Ermittlung von Brandursachen: 5 Fragen an Michael Lock

Man solle niemals allgemeinen Eindrücken trauen, sondern sich auf alle Einzelheiten konzentrieren, lässt Arthur Conan Doyle seinen weltberühmten Sherlock Holmes in einer seiner Geschichten anraten. Obwohl sich der Satz nicht auf die Ermittlung von Brandursachen bezieht, fasst er recht treffend zusammen, worum es bei diesem wichtigen Feld der Forensik geht. Den Nachweis zu erbringen, was beziehungsweise wer einen Brand verursacht hat, zählt zu den schwierigsten kriminaltechnischen Aufgaben überhaupt. 

Wenn jemand weiß, worauf es bei der Ermittlung von Brandursachen ankommt, dann ist es Michael Lock. Der Dipl.-Verwaltungswirt, Sachverständige für Brandursachenermittlungen und polizeilich zertifizierte Brandursachenermittler aus Filsen (Rheinland-Pfalz) war bereit, uns das Thema näherzubringen. Lock leitet beim HDT das Seminar „Brandursachenermittlung“, welches die Voraussetzungen der Fortbildung für Brandschutzbeauftragte erfüllt und Teilnehmende in die Lage versetzt, die erforderlichen Maßnahmen zur abschließenden Ermittlung von Brand- und Explosionsursachen sicher anzuwenden.

HDT-Journal: Herr Lock, in der Physik ist man sich uneins, ob die vollständige Auslöschung aller Informationen zum Beispiel durch einen Sturz von Materie in ein Schwarzes Loch möglich ist. Für den Bereich der Brandursachenermittlung lässt sich aber wohl ausschließen, dass ein Feuer sämtliche Spuren seiner Entstehung beseitigt, richtig?

Michael Lock: Leider gibt es Fälle, wo ein Brand tatsächlich keine verwertbaren Brandspurenbilder mehr hinterlässt, die eine gerichtsverwertbare Aussage zur Brandursache ermöglichen. Das ist zum Glück aber nicht die Regel. Zwar vernichtet das Feuer einerseits brennbare Materialien (Spurenträger), andererseits entstehen hierdurch aber neue Spuren, eben brandtypische und brandspezifische, die wiederum einen Rückschluss auf das Ursprungsgeschehen zulassen. Allgemein unterscheidet man zwischen Tatspuren, Täterspuren und Spuren am Täter. Diese Spuren sind erheblich für die Beurteilung von Branddynamik und -ursache; sie können überdies zur Feststellung des Verursachers beitragen. 

Brandspuren sind unter anderem Verbrennungsprodukte wie zum Beispiel Ruß- und Schwelgasauflagerungen, Asche, Wärmeeinwirkungen durch Verbrennungsreaktionen, zum Beispiel Verformungen von Metall, Erweichen von Kunststoffen, Metall-, Glas- oder Kunststoffschmelzen, Aus- und Abplatzungen an Baustoffen.

Für die Beurteilung des Brandgeschehens sind die brandtypischen Spuren, die durch den Abbrand verursachten Veränderungen im Erscheinungsbild der Materialien, von Bedeutung. Dabei unterscheidet man zwischen Materialspuren und Situationsspuren. Materialspuren beinhalten die für die Brandentstehung und die Brandausbreitung bedeutsamen Materialien, während als Situationsspuren die Lage und die Zuordnung von Gegenständen zueinander und zur Umgebung zu verstehen sind. Aus ihnen lassen sich Schlüsse auf die Art der Spurenentstehung ziehen und sie dienen zur Rekonstruktion des Brandverlaufs sowie zur Feststellung beziehungsweise Eingrenzung des Brandausbruchbereiches.

 

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Seminartipp Brandursachenermittlung

 

Es gibt sehr aussagekräftige Brandmuster, die auf den Entstehungsort beziehungsweise den Verlauf eines Brandes hindeuten. Hier zu erwähnen wäre der sogenannte Brandtrichter, der in vielen Fällen oftmals auf die unmittelbare Brandausbruchstelle hindeutet. Jedoch einfach zu finden ist er nicht unbedingt. Ein Brandtrichter kann V oder U-förmig sein, er kann ein umgekehrtes V darstellen, sich hell oder auch dunkel absetzen.

Rußspuren, die ein Abfallprodukt einer unvollständigen Verbrennung darstellen, geben oftmals Hinweise auf die Abbrandtemperatur (Ruß verbrennt ab circa 700 °C wieder), die Brandverlaufsrichtung (Gaußsches Ausbreitungsmodell) und gegebenenfalls auch einen ersten Hinweis auf die Verwendung von Brandbeschleuniger („Landkartenmuster“ auf dem Bodenbereich).

