sich weniger Sorgen

Darüber hinaus reicht es bei den meisten vorgestellten Katastrophen, sich mit ihnen zu befassen, falls sie tatsächlich eintreten sollten. „Dann können wir es immer noch darum kümmern“, sagt Winter. Alles andere ist Energieverschwendung.“ (Auch interessant: Ein Experte verrät: Wer ein ausgeglichener Mensch werden will, muss diese Dinge an sich ändern)

Abgesehen davon hilft es auch gegen das Grübeln, wenn man insgesamt ausgeglichen ist, also dafür sorgt, dass man ausreichend schläft, sich bewegt, sich ausgewogen ernährt, sich Pausen gönnt und auch schöne Erlebnisse einplant, sich also zum Beispiel mit Freunden trifft oder etwas unternimmt. Auch ruhige Sportarten wie Yoga oder Pilates können dabei helfen, wieder mehr ins innere Gleichgewicht zu kommen – auch ein Spaziergang hilft meistens schon.

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