Digitalisierungsstrategie Ökosystem Gesundheitswesen: eine Plattform für alles

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Um das Gesundheitssystem fit für die Zukunft zu machen, braucht es eine Plattform für alle Akteure – ein System, das eine umfassende Versorgung der Bevölkerung bei gleichzeitiger Wirtschaftlichkeit für alle Beteiligten garantiert.

Vom Plattformgedanken im Gesundheitswesen könnten alle Akteure profitieren.
Vom Plattformgedanken im Gesundheitswesen könnten alle Akteure profitieren. – © AndSus (adobe.stock.com)

Bis zu 4,3 Milliarden Euro stellt das Bundesamt für Soziale Sicherung ( BAS) für die nach dem Krankenhauszukunftsgesetz ( KHZG) notwendigen Investitionen bereit. Die entsprechenden Förderanträge müssen von den Ländern bis zum 31. Dezember 2021 beim BAS eingereicht werden und die Projekte bis Ende 2024 umgesetzt sein. Davon ausgehend, dass die einzelnen Einrichtungen des Gesundheitssystems entsprechend ab 2025 einen Mindeststandard an digitaler Infrastruktur aufgebaut haben, ergibt sich die Frage, wie es dann weitergeht. Denn dem Ökosystem Gesundheit mangelt es an Interoperabilität und diese kann nur gewährleistet werden, wenn heute schon Lösungen für die Herausforderungen von Morgen entwickelt werden.

Patienten und Patientinnen werden digitale Lösungen fordern

Es sollte bei der Digitalisierung des Gesundheitssystems nicht um einzelne Maßnahmen und möglichst viele technologische (Insel-)Lösungen gehen, im Gegenteil: Die Anforderungen der Patientinnen und Patienten müssen in digitale Lösungen übersetzt werden. Außerhalb der Kliniken gelingt dies schon gut. Aus dem Alltag ist das Digitale nicht mehr wegzudenken. Man bezahlt mit dem Smartphone, wickelt Bankgeschäfte über Apps ab oder streamt Filme online. Menschen sind digital sozialisiert und werden ihre Verhaltensweisen früher oder später auf das Gesundheitswesen adaptieren. Sie werden einzelne Anbieter danach bewerten, wie gut ihre Patient Journey war. Angefangen bei der Frage nach den Möglichkeiten, Termine in Praxen zu buchen, werden weitere Dinge in den Fokus rücken: Wie lassen sich möglichst einfach Rechnungen bei Krankenkassen einreichen? Wie können Krankheitsbilder auf einen Blick auch von Laien erfasst werden? Gleichzeitig dürfen ältere und nicht digital geprägte Menschen nicht vergessen werden. Digitale Lösungen müssen entsprechend so gestaltet sein, dass die Hemmschwelle niedrig ist und es auch für diese Personengruppen Partizipationsmöglichkeiten gibt. Üblicherweise liegt die Annahmequote solcher digitalen Plattformen zu Beginn zwischen zehn und 30 Prozent. So nutzen derzeit in der Schweiz ca. zwölf Prozent ein telemedizinisches Modell.

Welche Rolle GAFAs (Google, Apple, Facebook und Amazon) spielen

Warum es so wichtig ist, die Patient Journey in den Blick zu nehmen und davon ausgehend das Gesundheitswesen neu zu justieren, zeigt ein Blick in die USA: Amazon macht sich dort mit seinem Projekt „Care“ immer breiter und übernimmt Dienstleistungen, die der Staat und seine Einrichtungen nicht leisten. Dazu gehört zum Beispiel die Brücke zwischen telemedizinischer Versorgung und persönlicher Behandlung, aber auch die Lieferung von Medikationen. Das führt auch dazu, dass andere vom Markt gedrängt werden. Ergänzend ist davon auszugehen, dass durch diese Marktmacht auch der Eintritt neuer Akteure erschwert wird.

Andere Anbieter wie Apple und Microsoft haben das Potenzial im Health-Bereich erkannt und entwickeln eigene Angebote. Aber auch hierzulande dringen die GAFAs immer weiter in das Ökosystem Gesundheit vor. Ein verhältnismäßig harmloses Beispiel sind Bewertungen auf Google und weiteren Portalen. Diese spielen eine immer größere Rolle bei der Entscheidung von Menschen, in welcher Praxis oder welcher Klinik sie sich behandeln lassen. Wie war das Frühstück? Hat sich die Ärztin ausreichend Zeit genommen? War der Pfleger rücksichtsvoll? Eine medizinische Behandlung ist schon lange keine reine Formsache mehr, die Ansprüche der Menschen steigen. Somit sind diese Bewertungen ein potenzieller Faktor für den nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg von Kliniken. Denn die großen Player verstehen es, die sich ändernden Verhältnisse für sich zu nutzen und besetzen Leerstellen, die das aktuelle System offenlässt .

Plattformgedanke sollte Silos verdrängen

Dabei ist die Strategie der Großen relativ einfach: Sie bieten alles aus einer Hand. Produkte, Kundenservice, die Möglichkeit zur Bewertung, etc. Die Daten, die sie dabei sammeln, nutzen sie unter anderem für eine weitere Optimierung ihres Angebots. Sinnvoll wäre es also für das Gesundheitssystem, sich dies zum Vorbild zu nehmen und laufende Investitionen so zu tätigen, dass am Ende nicht einzelne Insellösungen entstehen, sondern eine einzige Plattform, die für alle Akteure des Gesundheitswesens nutzbar ist. Dabei müsste man berücksichtigen, dass es sich bei Gesundheitsdaten um Daten handelt, die besonders kritisch sind und nur sehr eingeschränkt genutzt werden dürfen.

Der Sinn des Plattformgedankens: Der Sinn hinter einer solchen Plattform liegt nicht nur in der Vereinfachung von Terminbuchungen, sondern auch in einer Integration weiterer Gesundheitsdaten, wie sie zum Beispiel über Smart Devices erfasst werden. Auch die Ausgestaltung der Rechnungsprozesse zwischen den Anbietern steht auf der Liste der Maßnahmen, die in den Aufbau einer Plattform einfließen müssen. Es ist wichtig, dabei niemanden von vornherein aus diesem System auszuschließen. Eine Gate-Keeper-Funktion, um die Qualität und den Sinn hochzuhalten, ist die Entwicklung von Standards. Diese sind auch deshalb sinnvoll, weil es einen Austausch der einzelnen Akteure untereinander erleichtert.

Einige Anbieter haben sich bereits aufgemacht und bauen Kommunikationsplattformen auf, damit Praxen, Menschen und Versicherungen optimal miteinander interagieren können. Ein Beispiel ist die Schweizer Post mit ihrem E-Health-Portfolio, die unter anderem auf Basis des ePD (elektronisches Patientendossier – Schweizer Gegenstück zur der digitalen Patientenakte) ein Gesundheitsökosystem aufbauen wollen.

Statt Amazon und Co. den Markt zu überlassen, sollte in dem Plattformgedanken Inspiration gefunden werden, um gemeinsam und vernetzt ein System zu schaffen, das sich weiterhin als eines der besten der Welt bezeichnen darf. Eines, das Abrechnungswege verkürzt, Informationen zugänglich macht und stets die Patientinnen und Patienten im Fokus hat.

Kontakt zu den Autoren:
Pascal Frank, Healthcare Consultant bei Detecon International GmbH, berät u.a. Kliniken in Deutschland zum KHZG, Kontakt: Pascal.Frank@detecon.com
Jens Linnow, Partner der Detecon International GmbH und Leiter des Bereiches Healthcare, Kontakt: Jens.Linnow@detecon.com