Schmelzspuren von zum Beispiel Kunststoffen oder Metallen geben Rückschlüsse auf im Brandraum vorhandene Gegenstände. Glüh- und Anlassfarben an Metallen können Rückschlüsse auf die Temperatur geben. Reste von elektrischen Gegenständen (Kabel, Elektrogeräte) geben einen möglichen Hinweis auf einen eventuell elektrotechnischen Defekt als Brandursache.

Insbesondere Abbrandspuren am Holz (Brandnarbungen) geben wichtige Hinweise auf die Brandverlaufsrichtung. In der Regel weist die dem Brandausbruchbereich zugewandte Seite ein intensiveres Abbrandbild auf. Für den Laien ist ein Brandort in der Regel ein Ort der Zerstörung. Für den Brandursachenermittler eine Quelle von Spuren, die es zu erkennen, zu dokumentieren und auszuwerten gilt.

HDT-Journal: Die meisten kennen das Wort vom „heißen Abbruch“. Nun lauern in Betrieben und Haushalten genug Gefahren, die als „natürliche“ Brandursachen infrage kommen. Für die Brandursachenermittlung gilt trotzdem die Gleichung „Brandort ist Tatort“, was sogar Konsequenzen für die Arbeit der Löschkräfte hat. Könnten Sie unserer Leserschaft kurz erläutern, was es damit auf sich hat?

Michael Lock: Grundsätzlich ist diese Aussage richtig. Im Strafgesetzbuch (StGB) wird der Begriff Tatort als Ort der Tat bezeichnet (§ 9 Abs. 1 StGB). Hiernach ist eine Tat an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte.

Ob es sich tatsächlich bei einem Brandort um einen „Tatort“ handelt, weiß man immer erst dann, wenn die Ermittlungen zur Brandursache abgeschlossen sind. Nicht jedes Brandereignis ist auf ein strafrechtlich menschliches Fehlverhalten zurückzuführen. So ist beispielsweise ein Brand, dem eine natürliche Brandursache zugrunde liegt, keine Straftat und wird somit auch von den Gerichten strafrechtlich nicht weiterverfolgt. Die uns allen bekannteste natürliche Brandursache ist ein Blitzeinschlag. In einem solchen Fall wäre der Begriff „Tatort“ fehlinterpretiert. Vielmehr spricht man hier von einem „Ereignisort oder Schadenort“. Da man im Rahmen der Brandursachenermittlung aber immer erst mit Bekanntwerden der Brandursache weiß, ob ein menschliches Fehlverhalten in Form einer strafbaren Handlung zugrunde liegt oder nicht, sollte jeder Brandort von vornherein wie ein Tatort bewertet, behandelt und ausgewertet werden.

Hinzu kommt, dass bei einem menschlichen Fehlverhalten in Form einer fahrlässigen oder auch vorsätzlichen Handlungsweise der Verursacher mit strafprozessualen Konsequenzen zu rechnen hat. Unser StGB gibt hier die Möglichkeit einer Straffreiheit bis hin zu einer lebenslangen Haft. Unabhängig davon finden die Feststellungen zur Brandursache auch im Zivilrecht eine große Bedeutung, wo es insbesondere um die Frage geht, ob und in welchem Umfang Versicherungsleistungen zu dem Brandgeschehen ausgezahlt werden. Nicht selten werden gegen den Verursacher auch Schadensersatzansprüche gestellt.

Die Arbeit der Brandursachenermittler hat sehr weitreichende Konsequenzen. Aus diesem Grund sind an die Brandursachenermittlungen extrem hohe Ansprüche zu stellen.

 

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Was nun hat die Feuerwehr mit all dem zu tun? Die Aufgaben der Feuerwehr sind gesetzlich geregelt und umfassen Retten, Löschen, Schützen, Bergen und technische Hilfeleistung. Das Löschen ist wohl eine der ältesten Aufgaben der Feuerwehr und umfasst das Löschen von Bränden, was oft verbunden ist mit dem Retten von Menschenleben und Sachgütern. Und hier genau liegt der Schnittpunkt zwischen den Maßnahmen der vor Ort anwesenden Einsatzkräfte der Feuerwehr und den Brandursachenermittlungen. Grundsätzlich gilt, dass Maßnahmen zur Gefahrenabwehr den Maßnahmen zur Strafverfolgung vorgehen. Immer erst dann, wenn der Brand gelöscht und ein gefahrloses Betreten der Brandstelle möglich ist, können die erforderlichen Maßnahmen zur Brandursachenfeststellung beginnen.

Es arbeiten zwei verschiedene Organisationseinheiten mit unterschiedlichen Zielen an dem Sachverhalt „Brandgeschehen“. Um den Brand zu bekämpfen, muss die Feuerwehr auf wirksame Löschmittel zurückgreifen, meist Wasser oder Löschschaum. Gerade bei dem Einsatz von Wasser kommt es häufig zur örtlichen Verlagerung von Beweisgegenständen. 

Eine weitere häufige Maßnahme im Rahmen der Brandbekämpfung ist die Suche nach verborgenen Glutnestern. Hierzu werden Decken- und Wandbereiche gewaltsam geöffnet, was wiederum dazu führt, dass wichtige Spurenbilder (Rußablagerungen, thermische Einwirkungen) zur Bestimmung der Brandausbruchstelle nicht mehr auffindbar beziehungsweise verwertbar sind. Ebenso werden regelmäßig Einrichtungsgegenstände im Rahmen der Brandbekämpfung aus dem Brandobjekt entfernt und außerhalb abgelagert. Nicht selten ist im Rahmen der Brandursachenermittlung festzustellen, dass sich hierunter auch Gegenstände aus dem primären Brandausbruchbereich befinden. Da Brandursachenermittlungen regelmäßig mit einer Rekonstruktion verbunden sind, müssen viele dieser Gegenstände im Nachhinein wieder in das Brandobjekt, in den Brandausbruchbereich zurückgebracht werden, weil die Gegenstände eine Brandverlaufsrichtung erkennen lassen, möglicherweise sogar als Zündquelle fungiert haben.

Durch das Entfernen der Beweisgegenstände aus dem Brandobjekt werden diese oftmals zusätzlich beschädigt oder für eine Rekonstruktion gänzlich unbrauchbar. Oft stellt sich die Frage, wo befanden sich diese Gegenstände ursprünglich überhaupt einmal. Nicht immer sind die Geschädigten eines Brandgeschehens auskunftsbereit beziehungsweise auskunftspflichtig. Insbesondere dann nicht, wenn sie mit strafrechtlichen Konsequenzen zu rechnen haben.

Im Rahmen der Brandbekämpfung werden von den Einsatzkräften regelmäßig Veränderungen am respektive im Brandobjekt vorgenommen. Einen Teil hiervon habe ich bereits angesprochen. Andere betreffen zum Beispiel das Öffnen von Fenstern und Türen, damit ein Innenangriff im Rahmen der Brandbekämpfung überhaupt erfolgen kann.

Meine Ausführungen zu diesem Themenkomplex sind nicht abschließend. Sie sollen die Problematik verdeutlichen, wie stark die Maßnahmen von Feuerwehreinsatzkräften im Rahmen der Brandbekämpfung Einfluss auf die spätere Ermittlung zur Brandursache nehmen. Je weniger das Feuer an Spuren, das heißt Beweismittel, vernichtet und umso bewusster die Brandbekämpfungsmaßnahmen der Feuerwehreinsatzkräfte durchgeführt werden, desto wahrscheinlicher werden die zeitlich versetzt durchgeführten Brandursachenermittlungen erfolgversprechend sein. Es bedarf insbesondere eines gegenseitigen Verständnisses für die Arbeit des jeweils anderen, hier insbesondere Feuerwehr und Polizei. Beschulungen oder Informationsveranstaltungen wären hier sehr hilfreich.

 

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HDT-Journal: Brandursachenermittlung und die Suche nach der „Smoking Gun“ ist offenbar ein mühevolles und kompliziertes Geschäft. Was – abgesehen von jahrelanger Praxiserfahrung – sind die Voraussetzungen, um hier erfolgreich zu sein?

Michael Lock: Die Brandursachenermittlung basiert auf der Sichtung, Dokumentation, Sicherung und Auswertung der am Brandort aufzufinden Spuren auf wissenschaftlicher Basis. Die Rekonstruktion eines tatsächlich abgelaufenen Ereignisses aufgrund der vorhandenen Spuren, die dieses Ereignis hinterlassen hat, ist oberstes Gebot. Die Ermittlung der Brandausbruchstelle – mithilfe einer Rekonstruktion – ist die Voraussetzung für eine erfolgversprechende Brandursachenbestimmung. Erst wenn die Brandausbruchstelle eindeutig und unzweifelhaft festgestellt ist, kann ich in diesem Bereich nach der zur Einleitung eines Verbrennungsvorganges erforderlichen Zündquelle suchen. Ist also die Brandausbruchstelle schon falsch definiert, ist auch mein Gesamtergebnis falsch.

Für die Suche nach der erforderlichen Zündquelle sind viele Entstehungsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Es gibt hunderte verschiedener Zündquellen. Die gängigsten, die häufigsten Zündquellen sollte der Brandursachenermittler kennen. Ich möchte hier nur einige Themenfelder kurz ansprechen, um die Dimension der Zündquellenproblematik zu verdeutlichen.

Zu den möglichen Brandursachen zählen natürliche Brandursachen wie Blitzeinschlag, Sonneneinwirkung, klima- und umgebungsbedingte Einflüsse. Auch Tiere kommen als Brandverursacher infrage – Beispiel Marderbiss. Hinzu kommen biologische Prozesse wie die Heuselbstentzündung, chemische Reaktionen sowie physikalische Prozesse wie Reibung, Druck, stoffliche Funken und statische Elektrizität und schließlich Explosionen.

Um die Vielzahl der möglichen Zündquellen überhaupt richtig einordnen zu können, bedarf es einer grundlegenden Kenntnis über die Verbrennungslehre, die Verbrennungsgeschwindigkeit, das Brandverhalten von Stoffen und vieles mehr.

Habe ich die vermeintliche Zündquelle im Brandausbruchbereich aufgefunden, dann ist diese beweiskräftig zu dokumentieren und zu sichern. Hier ist ein Wissen aus dem Bereich der Kriminaltechnik erforderlich. Wie sind welche Stoffe zu asservieren, ohne dass ein Beweismittelverlust droht? So kann ich beispielsweise Brandschuttproben mit vermutlich Flüssigbrandbeschleuniger versetzt nicht in normalen Plastikbehältnissen sichern.

Ob eine Zündquelle auch tatsächlich als die brandauslösende fungiert hat beziehungsweise haben könnte, kann möglicherweise nur durch vergleichbare Brandversuche, gegebenenfalls auch nur in einem Labor, festgestellt werden.

Und schließlich kommt es auch nicht selten vor, dass die brandauslösende Zündquelle im Rahmen des Verbrennungsvorganges mit verbrennt, also vor Ort gar nicht mehr auffindbar ist. Ich denke hier zum Beispiel an eine weggeworfene aber noch glimmende Zigarettenkippe.

 

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Um zurückzukommen auf Ihre Frage, was Voraussetzungen für eine erfolgreiche Brandursachenermittlung sind, dann sind das die Kenntnis um die vorgenannten Geschehensabläufe. Die Kenntnis um die Flexibilität einer möglichen Brandentstehung. Es ist die Bereitschaft, unvoreingenommen die Brandursache ausfindig zu machen. Sich nicht voreilig auf eine bestimmte Zündquelle, einen bestimmten Ursachenzusammenhang festzulegen, wenn auch noch andere Zündquellen nicht sicher eliminiert werden können. Es ist der Wille, sich in einem hochkomplexen Aufgabengebiet zurechtzufinden. Es ist die Bereitschaft, sich bei der Arbeit auch schmutzig zu machen, sich ständig weiterzubilden und auf dem aktuellen Wissensstand zu bleiben. Es ist die Bereitschaft, das eigene Ermittlungsergebnis vor Gericht verständlich darzustellen, mit dem Wissen der möglichen Konsequenzen.

HDT-Journal: Technische Neuerungen wie die unterstützende Bildauswertung mittels künstlicher Intelligenz erobern gegenwärtig viele Bereiche, darunter medizinische Diagnostik und Anlagen- und Werkstoffprüfung. Spielt das künftig auch für die Brandursachenermittlung eine Rolle?

Michael Lock: Künstliche Intelligenz (KI) oder auch Artifical Intelligence (AI) spielt im Rahmen der Brandursachenermittlung bereits eine gewisse Bedeutung. Bei komplexen Ermittlungsverfahren werden große Mengen von Daten im Rahmen von zum Beispiel Videoaufzeichnungen, Fotodokumentationen und Zeugenaussagen bereits durch KI ausgewertet, um Vergleichsmuster zu erkennen oder wesentliche Zeugenaussagen herauszufiltern. 

Auch wird KI schon teilweise im Rahmen von Brandversuchen eingesetzt, um das Entstehen und den Verlauf eines Brandes unter bestimmten Bedingungen zu rekonstruieren und hierdurch wiederum Nachweise zur Brandentstehung beziehungsweise Ausbreitung zu erhalten.

Auch wird KI künftig im Bereich der Brandursachenermittlungen immer mehr an Bedeutung finden. Ermittlungen werden auf diesem Wege schneller und effizienter durchgeführt werden können. Große Datenmengen lassen sich auf diesem Wege wesentlich schneller bearbeiten und somit auch Ergebnisse früher aufzeigen.

Durch erweiterte Analysemöglichkeiten können Zusammenhänge und Muster umfassend und gründlich untersucht werden, was einem Brandursachenermittler insbesondere in einer frühen Phase so noch nicht auffallen würde.

Bei alledem bleibt aber zu berücksichtigen, dass KI einen Brandursachenermittler nicht ersetzen wird. KI ist als unterstützende Maßnahme zu verstehen. Insbesondere im Bereich der polizeilichen Ermittlungstätigkeit, wo die eigentliche Arbeit erst mit Bekanntwerden der Brandursache, eines strafbaren menschlichen Fehlverhaltens, beginnt, wird KI unverzichtbar. Die Frage ist nur: Wie weit darf der Staat hier in die Rechte von Privatpersonen eingreifen und in welcher Weise ist hier gesetzlicher Regelungsbedarf angesagt?

HDT-Journal: Wir haben in der Einleitung mit Sherlock Holmes begonnen und wollen zum Schluss noch einmal auf den Meisterdetektiv zurückkommen. Wer die Geschichten kennt, weiß um die regelrechten Qualen, die es Holmes bereitete, wenn er intellektuell unterfordert war. Dürfen wir Sie daher fragen, welches Ihr bislang kniffligster Fall war?

Michael Lock: Ja, es gibt einen Fall, der sogar bis heute „ungeklärt“ ist. Durch ein bewusstes menschliche Fehlverhalten wurde ein Gastronomiebetrieb mit liebevoller Kleinarbeit in Brand gesetzt. Mit Propangas gefüllte Luftballons sollten heißes Frittierfett entzünden. Ausgegossener Flüssigbrandbeschleuniger – in Verbindung mit einer aufgedrehten Gasflasche – sollte eine Explosion herbeiführen. Fenster, Türen und Entlüftungsvorrichtungen waren mit Plastikfolien und Klebebändern luftdicht abgeschlossen, damit eine Rauchgasausbreitung nach außen hin nicht so schnell sichtbar wird. Brennende Wachskerzen und Wunderkerzen sollten als zeitverzögerte Zündquellen dienen.

Trotz meiner Ermittlungen, die sehr umfangreich und mit einer Überprüfung von vielen einzelnen Spuren, Hinweisen und mit einer monatelangen Telefonüberwachung bei einem Tatverdächtigen einhergingen, konnte das Tatgeschehen diesem nicht nachgewiesen werden. Auch nicht, obwohl an Teilen seiner Bekleidung, die der Tatverdächtige zur Tatzeit getragen hatte, Spuren von Ottokraftstoff nachweisbar waren.

Der Tatverdächtige war damals Eigentümer des in Brand gesetzten Gastronomiebetriebes. Die Geschäftseinnahmen waren schlecht und reichten nicht einmal mehr für die Miete. Das Motiv war förmlich greifbar. Alle Gegenstände, die im Rahmen der Tatausführung Verwendung fanden, stammten aus diesem Gastronomiebetrieb. Wenn sich zum Beispiel an der Gasflasche Fingerabdrücke vom Eigentümer fanden, dann hatte das keine belastende Beweiskraft, denn er ist „berechtigter Spurenleger“.

Für alle offene Fragen hatte der Tatverdächtige Erklärungen, sogar für den Kraftstoffnachweis an seiner Bekleidung. So wäre ihm die Zapfpistole beim Betanken seines Fahrzeuges aus der Hand gefallen und hätte seine Kleidung benetzt. Weitere Überprüfungen hierzu ergaben, dass er an der von ihm benannten Tankstelle tatsächlich getankt hatte. Ob ihm die Zapfpistole tatsächlich aus der Hand entglitten ist, konnte nicht nachvollzogen werden. Die Zapfsäule, an welcher der Tatverdächtige des Abends tankte, war ab einer gewissen Uhrzeit nicht mehr videoüberwacht.

Auch wenn alles für eine Täterschaft des damaligen Gastronomiebesitzers sprach, zu einer Verurteilung hat es nicht gereicht.

HDT-Journal: Herr Lock, wir danken Ihnen für die ebenso spannenden wie ausführlichen Antworten. Wie man unschwer erkennen kann, brennen Sie für die Brandursachenermittlung, wenn Sie uns dieses Wortspiel gestatten. Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg bei Ihrer wichtigen Arbeit.

Die Fragen stellte Michael Graef, Chefredakteur HDT-Journal

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